Warmes Blut lief über den ganzen Körper

Gahlen. Am morgigen Volkstrauertag versammeln sich Schermbecker Bürger in mehreren Ortsteilen an den Ehrenmalen, um der Opfer von Kriegen und Gewalt zu gedenken.

In den Gedenkreden wird sicherlich auch in diesem Jahr an „das große Leid der Soldaten“ erinnert. Konkrete Beispiele fehlen dabei stets. Wir haben mit dem ehemaligen Soldaten Hans Heckermann gesprochen und dürfen aus den Kriegsaufzeichnungen des heute 88-jährigen Gahleners zitieren.

Mit 17 Jahren erhielt Hans Heckermann im ostfriesischen Leer eine infanteristische Grundausbildung. Im Januar 1943 kam er zur technischen Ausbildung nach Brake an der Weser. Nach der Ausbildung wurde er nach Königsberg in Ostpreußen abkommandiert. Dort gehörte er bald zur Besatzung eines Minensuchbootes. Probefahrten wurden auf dem Kurischen Haff durchgeführt. Die erste Fahrt führte nach Sassnitz auf der Insel Rügen.

Bedrohlich wurde die Lage im Ärmelkanal, wo das Schiff Seeminen räumen musste. „Die englische Küstenartillerie machte uns mit ihrem Fernbeschuss schwer zu schaffen“, schrieb Heckermann in sein Tagebuch und ergänzte, „wir erhielten mehrere Treffer und hatten einige Tote. Es war ein Himmelfahrtskommando mit vielen Einschlägen und Verlusten. Bei einer solchen Durchfahrt in Höhe von Calais und Dover stand ich an Deck. Es war stockdunkel und ich hatte die Aufgabe, bei Feindberührung Leuchtraketen abzuschießen. … Plötzlich ging die Schießerei los. Durch meinen Abschuß einer Leuchtrakete war alles taghell. Wir sahen die Schnellboote, aber diese sahen auch uns. Es gab eine unheimliche Knallerei. Nach jedem Abschuß einer Leuchtrakete legte ich mich flach an Deck. Unser Boot wurde schwer beschossen und ich erhielt dabei Splitterverletzungen an Händen, Rücken und Beine…. Acht Tote und vier Verletzte hatten wir bei dem Gefecht zu beklagen. Ich kam für drei Wochen ins Lazarett und das Boot in die Werft.“

Der 88-jährige Gahlener Hans Heckermann hat seine Kriegserlebnisse schriftlich dokumentiert. Foto Scheffler
Der 88-jährige Gahlener Hans Heckermann hat seine Kriegserlebnisse schriftlich dokumentiert. Foto Scheffler

Im Sommer 1944 musste Hans Heckermann mit dem Schiff in die Biscaya „Wir hatten die Aufgabe, die Einfahrt zur Gironde zu verteidigen und zu kämpfen bis zur letzten Patrone.“

Ende August 1944 erlebte Heckermann einen Fliegerangriff mit. „Die Flugzeuge kamen aus der Sonne geflogen, so dass man sie sehr spät erkennen konnte. Wir erhielten einen Bombentreffer zwischen Vorderdeck und Kesselraum, dazu starken Fliegerbeschuß. Ich lag damals flach im Mannschaftsdeck. Von draußen stürmten Kollegen in den Raum und wollten sich vor dem Fliegerbeschuß schützen. Einer fiel auf mich. Er war schwer verwundet und blutete stark.

Das warme Blut lief mir über den ganzen Körper. Er starb noch während des Gefechtes. Ich selbst spürte im Moment keine Schmerzen, aber das Schiff legte sich verdächtig zur Seite. In meiner Verzweiflung bin ich über Bord gesprungen. Rund um mich färbte sich das Wasser rot vom Blut des Kameraden. Erst beim Schwimmen merkte ich, dass ich auch einen Bauchschuß und Rückenverletzungen hatte.

Zum Glück fand ich einen Rettungsring und konnte mich daran festhalten. Eine Hand hielt ich auf meine Verletzungen am Bauch und die andere am Ring. Wie lange ich so geschwommen bin, kann ich heute nicht mehr beurteilen. Aufgefangen und gerettet wurde ich von einem französischen Fischerboot und kam dann in ein kleines französisches Krankenhaus. Hier wurde ich auch gleich von einem Arzt operiert. Er holte mir einen Bombensplitter aus dem Bauch und nähte die beschädigten Därme wieder zusammen. Zurück blieb eine zirka 20 Zentimeter lange Narbe über dem Bauch.“

Mit 18 Jahren wurde Hans Heckermann Marinesoldat. Repro Scheffler
Mit 18 Jahren wurde Hans Heckermann Marinesoldat. Repro Scheffler

Im November 1944 wurde Hans Heckermann Infanterist in Husum. Anfang 1945 musste er an die Ostfront. Über einen der vielen russischen Angriffe berichtet Heckermann: „Plötzlich wieder Granatwerferbeschuß. Bevor ich mich verkriechen konnte, hatte es mich erwischt. Ein Granatsplitter bohrte sich ein Loch quer durch meinen linken Oberschenkel, ohne einen Knochen zu verletzen. Das Blut lief mir in die Stiefel und mit einem Notverband kam ich zum Hauptverbandsplatz.. Hier legte man mir einen Drainageschlauch durch die Wunde und schnell ging es weiter mit einem Lazarettzug bis Winterberg im Böhmerwald.“

Im Mai 1945 konnte Hans Heckermann wieder laufen. Da war der Krieg zu Ende. Heckermann wurde zunächst amerikanischer Kriegsgefangener und kurze Zeit später – bis zum 30. April 1948 – russischer Kriegsgefangener. H.Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.