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Wölfin „Gloria“: Gezerre um den Wolf

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Soll die Wölfin Gloria im Wolfsgebiet Schermbeck getötet werden? Vor allem Viehbesitzer drängen seit Monaten darauf. Während noch zahlreiche rechtliche Fragen offen sind, sammelt eine Petition tausende Unterschriften gegen den Abschuss.

Wird Gloria der erste Wolf seit fast 190 Jahren sein, der in Westfalen in freier Wildbahn erschossen wird? Diese Frage stellt sich spätestens, nachdem das Land NRW Mitte November angekündigt hat, den Abschuss zu prüfen. Allerdings ist der Fall rund um GW954f, wie die Wölfin behördlich genannt wird, mehr als kompliziert.

Für Weidetierhalter ist der Fall längst geklärt. Da die Wölfin in den vergangenen Jahren immer wieder mit Nutztierrissen in Verbindung gebracht werden konnte, fordern sie schon lange den Abschuss des Tieres. Allerdings sind Wölfe nach Paragraph 44 des Bundesnaturschutzgesetzes besonders geschützt. Wer einen Wolf tötet, muss daher mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen rechnen. Diese reichen von hohen Geldbußen bis hin zu Freiheitsstrafen. Ausnahmen von dieser Schutzregelung sind schwer zu erwirken. Schon 2021 scheiterte eine Klage des Kreises Wesel auf Abschuss Glorias vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht.

Land NRW prüft den Abschuss

Nun gibt es einen erneuten Anlauf. Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat in Berlin Vorschläge zur effizienteren Regulierung von Wolfsübergriffen auf Nutztiere präsentiert. Gemeinsam mit dem NRW-Umweltministerium prüft der Kreis Wesel daher derzeit die mögliche Rechtssicherheit einer Tötung Glorias. „Dies wird mit der gebotenen Gründlichkeit erfolgen, da der Kreis Wesel sich der Tragweite der Prüfung ebenso bewusst ist, wie der hohen Wahrscheinlichkeit, dass eine mögliche Entscheidung gerichtlich überprüft wird“, so Kreis-Sprecherin Anja Schulte. Sollte der Abschuss genehmigt werden, rechnet man mit Klagen von Naturschützern.

Umweltministerin Steffi Lemke
Umweltministerin Steffi Lemke (B90 / Die Grünen). Foto: Bundesregierung/Kugler

Verhärtete Fronten erschweren sachliche Betrachtung

Für Wildmeister Hermann Wolff ist es längst noch nicht entschieden, dass es zu einer Entnahme kommen wird. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Berufsjäger war selbst für die Überprüfung einiger Risse im Wolfsgebiet Schermbeck zuständig. „Leider ist die Diskussion inzwischen so emotional aufgeladen, dass eine sachliche Betrachtung sehr erschwert wird“, erklärt Wolff. Wolfsgegner und Wolfsschützer stünden sich unversöhnlich gegenüber. Dazu kämen rechtliche, aber auch ganz praktische Probleme.

Viele rechtliche Fragen sind unklar

Die juristische Betrachtung werde auch dadurch verkompliziert, dass der Fall in die Zuständigkeit von gleich zwei Ministerien (Landwirtschaft und Umwelt) hineinreiche. „Schon der rechtliche Status ist nicht geklärt“, sagt Wolff, „da der Wolf nicht unter das Jagdrecht fällt. Dadurch darf er nicht einfach für die Jagd freigegeben werden, sondern darf nur von autorisierten Personen entnommen werden“. Eine Abschussgenehmigung sei daher im derzeitigen Rahmen rechtlich sehr angreifbar. Hier müsse die Politik erst Rechtssicherheit schaffen, erklärte der Wildmeister.

Wildmeister Hermann Wolff, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Berufsjäger. Foto: Borgwardt

„Gloria hat keinen Schlitz im Ohr“

Selbst wenn es eine Abschussgenehmigung gäbe, müsse sich erst einmal eine qualifizierte Person für die Durchführung finden. „Viele Kollegen aus der Jagd wollen damit nichts zu tun haben“, betont Hermann Wolff. Oft fürchten die Jäger, selbst Ziel von öffentlicher Kritik über Hetze bis hin zu Übergriffen zu werden.

Eine gezielte Tötung sei zudem sehr schwierig, da die Wölfin optisch kaum von ihren Artgenossen zu unterscheiden sei. „Gloria hat jetzt keinen Schlitz im Ohr oder sonstige sichere Identifikationsmerkmale“, berichtet Wolff. „Die Wölfe sehen sich untereinander alle sehr ähnlich. So können wir erst dann sicher sein, den richtigen Wolf erwischt zu haben, wenn wir nach dem Abschuss eine Genprobe nehmen können.“ Er höre oft, dass Nutztierhalter dann einfach die Entnahme des ganzen Rudels fordern. „Das klingt einfach, aber dafür sind die rechtlichen Voraussetzungen in Deutschland derzeit nicht gegeben.“

Unklare Folgen nach einer Tötung Glorias

Selbst wenn die Tötung Glorias beim ersten Versuch gelänge, ist das Nutzvieh in seinem Revier noch nicht sicher. Mit dem Ausfall einer erfahrenen Versorgerin könnten sich die Jungwölfe erst recht auf die einfacher zu erbeutenden Weidetiere konzentrieren. Dieses Argument bringen oft Naturschützern an, die die Vermeidung von Rissen eher durch besseren Herdenschutz erzielen wollen. „Das ist tatsächlich eine mögliche Folge“, gibt auch Jagdexperte Wolff zu bedenken. In jedem Fall würde das Rudel dann schnell von einer Nachfolgerin übernommen.

Würde das Rudel ganz zerfallen, könnte bald eine andere Wolfsfamilie das Revier übernehmen. „Das kann dann gut oder schlecht sein“, erklärt Hermann Wolff. „In der Hohen Mark gibt es zum Beispiel ein Rudel, das bisher völlig unauffällig ist“, berichtet der Jäger. Der Wildbestand sei so dicht, dass sich die Beutegreifer problemlos von Rehen oder Wildschweinen ernähren könnten und die Nähe von Menschen meiden. „Probleme mit dem Wolf treten ja dann auf, sobald er merkt, dass Weidetiere einfacher zu erbeuten sind als die Rehe im Wald“, so Wolff. Das sei bei den Wölfen in der Hohen Mark offenbar noch nicht der Fall.

Betäuben ist schwierig

Und was ist mit Lösungsvorschlägen, die ohne Abschuss auskommen wollen? Ein Einfangen oder Besendern des Tieres sei sehr schwierig, erklärt Hermann Wolff. „Für einen sicheren Betäubungsschuss mit einem Narkosegewehr müssten Sie bis auf 15 Meter herankommen“, erklärt er. Dazu sei der Wolf aber zu schlau. „So nah lässt ein gesunder Wolf keinen Menschen an sich heran“, erklärt der Berufsjäger. Lediglich ein Fang mit speziellen Trittfallen wäre möglich, aber sehr aufwändig.

Klare Aufgaben für die Politik

So gibt es also noch viele Hürden, die einem möglichen Abschuss von Gloria entgegenstehen. Hermann Wolff sieht dabei klare Aufgaben für die Politik. Diese müsse sich entscheiden, wie sie mit dem Wolf umgehen will. „Es müssen klare rechtliche Grundlagen geschaffen werden“, fordert der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Berufsjäger. Sonst gebe es keine Rechtssicherheit.

Naturschützer starten Petition für Gloria

Dass eine rechtlich angreifbare Entscheidung vor Gericht massiv unter Beschuss geraten könnte, ist angesichts der Empörung vieler Naturschützer über eine mögliche Tötung von Gloria absehbar. Schon jetzt hat eine Petition, die den Abschuss verhindern will, rund 35.000 Unterstützer.

Die zahlreichen Schwierigkeiten zeigen: Während sich Wolfsgegner und Wolfsschützer zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen, scheint das tatsächliche Ende Glorias noch in weiter Ferne zu sein.

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