In Schermbeck und Umgebung entfachte ein Video hitzige Diskussionen. Es zeigt einen Wolf, der auf dem Horstkamp’s Hof einen 1,45 Meter hohen Zaun überspringt. Zunächst wurde die Echtheit der Aufnahmen von einigen in Frage gestellt und als potenzieller Fake bezeichnet.
Doch mittlerweile wurde das Video offiziell als echt bestätigt, was die Debatte über die Wirksamkeit bestehender Herdenschutzmaßnahmen weiter angeheizt. (Wir berichteten.)
In einer kleinen Anfrage an das Umweltministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW (LANUV) greift der SPD-Abgeordneten René Schneider die Thematik auf und hinterfragt die Wirksamkeit der empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen. Umweltminister Oliver Krischer hat hierzu Stellung genommen. Die Antworten der Landesregierung werfen ein Schlaglicht auf die Problematik.

Echtheit des Videos bestätigt
Frage 1: Wie schätzt die Landesregierung die Echtheit des Videos ein, das zeigen soll, wie ein Wolf einen 1,45 Meter hohen Zaun in Schermbeck überspringt?
Antwort: Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) überprüfte das Video und konnte den Aufnahmestandort in der Förderkulisse Westmünsterland bestätigen. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) bestätigte außerdem, dass es sich bei dem Tier im Video um einen Wolf handelt. Belastbare Aussagen zu Alter, Geschlecht oder zum konkreten Individuum des Wolfes konnten sind nicht möglich.
Fälle von Zaunüberwindungen durch den Wolf bekannt
Frage 2: Welche Fälle sind der Landesregierung bekannt, in denen ein Wolf einen Zaun, der höher als 1,20 Meter ist, überwunden hat?
Antwort: Seit 2018 sind dem LANUV insgesamt 16 Fälle in NRW bekannt und dokumentiert, in denen Nutztiere hinter Zäunen mit einer Höhe von mehr als 120 cm gerissen wurden. Ob der Wolf in den einzelnen Fällen die Zäune übersprangen, untergraben, bestehende Wildwechsel, fehlerhafte Stellen und/oder Ein-/Aussprunghilfen ausgenutzt oder den Zaun beispielsweise mangels Elektrifizierung durch Klettern oder letztendlich durch Überspringen überwunden hat, ist dabei nicht bekannt.
Begründung der Mindesthöhe von 1,20 Metern
Frage 3: Warum empfiehlt die Landesregierung bei Schafen und Ziegen eine Zaunhöhe von mindestens 1,20 Metern, wenn diese Mindestanforderung für den Wolf offenkundig zu überwinden ist?
Antwort: Für den wolfabweisenden Herdenschutz orientieren sich die Bundesländer an den „Empfehlungen zum Schutz von Weidetieren und Gehegewild vor dem Wolf – Konkrete Anforderungen an die empfohlenen Präventionsmaßnahmen“, die durch die DBBW gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz erstellt wurden. Grundsätzlich können sorgfältig und korrekt angewandte Maßnahmen des Mindestschutzes einen Beitrag zur Verhinderung von Übergriffen auf Nutztiere leisten.
In Gebieten, in denen Herdenschutzmaßnahmen des Mindeststandards („Grundschutz“) durch Wölfe überwunden wurden, sollte zur Sicherung der Weidetierbestände der „empfohlene Herdenschutz“ (z.B. elektrische Zäune mit mindestens 120 cm Höhe) Anwendung finden.
Die empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen zeigen nach derzeitigen Erkenntnissen die höchste Schutzwirkung vor Wolfsübergriffen.

Keine Anpassung der Standards geplant
Frage 4: Inwieweit sieht die Landesregierung vor, die empfohlenen Standards bei förderfähigen Zaunhöhen anzupassen?
Antwort: Die Landesregierung sieht keinen Anlass, von den aktuellen bundesweiten Empfehlungen abzuweichen.
Fördermöglichkeiten für Zaunoptimierungen
Frage 5: Welche Fördermöglichkeiten bestehen für Weidetierhalter, deren Zäune die vorgeschriebenen Mindestanforderungen erfüllen, die nun aber den Schutz weiter aufrüsten wollen?
Antworten: Für die Weidetierhaltungen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Optimierungsmaßnahmen im Sinne der Förderrichtlinie zu beantragen und auch bei bisher stromlosen Zäunen elektrifizierte Litzen nachzurüsten.
Eine Erhöhung des Zaunes ohne entsprechende Elektrifizierung auch im unteren Bereich ist fachlich nicht sinnvoll. Die kostenlose Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen berät hier bei Bedarf in jedem konkreten Einzelfall umfänglich.
Fazit: Debatte um Sicherheit und Standards
Das Video hat die Debatte um die Wirksamkeit der Herdenschutzmaßnahmen erneut entfacht. Während die Landesregierung an den bestehenden Standards festhält, zeigt die Zahl der dokumentierten Nutztierrisse, dass die Schutzmaßnahmen nicht immer ausreichen. Eine bessere Beratung und zusätzliche Fördermöglichkeiten könnten Haltern helfen, ihre Zäune effektiver zu gestalten. Die Frage, ob ein 1,20 Meter hoher Zaun ausreicht, bleibt jedoch offen.