Am 5. September 2023 prallten im Rathaus von Schermbeck Emotionen, Argumente und Hoffnungen aufeinander, als ein bis dato beispielloser Ansturm auf eine Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Mobilitätsausschuss die Grenzen des Fassungsvermögens des Saals testete.
Es gibt wohl nur wenige Beispiele in er Chronik der Gemeinde, bei denen die Bestuhlung im Besucherbereich nicht ausreichte, um allen Platz zu bieten. Das brennende Thema: Der Verkehrsversuch 2b zur Beruhigung der Mittelstraße.
Konkrete Zahlen
Was die direkten Anwohner in den zurückliegenden Wochen bereits aus eigener Anschauung zu berichten hatten, konnte schon bei einer Sondersitzung des Rates am 29. August in konkrete Zahlen umgemünzt werden. Die Initiative, die Mittelstraße verkehrsberuhigter zu gestalten, führte dazu, dass angrenzende Umgehungsstraßen wie die Marellenkämpe und die Kastanienstraße über eine erhebliche Zunahme des Verkehrs zu klagen hatten. Gleichzeitig wurde es im Ortskern nicht nur wie erhofft ruhiger, sondern so ruhig, dass besorgte Bürger und Kaufleute gar vom „Tod der Mittelstraße“ sprechen.
Gemeinsamer Antrag von Die FRAKTION, CDU und SPD
Auch wenn der aktuelle Versuch auf wenig Gegenliebe stößt, deuten erste Umfragen zumindest darauf hin, dass etwa ein Drittel der Befragten nicht zur Ausgangssituation zurückkehren möchte. Darauf wies Hubert Große-Ruiken gleich zu Beginn der Veranstaltung hin. Zugleich präsentierte er einen Antrag, den die Fraktionen von Die FRAKTION, der CDU und der SPD zum Tagesordnungspunkt 7 formuliert hatten und zur Abstimmung stellten.
Da der einzelne Bürger in diesem Antrag eine entscheidende Rolle spielt, hoffte er gleichzeitig: „Wir erwarten, dass das Votum der Mehrheit von allen akzeptiert wird.“ Doch bis dahin scheint es noch ein weiter Weg zu sein, wie sich nur wenig später zeigte.
Aufgeheizte Stimmung
Wie aufgeheizt die Stimmung mittlerweile im Ort ist, wurde bereits vor Beginn der Sitzung deutlich, als bei einer Demonstration vor dem Rathaus auf das Ausmaß der Beunruhigung in der Bevölkerung lautstark aufmerksam gemacht wurde.
Rund 150 Demonstranten, darunter viele Eltern, machten ihrer Sorge und bisweilen auch unverkennbaren Wut Luft. Ein zentraler Kritikpunkt war die Sicherheit der Kinder und die zahlreichen Verkehrsverstöße, die an den Brennpunkten immer wieder beobachtet werden konnten. Auch an der Mittelstraße hatte es Probleme mit einem Löschzug und einem Krankenwagen gegeben, die mangels eines entsprechenden Chips an der Schranke wieder drehen mussten.
Öffentliche Fragestunde
Zudem wurden in der öffentlichen Fragestunde zu Beginn der Sitzung, die Sorgen aus der Kaufmannschaft rund um die Mittelstraße deutlich. Die Mitarbeiterin einer Arztpraxis wies auf die Umwege hin, die jetzt sowohl von älteren Menschen in Kauf genommen werden müssten als auch von jüngeren Verwandten, die ihre dort lebenden Eltern besuchen oder zu einer medizinischen Versorgung begleiten wollten.
Große Mehrheit für Antrag
Auf die Frage, warum der Versuch trotz aller negativen Erfahrungen nicht abgebrochen worden sei, entgegnete Bürgermeister Mike Rexforth, dass man einen politischen Beschluss nicht einfach abbrechen könne. Die bereits in der Sondersitzung vorgebrachten riskanten und z. T. auch verkehrswidrigen Beobachtungen an der Marellenkämpe und der Kastanienstraße hatte er zudem zum Anlass genommen, beim Leiter der Polizeikreisbehörde Wesel um mehr Präsenz der Polizei vor Ort zu bitten.
Ob die erhitzten Gemüter sich durch den jetzt eingebrachten Antrag beruhigen werden, bleibt abzuwarten. Stephan Steinkühler von den Grünen, warf den Parteien hinter dem Antrag vor, erneut einen völlig unnötigen Zeitdruck aufzubauen. Daraufhin wurde ihm postwendend Wahlkampfrhetorik vorgeworfen, da auch die Grünen dem Projekt anfangs zugestimmt hätten. Dennoch geht es jetzt erst einmal in die nächste Runde.
Antrag sieht zum Abschluss Bürgerentscheid vor
Nach dem Ende des aktuellen Verkehrsversuchs wird es eine zweimonatige Fortsetzung mit dem Szenario 1 geben, bei dem die Mittelstraße zur Einbahnstraße wird. Die Abstimmung ergab bei zwei Gegenstimmen von den Grünen ein deutliches Votum für den neuen Testlauf, der allerdings noch von der Verkehrsbehörde genehmigt werden muss.
Doch damit nicht genug. Der gemeinsame Antrag sieht zum Abschluss einen Bürgerentscheid vor, an dessen Ergebnis auch der Rat gebunden ist. Was nichts anderes bedeutet als: „Jeder hat eine Stimme!“
Wir erwarten, dass das Votum der Mehrheit von allen akzeptiert wird. Jeder hat eine Stimme!
Hubert Große-Ruiken (CDU)