Per GPS zu den Spuren des jüdischen Lebens

Schermbecker Gesamtschüler bereichern die Plattform www.geocaching.com

Wer sich bislang über die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Schermbeck informieren wollte, der war auf gedruckte Literatur angewiesen oder konnte sich online auf der Seite www.kuladig.de des Landschaftsverbandes informieren.

Jetzt besteht die Möglichkeit, in etwas spielerischer Form per Geocaching auf die Suche nach den Zeugnissen jüdischen Lebens in Schermbeck zu gehen.

Vom Cache an der Georgskirche führt ein Auftrag die Cacher auch zu den abgebildeten Stolpersteinen in der Georgstraße, die an deportierte jüdische Familien erinnern. Das Foto zeigt die Schüler der Gesamtschule mit ihren Lehrern und Mitarbeitern des Jüdischen Museums Dorsten, die gemeinsam den Cache GC81FCD gestaltet haben. Foto: Helmut Scheffler

In Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Dorsten haben Schüler der Jahrgangsstufen EF und Q2 der Gesamtschule Schermbeck sich fürs Geocaching entschieden. Mit Unterstützung des Erdkunde- und Geschichtslehrers Kai Heister, des Lehrers Peter Grotendorst und des Schulleiters Norbert Hohmann machten sich die EF-Schüler Greta Belger, Neele Biallas, Leon Hellerberg, Robine Kock, Lars Klingner, Maurice Steinrötter, Amelie May zusammen mit den Q2-Schülern Dommenik Giel, Nils-Niklas Fink, Celine Molenaar, Anna Gajewski und Charlotte Stamm an die Arbeit.

Unterstützt wurden sie von Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, einem Vorstandsmitglied des Jüdischen Museum Dorsten, und von der Museumspädagogin Antje Thul.

Hinter dem durchgeführten Geocaching verbirgt sich eine moderne Form einer Schatzsuche oder einer Schnitzeljagd, an der sich inzwischen weltweit eine große Geoching-Gemeinde beteiligt. Man benötigt dazu entweder einen Global Positioning System (GPS) – Empfänger oder ein Handy, das GPS-Daten empfangen kann. Sechs GPS-Geräte liegen in der Dorstener Stadtinformation zum Ausleihen bereit, sechs weitere im Jüdischen Museum Dorsten. „Sie dürfen auch von Schermbeckern benutzt werden“, ermuntert Cosanne-Schulte-Huxel zum Abholen eines Gerätes.

Gibt man nun in die geeigneten Geräte die Koordinaten für die Längen- und Breitengarde eines Punktes in der Landschaft ein, dann wird auf dem Display an der Stelle des Schnittpunktes der eingegebenen Koordinaten eine Markierung angezeigt. Dort findet man den verborgenen „Schatz“ mit weiteren Anweisungen oder Informationen. In dieser Weise kann man eine vorgegebene Punktekette nach und nach abarbeiten.

Für ihre Punktekette hatten sich die Gesamtschüler den Cache „Die jüdische Geschichte Schermbecks“ ausgesucht, der unter der Bezeichnung GC81FCD auf der Plattform www.geocaching.com abrufbar ist. Bei der Suche nach geeigneten Punkten zur Geschichte des jüdischen Lebens griffen die Schüler auf das Buch „Der Jüdische Friedhof in Schermbeck. Ein kleiner Leitfaden“ zurück, das im Jahre 2017 vom Jüdischen Museum Dorsten herausgegeben wurde.

Beim Studium der jüdischen Geschichte Schermbecks erfuhren die Schüler, dass die jüdische Gemeinde und ihr Friedhof erst ab dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts fassbar werden, also zu einer Zeit, als das Herzogtum Kleve Teil Brandenburg-Preußens wurde. 1678 wurde im Kirchenbuch der lutherischen Kirchengemeinde ein jüdisches Kind vermerkt, das beerdigt wurde.

Bis 1739 verzeichnet die lutherische Gemeinde 26 jüdische Bestattungen auf dem Bösenberg. 1693 wohnten drei und 1717 vier jüdische Familien am Ort. Im 18. Jahrhundert hatten beständig vier jüdische Familien in Schermbeck das Wohnrecht. Nach der Aufhebung der Wohnrechtsbeschränkungen für jüdische Familien vervierfachte sich die Zahl der Haushalte bis Mitte des 19. Jahrhunderts, um sich dann wieder auf acht Haushalte Anfang des 20. Jahrhunderts zu verkleinern. Im Dezember 1941 und im Juli 1942 wurden alle jüdischen Bewohner Schermbecks deportiert. Die zweihundertjährige jüdische Gemeinde fand ihr gewaltsames Ende. Ihre Synagoge an der heutigen Georgstraße lag 1945 in Trümmern, ihr Friedhof verwaiste.

Neben der Geschichte der jüdischen Gemeinde befassten sich die Schüler auch mit den Familien, an die noch heute die Namen auf den Grabsteinen des jüdischen Friedhofes verweisen.

Der erste Cache führt die Besucher in die Nähe der Georgskirche. Im nahen Umfeld sollen sie Geocacher nach Hinweisen auf frühere Bewohner suchen. Wer die Geburtsdaten von Else Schönbach findet, erfährt auch Zahlen, die die Koordinaten des nächsten Cache ergeben und zum jüdischen Friedhof am Bösenberg führen. Über das benutzte Gerät zum Caching kann man jede Menge Informationen über das Brauchtum bei jüdischen Beerdigungen erfahren.

Wenn die Cacher den verwitterten Stein entdeckt haben, auf dem eine bestimmte Person gesucht werden muss, erhalten sie die restlichen Ziffern des dritten und letzten Cache. Dort findet man auch den oben erwähnten 90-seitigen Leitfaden zum jüdischen Friedhof, um sein unterwegs erworbenes Wissen zu erweitern.

Das Projekt Geocaching ist an der Gesamtschule nur eine Form der Beschäftigung mit dem jüdischen Leben. „Das Thema spielt an unsrer Schule eine große Rolle“, berichtete gestern Schulleiter Norbert Hohmann von dem „Gedenktag zur Pogromnacht“, den die Gesamtschule seit 2013 jährlich veranstaltet, der meist mit einem Vortrag verbunden wird, bevor man gemeinsam zum jüdischen Friedhof geht. Seit 2013 besteht auch ein guter Kontakt zur jüdischen Schule in Budapest. Wenn die Schüler der Partnerschule im polnischen Lublin Schermbeck besuchen, dann führt ein traditioneller Termin des Veranstaltungsprogramms die Gäste zum jüdischen Museum Dorsten. Helmut Scheffler

Das im Text zitierte Buch zum jüdischen Friedhof, das beim dritten Cache vorgefunden wird, stellt auch ausführlich die jüdischen Familien vor. Das Buch beinhaltet zahlreiche Fotos jüdischer Familien und listet auf vier Seiten Quellen und Literatur auf zum Leben jüdischer Menschen im Allgemeinen und im Besonderen in Schermbeck. Es kann zum Preis von fünf Euro im Jüdischen Museum Dorsten erworben werden.


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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.