Negativzinsen rücken langsam näher

Volksbank Schermbeck blickte gestern zurück und in die Zukunft

„Trotz der Großwetterlage von Niedrigzins, Regulatorik, Digitalisierung, Fachkräftemangel und Alterung der Gesellschaft hat unsere Volksbank im Jahr 2019 eines der besten Ergebnisse überhaupt eingefahren“, fasste Norbert Scholtholt als Vorstandsmitglied gestern die Entwicklung der Volksbank Schermbeck im vergangenen Geschäftsjahr zusammen. Mit seinem Vorstandskollegen Rainer Schwarz hielt er Rückschau auf „eines der besten Geschäftsjahre“, bevor im zweiten Teil beim Blick auf die Planzahlen der nächsten Jahre beide „schon nachdenklich“ wurden.

Die Vorstandsmitglieder Rainer Schwarz (l.) und Norbert Scholtholt (r.) stellten gestern die Entwicklung der Volksbank Schermbeck vor. Die Flipchart im Hintergrund zeigt die Entwicklung der Marge zwischen Kreditzinsen und Kapitalzinsen. Foto: Helmut Scheffler

Die Entwicklung der Kreditgenossenschaft aus betriebswirtschaftlicher Sicht schilderte Norbert Scholtholt. Es sei ein „hervorragendes Jahr“ gewesen, „für das wir bestimmt sechs Prozent Dividende in unserer Vertreterversammlung vorschlagen werden.“ Von den etwa 18000 Kunden sind 11200 Mitglieder der Genossenschaft; sie bestimmen in der Vertreterversammlung direkt mit. Nach 29 Jahren sei Friedrich-Wilhelm Raiffeisens genossenschaftliche Idee aktueller als je zuvor.

Die Bilanzsumme ist um sechs Prozent gewachsen. Mit 535 Mio. Euro Bilanzsumme bewegt sich die Volksbank im Mittelfeld der rund 900 selbstständigen Volksbanken in Deutschland. Das betreute Gesamtvolumen, also die Summe aller Einlagen und Kredite, lag mit 1,081 Mrd. Euro erstmals über der Milliardengrenze.

Im Kreditgeschäft hat die Volksbank ein Rekordjahr erlebt. Mehr als 100 Mio. Euro wurden als langfristige Kredite vergeben. Abzüglich von rund 58 Mio. Euro Tilgungen ergibt sich eine Netto-Steigerung von rund 42,3 Mio. Euro. Dahinter stecken Investitionen in Maschinen, Infrastruktur der Unternehmen und 112 Familien, die ihren Traum vom eigenen Haus verwirklichen konnten.

Die Kundeneinlagen sind um 8,2 Prozent auf 323,5 Mio. Euro gestiegen. Das Geschäft mit Wertpapieren, Aktien und Einlagen ist gleich um 28 Prozent gewachsen. Dazu trug der Anstieg des DAX ebenso bei wie das intensive Neugeschäft mit Wertpapieren. Das bilanzierte Eigenkapital stieg auch im letzten Jahr an. Dieses „Sparschwein“, das der Stabilität, der Sicherheit und der Widerstandskraft der Bank dient, erhielt einen achtprozentigen Zuschlag und umfasst jetzt 46 Mio. Euro.

Der „entspannten Rückschau“ Norbert Scholtholts fügte Rainer Schwarz „einen Blick mit gemischten Gefühlen in die Zukunft“ hinzu. Die gute Konjunktur schwäche sich zwar leicht ab, aber das Wachstum gehe weiter, die Auftragsbücher der Firmen seien gut. Die Volksbank Schermbeck ergänze diese positiven Rahmenbedingungen durch betriebsinterne kundenfreundliche Arbeitsweisen. „Die Kunden schätzen uns als verlässlichen Partner“, stellte Schwarz fest und fügte hinzu, „bei uns kriegt man klare Antworten. Ein beratungsintensives Kreditgeschäft kann halt nicht jeder.“

„Andererseits blicken wir mit Sorge auf die Zinsentwicklung der letzten Jahre und die Auswirkungen auf die Zukunft“, kritisierte Schwarz die Zinspolitik des lockeren Geldes der Europäischen Zentralbank, die das Geschäftsmodell aller Volks- und Raiffeisenbanken bedrohe. Kombiniert mit immer höheren Anforderungen der Bankenaufsicht an das Eigenkapital, setze dies die Banken immer weiter unter Druck. „Alle Banken haben zwar ein Modell in der Schublade liegen, aber keiner will der erste sein bei der Einführung von Negativzinsen“, deutete Schwarz auch Überlegungen im eigenen Hause an. „Wir werden nicht die ersten sein, aber bestimmt auch nicht die Letzten“, antwortete Schwarz auf entsprechende Fragen. Ausführlich erläuterte er die schwindende Marge zwischen Kreditzinsen und Kapitalzinsen, zwischen denen in früheren Jahrzehnten immer etwa drei Prozent lagen. Da bislang keine Negativzinsen erhoben werden, ist die Marge auf etwa ein Prozent geschrumpft. Sollte die Bank irgendwann Negativzinsen erheben, sollen Privatkunden mit kleineren Einlagen geschont werden, wobei Schwarz offen ließ, was man seitens der Bank unter „kleinen Einlagen“ versteht. Langjährige Kunden sollen weniger von Negativzinsen betroffen werden als neue Kunden.

Einsparungen wird es nicht durch Betriebsschließungen geben. Die Hauptstelle bleibt ebenso bestehen wie die Zweigstelle in Gahlen und die Volksbank-Direkt gegenüber dem Rathaus. Die Mitarbeiter der Volksbank-Direkt werden aber umziehen, sobald die Volksbank ihren Erweiterungsbau an der Hauptstelle fertiggestellt hat. Im Bereich der Sach- und Personalkosten schloss Schwarz „unpopuläre Entscheidungen“ nicht aus. Derzeit bietet die Volksbank Schermbeck 75 Arbeits- und Ausbildungsplätze. Bei der künftigen Entwicklung setzt die Bank stark auf ihre Mitarbeiter und Kunden. „Unser wesentlicher Schlüssel: starke Mitglieder, Top-Mitarbeiter, dann schaffen wir das“, ist Schwarz überzeugt. Er verwies auf die im „Focus“ veröffentlichte Suche nach den „Top-Arbeitgebern des Mittelstands 2020“. Zu den beiden Banken gleicher Größenordnung in NRW gehörte die Schermbecker Volksbank.

Den Oberstufenschülern empfahl Schwarz, eine Ausbildung zum Banker in Betracht zu ziehen. Auch Schulabgänger nach der Klasse 12 hätten alle Chancen, nach ihrer Ausbildung sogar zu studieren. H. Scheffler

Info:

„Wir bedauern das“, bewertete das Vorstandsmitglied Rainer Schwarz den fehlenden Einbezug in die bauliche Entwicklung innerhalb der Gemeinde Schermbeck. Seit dem Jahre 2005 hatte die Volksbank – gemeinsam mit der Verbands-Sparkasse (heute Nispa) – mehrere Baugebiete erschlossen und vermarktet. Schwarz verwies auf die Baugebiete am Heggenkamp und am Mühlenbach. „Wir haben es geschafft“, so Schwarz, „die Grundstückspreise auf einem relativ festen Niveau zu halten.“ Inzwischen setzt die Gemeinde auf eine Eigenvermarktung neuer Baugebiete.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.