Erler Molkerei wurde 1973 geschlossen

Erler Heimatverein erinnert mit der 14. Geschichtstafel an die ehemalige Molkerei

Erle Die Wahrscheinlichkeit für einen Erler, auf einer der Geschichtstafeln des Heimatvereins abgebildet zu werden, ist relativ gering. Gerd Nagel hat`s geschafft. Auf der 14. Tafel, die am 15. Oktober an der Marienthaler Straße gegenüber der ehemaligen Erler Molkerei vom HV-Vorstandsmitglied Hannes Kempken enthüllt wurde, ist Gerd Nagel gleich zweimal als Mitarbeiter der ehemaligen „Molkerei-Genossenschaft Erle, Uefte, Overbeck und Umgegend e.G.m.b.H.“ zu sehen.

Außer dem ehemaligen Buttermeier Gerd Nagel applaudierten weitere Mitarbeiter der Molkerei, einige Milchfuhrleute, Nachbarn und Landwirte, als die von Hannes Kempken und Carlo Behler entworfene Eichentafel enthüllt wurde. Beide hatten bereits vor über einem Jahrzehnt die Milchwirtschaft in Erle erforscht und in einem siebenseitigen Aufsatz im Jahre 2007 in dem Buch „Querbeet“ dokumentiert.

Eine Kurzfassung dieser Forschungen können die Radler und Wanderer nun auf der Eichen-Tafel nachlesen, die so auf dem Grünstreifen zwischen Marienthaler Straße und dem Fahrradweg postiert wurde, dass der Leser im Hintergrund die im Jahre 1927 erbaute Molkerei erkennen kann. Auf fünf Fotos wird ein etwa 60 Jahre altes Bild des Gebäudes ebenso gezeigt wie die Anlieferung der Milch durch Heinrich Jacobs per Pferdefuhrwerk, die Verarbeitung im Betrieb und die letzte Milchanlieferung am 2. März 1973.

Zur Enthüllung der Tafel, die an die ehemalige Erler Molkerei (im Hintergrund) erinnert, kamen am 15. Oktober zahlreiche Landwirte, Milchfuhrleute und Mitarbeiter der Molkerei zur Marienthaler Straße. Vorne sitzend: Richard Meyerratken, langjähriger Mitarbeiter der Molkerei. Foto: Helmut Scheffler
Zur Enthüllung der Tafel, die an die ehemalige Erler Molkerei (im Hintergrund) erinnert, kamen am 15. Oktober zahlreiche Landwirte, Milchfuhrleute und Mitarbeiter der Molkerei zur Marienthaler Straße. Vorne sitzend: Richard Meyerratken, langjähriger Mitarbeiter der Molkerei. Foto: Helmut Scheffler

In seinem Vortrag erinnerte Hannes Kempken an eine unveröffentlichte Arbeit Dr. Josef Böckenhoff-Grewings über die Landwirtschaft in Erle. Danach gab es im Jahre 1907 in Erle nur einen Betrieb mit mehr als 25 Kühen. 57 Betriebe hatten höchstens drei Kühe. Die rasant wachsenden Städte des Ruhrgebietes boten ein potenzielles Absatzgebiet für Trinkmilch. Einige Bauern fuhren ihre Milch zum Rhader Bahnhof, von wo aus sie ins Ruhrgebiet transportiert wurde. Die Verarbeitung der Milch zu Butter versprach einen größeren und zugleich lohnenderen Absatz der Milch. So wurde 1927 die Molkereigenossenschaft gegründet und die Erler Molkerei gebaut.

Etwa zehn Milchfuhrleute aus den einzelnen Bauerschaften Erle, Overbeck und Uefte fuhren täglich zur Molkerei. In der Anfangszeit wurde die Milch in 20-Liter-Kannen auf pferdegezogenen Wagen transportiert. In den 1950er-Jahren erfolgte die Umstellung auf Schlepperfuhrwerke. Der 80-jährige Lembecker Ludwig Schwering erzählte am Samstag, dass er als Schüler seinen Vater Hermann Schwering in den Ferien beim Einsammeln der Milchkannen auf den Bauernhöfen begleitete. „Auf dem Rückweg haben wir in den nummerierten Kannen Magermilch, Buttermilch und Butter zu den Bauern gebracht“, erinnerte sich Ludwig Schwering. Ernst Elvermann berichtete von seinen Fahrten zur Molkerei, die er in den 1960er-Jahren für seinen Nachbarn Bernhard Elvermann übernahm.

Als Vorstandsmitglied des Heimatvereins enthüllte Hannes Kempken am Samstag die 14. Erler Geschichtstafel. Foto: Helmut Scheffler
Als Vorstandsmitglied des Heimatvereins enthüllte Hannes Kempken am Samstag die 14. Erler Geschichtstafel. Foto: Helmut Scheffler

In guter Erinnerung war der Besuch der meisten Fuhrleute bei Gastwirtin Henni Wilms in der Nähe der Molkerei. Dann bot sich für die Zeitungsbotin Mathilde Gerdes die Möglichkeit, einen Teil der Zeitungen den Fuhrleuten mit auf den Weg zu entfernt gelegenen Bauernhöfen zu geben.

Von der Arbeit in der Molkerei wussten Johannes Ossing und der 92-jährige Richard Meyerratken zu berichten. Ossing nahm von 1964 bis 1970 an der Waage die Milch entgegen und half anschließend bei der Verarbeitung. Meyerratken war von 1954 bis 1998 mit der Erler Milchwirtschaft verbunden. Von 1954 bis 1963 war er technischer Leiter der Molkerei. 1963 wurde er Geschäftsführer und blieb in dieser Funktion auch tätig, als die Molkerei im Jahre 1973 geschlossen wurde und die Erler Bauern sich zu einer Milchliefergenossenschaft zusammenschlossen. Die Milch wurde mit einem genossenschaftseigenen Tankwagen von Hubert Jacobs und Johannes Schwering erst zur Privatmolkerei Onken nach Mülheim gebracht, später nach Moers. Als im Jahre 1991 der Tankwagen der Liefergenossenschaft verkauft wurde, übernahm eine Spedition den Milchtransport. 1997 wurde aus Kostengründen die Liefergenossenschaft in eine Milchliefergemeinschaft umgewandelt.

Durch mutige Investitionen gelang es der Molkereigenossenschaft, die Zeit des massenhaften Sterbens kleiner Molkereien in den 1960er-Jahren noch ein Jahrzehnt länger zu überdauern. Nach der Schließung der Molkerei im Jahre 1973 wurde das Gebäude von einem Fleischgroßhändler erworben. Nach mehrmaligem Umbau wird das Gebäude an der Marienthaler Straße 61 mittlerweile ausschließlich als Wohnhaus genutzt. H. Scheffler

Über die Geschichte der Molkerei hinaus bietet die neue Tafel auch einen Überblick über den Wandel der Landwirtschaft in Erle in den letzten 60 Jahren. Im Abschnitt „Milchbauern und Milchleistungen der Kühe“ heißt es: „Gab es 1955 noch 185 Milchlieferanten, so fiel deren Zahl bis 1993 auf 46. Im Jahre 2016 beträgt die Zahl der Milchbauern nur noch 22. Während die Bauern nach dem Krieg zumeist ca. 1 bis 20 Kühe hatten, haben sie heute ca. 20 bis 170 Kühe.

Die Milchleistung der Kühe hat sich in den vergangenen 60 Jahren mehr als verdoppelt, von etwa 4000 auf 8000 bis 10000 kg je Kuh und Jahr. Auch der Fettgehalt der Milch stieg von 3,0 % auf 4,2 %. Diese Tendenz, d.h. ständiger Rückgang der Zahl der Milchbauern bei gleichzeitiger Steigerung der Milchproduktion pro Erzeuger und Kuh, hält bis heute an.“

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.