Staatsanwalt lehnt ein Prozessende kategorisch ab

30. Prozesstag im Ölpelletskandal zeigt erneut die oberflächliche Arbeit der Behörden

Im Rahmen des 30. Verhandlungstages im Prozess gegen den Gahlener Abfallmakler H. wurden am Mittwoch drei Zeugen der Bezirksregierung Düsseldorf von der II. Strafkammer des Landgerichts in Bochum vernommen.

Alle drei Zeugen wurden nacheinander zu einer Besprechung befragt, die am 13. November 2013 stattfand und an der sich die Bezirksregierung, die Staatsanwaltschaft und Mitarbeiter des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) beteiligten, um über die Ölpellets zu sprechen.

Die Zeugen von der Bezirksregierung waren geladen worden, nachdem an den bisherigen Verhandlungstagen immer deutlicher geworden war, dass – zumindest aus heutiger Sicht – die Kontrollen seitens der Bezirksregierung nicht optimal verliefen. An diesem Eindruck änderte sich auch nichts während der Zeugenvernehmung am Mittwoch.

30. Prozesstag im Ölpelletsskandal Staatsanwalt lehnt ab
Immer deutlicher wird beim Bochumer Prozess gegen den Gahlener Abfallmakler H., dass auch die Bezirksregierungen in Münster und Düsseldorf und die Bochumer Staatsanwaltschaft es nicht verhindern konnten, dass Ölpellets als gefährlicher Abfall auf der Abgrabung Nottenkämper im Gahlener Heisterkamp landen konnten. Auch der vierte im Verfahren tätige Staatsanwalt sieht die Schuld bislang ausschließlich beim Abfallmakler in der Lieferkette. Gegen ihn und seine drei Amtskollegen haben die Schermbecker Grünen inzwischen Strafanzeige gestellt. Foto: Helmut Scheffler
Nur Türöffner

Am allerwenigsten konnte der Regierungsdirektor Dr. Knut B. zu der Dienstbesprechung am 13. November 2013 etwas sagen. „Ich war nur der Türöffner“, stellte er in der Rückschau fest. Er habe die Besucher lediglich begrüßt. So sei es auch zu erklären, dass er kein Besprechungsprotokoll besitze. Er habe auch nirgendwo eine Notiz zur Besprechung gefunden.

Richter Dr. Markus van den Hövel und die Verteidiger konzentrierten sich in ihren Fragen auf die Art und Weise, wie Kontrollen von Abfalllieferanten erfolgen.

Die BP als Erzeuger hatte die Ölpellets mit einem Abfallschlüssel versehen lassen, der bei einem „harmlosen Abfall“ verwendet wird. Der LANUV-Mitarbeiter Dr. Malorny hatte aber in der Besprechung nachgewiesen, dass es sich um einen gefährlichen Abfall handelte. Die Bezirksregierung Düsseldorf nahm diese unterschiedliche Bewertung nicht zum Anlass, die falsche Deklarierung des Abfalls durch eigene Analysen zu überprüfen.

Die Düsseldorfer Bezirksregierung vertraute einer Entscheidung der Bezirksregierung in Münster. „Wenn von einer Behörde der abgesegnete Beschluss kommt, dann wird das nicht hinterfragt“, teilte Dr. Knut B. mit.

Außerdem seien Kontrollen bis 2013 seitens der Bezirksregierung in Düsseldorf nur vorgenommen worden, wenn große Besonderheiten festgestellt wurden. Auch die Staatsanwaltschaft nahm die unterschiedliche Bewertung nicht zum Anlass, den Widerspruch in der Bewertung des Abfalls durch eigene Überprüfungen zu beseitigen.

Die Zeugin Bärbel Bi., die für die Überprüfung der Firma Ruhrcarbon GmbH in Bottrop zuständig war, hatte zwar auch kein Protokoll der damaligen Besprechung, aber sie teilte dem Gericht mit: „Ich kann mich ein bisschen erinnern.“

Sie habe vom Sachbearbeiter in Münster die Mitteilung erhalten, dass das Sicherheitsblatt für die Ölpellets geändert worden sei und kein gefährlicher Abfall vorliege. „Gingen denn da nicht Ihre Ampeln auf Rot?“, fragte der Richter mit dem Hinweis auf die völlig andere Bewertung seitens des LANUV-Mitarbeiters Dr. Malorny. „Ich gehe davon aus, dass Münster richtig analysiert hatte“, erwiderte die Zeugin Bärbel Bi.

Dritter Zeuge

Auch der Oberregierungsumweltrat Dr. Heiner Na., der dritte Zeuge der Bezirksregierung, gestand: „Im Jahre 2013 haben wir die Gefährlichkeit der gemischten Ölpellets nicht erkannt.“ Der Zeuge wartete mit konkreten Zahlen auf. So sei in den Jahren 2012 bis 2014 etwa die Hälfte aller Ölpellets als Abfälle auf den Markt gekommen, während die andere Hälfte in vermischter Form als Produkt ausgewiesen worden sei.

Nicht konsequent

In der Summe aller drei Zeugenaussagen wurde deutlich, dass die Düsseldorfer Bezirksregierung – zumindest aus heutiger Sicht – nicht konsequent mit eigenen Untersuchungen verhindert hat, dass es zu einer falschen Deklaration von Abfällen und zu einer Umdeklarierung in ein Produkt kommen konnte.

Nachdem das Gericht bei der Vernehmung einer Zeugin der Bezirksregierung in Münster zu einem früheren Zeitpunkt bereits Mängel in der Kontrolle der Behörde registriert hatte, rundete sich das Bild am Mittwoch ab.

BP als Erzeuger

Für die Verteidiger wurde die bisher mehrfach vorgetragene und bewiesene Behauptung verstärkt, dass die beiden Bezirksregierungen ihrer verantwortungsvollen Kontrolle nicht nachgekommen sind, dass die Staatsanwaltschaft ihre Aufgabe nicht richtig wahrgenommen hat und dass die BP als Erzeuger der Ölpellets für ihren Umgang mit den Ölpellets bislang nicht in die Verantwortung gezogen wurde.

Da sei es unverständlich, dass man von ihrem Mandanten strikt all das an Kontrollen erwarte, was die Summe der Behörden nicht zu leisten im Stande war. Deshalb schlug der Verteidiger vor, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen, wenn die bisher entstandenen Kosten für die Verhandlungen aus der Staatskasse übernommen würden.

Antrag der Verteidigung kategorisch abgelehnt

In einer ersten Reaktion lehnte der Staatsanwalt Oe., der übrigens einer jener vier Staatsanwälte ist, gegen die die Schermbecker Grünen eine Strafanzeige wegen Untätigkeit erhoben haben, den Antrag der Verteidigung kategorisch ab. Da half auch nicht der Hinweis des Richters, dass die Beweisaufnahme inzwischen fortgeschritten sei. „Die Schuld ist nicht mehr so hoch“, versuchte der Richter vergeblich eine Brücke zu bauen für den Staatsanwalt, einer Einstellung des Verfahrens zuzustimmen.

Am 24. April hatte die Kammer noch eine höhere Hürde für eine Einstellung des Verfahrens gebaut. Damals sollte der Angeklagte noch 20 000 Euro an eine Umweltorganisation zahlen. H.Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.