Von einem scheuen Raubtier-Verhalten war am Gartroper Hinsenberg nichts zu bemerken
Seit dem ersten Schafsriss im Kreis Wesel, der sich am 13. April 2018 im Schermbecker Ortsteil Bricht ereignete, sorgen regelmäßig Wölfe im Grenzgebiet zwischen Niederrhein, Westfalen und dem nördlichen Ruhrgebiet für den Tod von Nutztieren. Selbst dann, wenn von den Nutztierhaltern die von den Behörden vorgegebenen Schutzmaßnahmen vollauf beachtet werden.
Mit seiner regelmäßigen Dokumentation der von Wölfen verursachten Tiertötungen oder -verletzungen hat das Gahlener BürgerForum beweisen können, dass die Wölfin „Gloria“ mit der Kennung GW954f in dem am 1. Oktober 2018 ausgewiesenen „Wolfsgebiet Schermbeck“ zuerst allein und danach mit ihrem Rudel in steter Regelmäßigkeit für Verluste bei gewerblichen oder privaten Nutztierhaltern sorgte.
Völlig neue Verhaltensweise
Doch spätestens seit Freitag sorgt das jetzt mindestens vierköpfige Rudel der Wölfin „Gloria“ erstmals für eine völlig neue Verhaltensweise in der Begegnung mit den Menschen, die zwei Gartroper Bürger an zwei unterschiedlichen Tagen in ähnlicher Situation an derselben Stelle erlebt haben.
Als der Landwirt Thorsten Fengels am Samstagabend gegen 18.15 Uhr wie üblich seinen Abkalbestall verließ, sah er auf der nahen Wiese in etwa 25 Metern Entfernung im Schein der Handy-Tachenlampe insgesamt vier Wölfe stehen, die keinerlei Anstalten machten, vor dem in der Nähe auftauchenden Menschen Reißaus zu nehmen. Der Versuch, mit seinem Handy bei eingeschalteter Taschenlampe die ihm zuschauenden Wölfe zu fotografieren, misslang, aber Thorsten Fengels ist fest davon überzeugt, dass es sich um Wölfe handelte. Es waren Tiere derselben Art, die im Gartrop-Hünxer Raum in den letzten Wochen regelmäßig auch am hellen Tag gesichtet und fotografiert wurden.
Noch am Samstagmorgen wurden auf einem nicht weit entfernten Reiterhof drei Wölfe gesichtet und einer davon gefilmt. Dieser Film liegt unserer Redaktion vor.
Insgesamt vier Wölfe
Von einer ähnlichen Begegnung mit Wölfen auf der Wiese neben dem Bauernhof Fengels berichtete während eines Treffens am Sonntagvormittag ein der Redaktion bekannter Nachbar der Familie Fengels. Als er Freitagabend mit seinem Hund in Richtung Wiese wanderte, tauchten gegen 18.30 Uhr im Schein seiner Kopflampe etwa 50 Meter entfernt zwei Wölfe auf, bevor er ein Stück dahinter noch zwei Wölfe erkannte.
Doch während bei ähnlichen Begegnungen in der Vergangenheit das ins Licht gerückte Rotwild fluchtartig die Wiese in Richtung des nahen Waldes verließ, blieben die Wölfe nicht nur stehen, sondern näherten sich dem inzwischen angeleinten Hund und seinem Besitzer. Beide zogen sich langsam zurück. „Selbst als ich meiner Frau von weitem zurief, unseren zweiten Hund anzuleinen und im Haus zurückzuhalten, ließen sich die Wölfe nicht beeindrucken und zeigten keinerlei Fluchtverhalten.
Nicht die Wölfe sind gegangen, sondern wir
Thorsten Fengels
„Nicht die Wölfe sind gegangen, sondern wir“ , schilderte Thorsten Fengels eine unerwartete Verhaltensweise, die er nach den zahllosen Erläuterungen des LANUV, einiger Naturschutzverbände und zahlreicher Wolfsbefürworter so nicht erwartet hatte.
Falschbewertungen seitens des LANUV
Im Rahmen zweier Aufklärungsveranstaltungen hatten im Herbst 2018 in Gahlen und in Hünxe Mitarbeiter des LANUV immer wieder betont, dass der Wolf Menschen scheue. „Die haben sich so oft geirrt, dass man ihnen kein Wort mehr glauben darf“, stellte der Nachbar fest und leitete gestern Morgen eine Gesprächsphase ein, in der es um zahlreiche Falschbewertungen seitens des LANUV ging.
Die Empfehlung, Zäune in einer Höhe von 1,20 Meter Höhe seien ausreichend für den Schutz, habe sich inzwischen ebenso als Irrtum erwiesen wie die Behauptung der LANUV-Vertreter, Wölfe würden höhere Zäune nicht überspringem, sondern an solchen Stellen die Zäune untergraben.
Wölfin „Gloria“ lieber springt als gräbt
Das Gahlener BürgerForum hat im Rahmen seiner akribisch durchgeführten Dokumentation inzwischen längst nachgewiesen, dass die Wölfin „Gloria“ lieber springt als gräbt, selbst wenn der Zaun noch 70 Zentimeter höher ist, als es die Behörden einfordern.
„Ich habe Angst“, gestand Thorsten Fengels` Mitarbeiterin, die morgens mit dem Fahrrad in der Dunkelheit zur Arbeit auf dem Bauernhof fährt. Auch Thorsten Fengels sieht die Unbeschwertheit seiner Kinder, die von klein auf gewohnt waren, sich auf dem Hofgelände frei bewegen zu können, seit seinem persönlichen Erlebnis am Samstag stark beeinträchtigt.
Politik noch stärker gefragt
„Nun ist die Politik noch stärker gefragt“, ist Thorsten Fengels überzeugt. Bereits vor seiner unerwarteten Begegnung mit den Wölfen hat es als sachkundiger Bürger der Hünxer FDP dazu beigetragen, weitere Hünxer Parteien zu motivieren, einen Brief an die Umweltministerin zwecks konsequenter Maßnahmen gegen die Problemwölfin „Gloria“ zu senden, bevor diese ihre anomalen Raubtierfähigkeiten auf ihren Nachwuchs überträgt. „Gegen Gloria kann man nicht zäunen“, ist Thorsten Fengels überzeugt. Die Erfahrungen der letzten Monate hätten gezeigt, dass ein Zaun, der Kühe auf einer Weide zusammenhalte, noch lange nicht geeignet sei, das Wolfsrudel aufzuhalten.
Es war gestern wie ein Déjà-vu, als in der Gesprächsrunde das LANUV in die Schusslinie der Beteiligten geriet. „Das LANUV braucht eine Gehirnwäsche von oben“, hatte der Hamminkelner Berufsschäfer Jens Holtkamp am 19. September 2018 in seiner Funktion als stellvertretender Kreisvorsitzender der Schafzüchter festgestellt, als sich zahlreiche Protestler auf dem Spielplatz in der Gahlener Niewerth-Siedlung versammelten, nachdem ein Wolf sich dem Spielplatz zu stark genähert hatte.
Die Gartroper Bürger haben gestern Morgen ihre Erlebnisse mit dem Wolfsrudel an das LANUV weitergemeldet in der Hoffnung, dass man sich heute bei ihnen meldet.
Um seine Angstgefühle künftig besser beherrschen zu können, sieht Fengels` Nachbar für sich eine weitere Lösung: „Ich denke darüber nach, einen kleinen Waffenschein zu beantragen.“ H.Scheffler