Stellungnahme des GBF zu den Presseberichten in der NRZ und RP „Die Kosten des Umweltskandals“
Auf insgesamt 52.502.000 Euro könnte sich die Summe laut Gutachten für „Maximalmaßnahmen“ zur Gefahrenabwehr, die vom Mühlenberg in Schermbeck/Gahlen ausgehen, belaufen.
Alle Maßnahmen zusammen kosten sehr viel Geld. Der Gutachter listet Detailkosten auf, die teilweise zweistellige Millionen-Beträge ausmachen. Offen bleibt im Gutachten, wer diese Kosten tragen muss.
Eine Anfrage unserer Zeitung beim Kreis Wesel ergab folgende Antwort: „Nach den Vorgaben des hier vorrangig anzuwendenden Bundesbodenschutzgesetzes sind der Verursacher sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück zur Beseitigung von Umweltschäden mit daraus resultierender Kostentragungspflicht verpflichtet. Die Entscheidung darüber, welcher dieser nebeneinander gleichrangig Verpflichteten in Anspruch genommen wird, trifft die zuständige Behörde im Rahmen der Störerauswahl als Ermessensentscheidung.
Der Verpflichtete wird im Regelfall mittels einer Ordnungsverfügung zum Ergreifen der erforderlichen Maßnahmen verpflichtet. Kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, kann die Behörde den Schaden im Wege der Ersatzvornahme selbst beseitigen und die entstehenden Kosten von dem Verpflichteten zurückfordern. Soweit der Verpflichtete freiwillig dazu bereit ist, können die in einer Ordnungsverfügung zu treffenden Maßnahmen und Kosten auch im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geregelt werden.“ H.Sch.
Dazu schreibt die NRZ: Auch im neuen Jahr 2021 werden sich viele Schermbecker fragen, ob beziehungsweise welche Gefahren von der ehemaligen Mühlenberg in Gahlen ausgehen, wo nachweislich zigtausende Tonnen giftige Stoffe eingelagert wurden.
Dazu nimmt das Gahlener BürgerForum Stellung:
Das Gahlener BürgerForum ist nicht dafür bekannt, auf die Bremse zu treten. Was die Kostentragungspflicht hinsichtlich der anstehenden Untersuchungen und Sanierungsarbeiten auf dem Mühlenberg (geschätzte Gesamtkosten: EUR 52,5 Mio.) anbelangt, sollte aber nicht vorschnell gefolgert werden, dass die Allgemeinheit über die Kreisumlage dafür aufzukommen habe.
Für solche Fälle sehen viele Genehmigungen bzw. Verträge eine Sicherheitsleistung vor, damit z.B. im Falle einer Insolvenz des Betreibers auch noch genug Geld für etwaige Verpflichtungen zur Verfügung steht. Aber upps: Der zwischen Kreis Wesel und der Fa. Nottenkämper im Jahr 2016 geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag sieht ja nur die sagenhafte Sicherheitsleistung von 321.268 D-Mark (umgerechnet ca. 160.000 Euro) vor. Wieder stellt sich die Frage: Wer und wie konnte man nur so eine Vereinbarung aus Sicht des Kreises treffen?
Nichts desto trotz: Innerhalb des Ordnungsrechts gilt der Grundsatz, dass der sog. Störer für die Beseitigung eines illegalen Zustandes aufkommen muss, sei es, dass jemand gehandelt hat (Verhaltensstörer) oder für den Zustand von Sachen verantwortlich ist (Zustandsstörer).
Dass hierbei natürlich die Fa. Nottenkämper als Betreiberin der Tongrube primär in Anspruch genommen werden muss, versteht sich von selbst. Bis 2016 firmierte Nottenkämper als OHG, sodass selbstverständlich auch die beiden damals persönlich haftenden Gesellschafter Hermann und Bernhard Nottenkämper als Mithaftende für die Vergangenheit neben der Gesellschaft in Frage kommen. Auch der Grundstückseigentümer, der Freiherr von Nagell, wird richtigerweise als weiterer Störer in dem Artikel genannt.
Das sind aber noch nicht alle möglichen Verantwortlichkeiten. Neben den Drahtziehern als natürliche Personen kommen z.B. auch die folgenden Firmen in Betracht:
- Remondis-Tochter Remex als Nachfolgegesellschaft der insolventen RZB GmbH
- RC Ruhrcarbon GmbH als „Veredeler“ der Ölpellets
- Ruhr Oel GmbH/BP für die Erzeugung der Ölpellets
- Kronos Titan GmbH für die Erzeugung des Kronocarb
- PK Rohstoffe GmbH, vormals Possehl Kehrmann, als „Veredeler“ des Kronocarb
- Aurubis AG für den mit Kupfer, Blei und Zink belasteten Eisensilikatsand (waren die Genehmigungen durch den Kreis überhaupt rechtmäßig?) oder sonstige Erzeuger von Abfällen, die im Mühlenberg gelandet sind.
Zwar können die zur Verwertung und Beseitigung verpflichteten Abfallerzeuger Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten beauftragen. Ihre Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Pflichten bleibt hiervon unberührt und so lange bestehen, bis die Entsorgung endgültig und ordnungsgemäß abgeschlossen ist (§ 22 KrWG).
Gleichzeitig ist auch die Frage zu stellen, ob es nicht auch beim Kreis Wesel Verantwortliche gibt oder gab, die mindestens grob fahrlässig ihrer Überwachungspflicht nicht nachgekommen sind. Anhaltspunkte für aktives Tun und Unterlassen gibt es mittlerweile genug.
§ 48 BeamtenStG regelt:
„Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
Alle Verantwortlichen würden als Gesamtschuldner haften. Der Kreis hat hier sogar ein Auswahlermessen, wen er zuerst in Anspruch nimmt. Eventuell gibt es auch Versicherungen, die entsprechende Verfehlungen abdecken. Wer welchen Verschuldensanteil dann hat, sollen die Beteiligten untereinander klären und entsprechend ausgleichen. So sieht es auch der Gesetzgeber grundsätzlich vor.
Deswegen glauben wir schon, dass für die möglichen Sanierungskosten in Höhe von ca. EUR 52,5 Mio. genug Personen – juristische und/oder natürliche – zusammenkommen, die für den Schaden haften, bevor er auf die Allgemeinheit zurückfällt.
Der Kreis mag zwar ein Auswahlermessen haben, wen er zuerst in Anspruch nimmt. Feststeht aber auch, dass der Kreis die Pflicht hat, entsprechende Ansprüche zu prüfen und geltend zu machen. Ansonsten begehen die Handelnden oder eben Nichthandelnden selber eine Pflichtverletzung. In diesem Zusammenhang sei auf einen Beschluss des VG Minden vom 26.05.2008 verwiesen, der sich ohne Weiteres auch als allgemeine Verpflichtung auf den Kreis übertragen lässt:
„Die Weigerung des Gemeinderates mögliche Schadenersatzansprüche gegen Rats- oder Ausschussmitglieder geltend zu machen, verstößt dadurch gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, dass er die Vorgabe, sämtliche zur Verfügung stehenden Finanzmittel auszunutzen, missachtet.“