Vor 75 Jahren: Synagoge wurde zerstört

Vor 75 Jahren spitzte sich der Judenhass in Schermbeck dramatisch zu

Schermbeck Eine der dunkelsten Stunden des Kleinstädtchens Schermbeck jährt sich heute zum 75.Male. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde die Schermbecker Synagoge aus Angst vor einem Flächenbrand im Ortskern zwar nicht – wie vielerorts – in Brand gesteckt, aber doch erheblich zerstört. Außerdem wurde den Schermbecker Juden arg zugesetzt.

Seit 1933 hatte sich die Einstellung Schermbecker Bürger zu ihren jüdischen Mitbürgern deutlich geändert. Es war ein schleichender Prozess. „Die Erzählungen der älteren Schermbecker lassen eine Atmosphäre von Angst, Misstrauen und äußerster Vorsicht entstehen, die in einem erschreckenden Gegensatz zu den sonst so heiter und spannend klingenden Anekdoten aus der Kriegszeit stehen“, beschrieb Andrea Kammeier 1982 das sich allmählich verschlechternde Verhältnis von Juden und Nicht-Juden.

Eine dramatische Zuspitzung erfolgte in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Auslöser war die Nachricht vom Tod des deutschen Botschaftssekretärs Ernst von Rath, die die Führung der NSDAP ausgerechnet während eines Treffens am 15. Jahrestag des Hitler-Putsches in München erreichte und Josef Goebbels mit Zustimmung Adolf Hitlers zu einer Hetzrede veranlasste. Auf der Basis dieser Hetzrede wurden von den SA-Führern in München telefonisch Befehle durch ganz Deutschland gegeben, Zerstörungen und Brandschatzungen vorzunehmen. Die Schaufenster jüdischer Geschäfte wurden zertrümmert, was später zu dem Namen „Reichskristallnacht“ führte. Etwa die Hälfte aller Synagogen und Gebetshäuser in Deutschland wurde zerstört oder stark beschädigt. Dazu gehörte auch die Schermbecker Synagoge, die sich im Ortskern zwischen Georgstraße und der heutigen Straße „Hinter der Mauer“ befand. Eine am 23. Juni 1982 errichtete Bronzetafel erinnert noch heute an den ehemaligen Standort der Synagoge. Zerstört wurde auch das „Haus Bertha“ in der Nähe des Freudenbergs.

Die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Schermbeck stand zwischen Georgstraße und der Straße „Hinter der Mauer“. In dem kleinen Haus links neben der Synagoge wohnte die Jüdin Rika Hoffmann. Repro Scheffler
Die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Schermbeck stand zwischen Georgstraße und der Straße „Hinter der Mauer“. In dem kleinen Haus links neben der Synagoge wohnte die Jüdin Rika Hoffmann. Repro Scheffler

Aus den in einzelnen Gemeindebriefen der Georgsgemeinde von Pfarrer Wolfgang Bornebusch abgedruckten Berichten Schermbecker Bürger ergibt sich, dass sich zwischen fünf und sechs Uhr die SA, die SS aus Brünen, die Hitlerjugend und die Feuerwehr auf einer Wiese versammelten und danach geschlossen durch den Ortskern zogen. Es seien Hetzlieder gesunden worden. Beim zweiten Rundgang seien schon einige Fenster jüdischer Häuser und bei so genannten Judenfreunden zu Bruch gegangen. „Am späten Abend“, so heißt es weiter, „begannen die SS, SA und einige Mitglieder der Hitlerjugend in den jüdischen Häusern zu randalieren. Eingemachtes und Lebensmittel, zu dieser Zeit schon knapp, flogen auf die Straße, Wohnungseinrichtungen wurden zertrümmert. In der Synagoge zertrümmerte man zunächst die Einrichtung, denn man hatte Angst, dass bei einem Brand auch die Nachbarhäuser in Mitleidenschaft gezogen würden. Daher entzündete man erst am nächsten Tag im hinter der Synagoge liegenden Garten ein Feuer und verbrannte die Einrichtung. Die Nachbarn hatten Angst und verhielten sich ruhig.“ H.Sch.

Vorheriger ArtikelJunge Talente am Volkstrauertag
Nächster ArtikelJüdin Marga Randall: „Wir weinten und schrien“
Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.