Vor 70 Jahren kriegte Heinz Schmidt mächtigen Ärger

Ein ehemaliger Berglehrling kam am Heiligabend 1949 erst spät nach Hause

Sein Erlebnis am 24. Dezember 1949 hat der Gahlener Heinz Schmidt auch nach 70 Jahren noch nicht vergessen. Als sei es erst gestern gewesen, schildert der heute 87-Jährige einen Vorgang, den er am Heiligabend des Jahres 1949 erlebte und der ihm sehr viel Ärger bescherte.

Als 15-Jähriger hatte der gebürtige Wattenscheider Heinz Schmidt am 12. Mai 1947 als Berglehrling auf der Zeche „Centrum Morgensonne“ begonnen. Der erste Teil der Ausbildung fand über Tage statt. Seit dem 25. April 1949 war er als Berglehrling im Untertage-Betrieb tätig.

Der Schreck saß dem Berglehrling Heinz Schmidt am Heiligabend 1949 tief im Nacken, als bemerkt wurde, dass er zwei Bergleute unter Tage vergessen hatte. Foto: Helmut Scheffler

„Im Dezember 1949 war ich im Blindschacht für die Beförderung von Personen und Kohlenwagen zuständig“, erinnert Heinz Schmidt an jene Ausbildungsphase, zu der auch der Heiligabend des Jahres 1949 gehörte. An diesem Tag herrschte Hochbetrieb am Blindschacht.

In fast 1000 Metern Tiefe

Um 6 Uhr in der Frühe brachte er die ersten der insgesamt 150 Bergleute zum Blindschacht in fast 1000 Metern Tiefe. Es waren mehr Bergleute als an den übrigen Arbeitstagen, weil an diesem Tag die zweite Schicht entfiel und alle Bergleute zur ersten Schicht antreten mussten. Hinzu kamen noch einige Zusatzfahrten, um die Pferde, die unter Tage für das Ziehen der Kohlenwagen eingespannt wurden, mit zusätzlichem Futter für die Zeit der Feiertage zu versorgen.

Am Ende der Schicht brachte Heinz Schmidt die Bergleute wieder ans Tageslicht. Da beide Schichten zusammengelegt worden waren, verlor Heinz Schmidt den genauen Überblick über die bereits transportierten Bergleute. Als sie den Fahrkorb verließen, eilten sie zu ihrer Kaue, um beim Duschen den Alltagsschmutz zu entfernen und den Heimweg zum geschmückten Tannenbaum anzutreten.

Es fehlen zwei Lampem

„Aus eurem Revier fehlen zwei Lampem“, hörte Heinz Schmidt den Lampenmeister ihm zurufen, als er sich selbst anschickte, den Fahrdienst an diesem Heiligabend zu beenden. Auch die nochmalige Kontrolle der Lampen bestätigte die Beobachtung des Lampenmeisters. Es waren also zwei Bergleute vergessen worden und Heinz Schmidt war dafür verantwortlich. Ein Telefon gab es für Bergleute damals noch nicht, sodass sich die vergessenen beiden Bergleute auch nicht melden konnten.

„Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Reviersteiger Adolf Schrempel aufzusuchen, der mit seinen Kollegen in der Steigerstube saß, um mit ein paar Schnäpsen den Beginn der Feiertage zu genießen. „Sieh jetzt möglichst schnell zu, dass du einen Fördermaschinisten kriegst“, beendete Schrempel seine Schimpfkanonade. Er war aber so nett, dem Lehrling seine Steigerlampe zu geben, weil sie viel leichter war als die etwa sechs Kilogramm wiegenden Handlampen.

Zusatzarbeit am Heiligabend

Als Heinz Schmidt schließlich den Fördermaschinisten Rudi Kaczmarczek gefunden hatte, war der überhaupt nicht begeistert über die Zusatzarbeit am Heiligabend. Doch dann sorgte er dafür, dass Heinz Schmidt im Förderkorb zum Ort 4 gebracht wurde. Etwa 70 Meter vom Blindschacht entfernt warteten die beiden vergessenen Bergleute am Pferdestall. „Da ging das Schimpfen erneut los“, erinnert sich Heinz Schmidt an den Moment seiner Begegnung mit den beiden Bergleuten, die wenig später mit ihm zurück zum Tageslicht fuhren.

Heinz Schmidt musste sich beim Steiger zurückmelden und die Steigerlampe zurückgeben. „Pass auf, dass das nie wieder passieren kann“, befahl der Steiger in schroffen Tönen dem Lehrling, dem ein solches Missgeschick im Verlauf seines Berufslebens auch wirklich nie wieder passierte.

Centrum Morgensonne

Die dritte Strafpredigt musste sich Heinz Schmidt am Heiligabend des Jahres 1949 anhören, als er reichlich spät ins Elternhaus zurückkehrte. Sein Vater Wilhelm und die Mutter Anna hatten sich arge Sorgen um den Sohn gemacht. Die Nerven lagen blank, sodass die Grenze zwischen Sorge und Ärger unscharf wurde.

1963 wurde die Zeche „Centrum Morgensonne“ geschlossen. Doch noch ein Jahrzehnt später, wenn er ehemalige Kumpel auf der Sportanlage von Wattenscheid 09 traf, wurde Heinz Schmidt foppend an seine Vergesslichkeit am Heiligabend 1949 erinnert. Helmut Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.