Massive Kritik an der BP und der Staatsanwaltschaft

Im Ölpellets-Skandal bemängelt der Verteidiger Versäumnisse der Behörden

Am Montagmorgen gab es in der Verhandlung gegen einen Gahlener Abfallmakler in Sachen Ölpellets eine faustdicke Überraschung.

In der Sitzung, die eigentlich gemäß der Strafprozessordnung lediglich als Brückentermin angesetzt worden war, zog der Staatsanwalt seinen Antrag vom 7. Mai zurück. Damals sollte eine Einlassung der Verteidiger verlesen werden.

Der Staatsanwalt beantragte den Ausschluss der Öffentlichkeit, weil er befürchtete, viele Betriebs- und Firmengeheimnisse der BP würden preisgegeben. „Der Schutz der Privatinteressen ist größer als das Interesse der Öffentlichkeit“, stellte der Staatsanwalt am 7. Mai fest.

Die öffentliche Verlesung der Einlassung des Verteidigers legt eine andere Vermutung nahe für den ursprünglichen Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Einlassung entpuppte sich nämlich als die komprimierte Darstellung der Versäumnisse der Staatsanwaltschaft, gegen die BP als den eigentlichen Verursacher des Ölpellets-Skandals vorzugehen. Gegen die Staatsanwaltschaft und gegen die BP wurden am Montag massive Vorwürfe erhoben.

Mit der Feststellung, die Staatsanwaltschaft habe „wiederholt schlicht falsch und unvollständig“ vorgetragen, eröffnete der Verteidiger seine mehr als einstündige Einlassung.

Er forderte den Staatsanwalt auf, in der Firma BP (Ruhr Oel) nicht den „lieben und gesetzestreuen Global-Player“ zu sehen und endlich zu erkennen, „dass die Stoßrichtung der eigenen Ermittlungen in die falsche Richtung gehe“, weil sie „an den eigentlich Verantwortlichen vorbei ermittle“. Der Verteidiger forderte den Staatsanwalt auf, „endlich neutral in alle erforderlichen Richtungen“ nach den Verantwortlichen zu ermitteln. Derzeit beweise der Staatsanwalt „eher einen Scheuklappenblick“ in Richtung „Ruhr Oel“.

In der Einlassung folgte eine akribisch nachgewiesene Auflistung aller Quellennachweise, um zu belegen, dass die „Ruhr Oel“ in einer ans Kriminelle grenzende Handlungsweise dafür gesorgt habe, einen hochgradig gefährlichen Abfall loszuwerden.

Wie sehr der Staatsanwalt den Ölpellets-Skandal von der BP und von der Firma Nottenkämper fernhalten möchte und dem Angeklagten als Glied der Lieferkette bestrafen möchte, belegte der Verteidiger an Beispielen.

Ein Beispiel: Um den Angeklagten zu belasten, stellte der Staatsanwalt früher einmal fest, dass man die Pellets durch bloßes Drauftreten hätte zerkleinern können, sodass der Angeklagte sie hätte erkennen können. Jahre später, am 27. März 2018, habe der Staatsanwalt die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Nottenkämper mit dem Hinweis begründet, die „Pellets haben als Agglomerate eine eher kneteartige denn steinharte Konsistenz.“

In dieser Art Sammlung von unverständlichen und falschen Bewertungen seitens der Staatsanwaltschaft, in der inzwischen ein Zuständigkeitswechsel stattfand, setzte der Verteidiger seine mehr als 60 Seiten umfassende Einlassung fort.

Er beließ es aber nicht bei der Kritik an der falschen Blickrichtung des Staatsanwalts, sondern belegte anhand von vielen Niederschriften und Mails der BP, dass die Firma gezielt an einer Fehleinstufung des gefährlichen Abfalls gearbeitet habe. Die Firma habe die Einstufung „als vermeintliches Nebenprodukt und als Destillationsrückstand im Entsorgungsfall“ ganz offensichtlich aus gewaltigen finanziellen Interessen heraus betrieben.

Hier einige Auszüge aus Mail von BP-Mitarbeitern: Bereits am 3. September 2010 wies der BP-Mitarbeiter Dr. Jäger die verantwortlichen Firmenmitarbeiter auf die schlechten Vermarktungschancen der Ölpellets, die einen „Totenkopf“ als Kennzeichnung erhalten sollten wegen ihrer Gefährlichkeit.

Er berichtete von einem Gehalt an Vanadium und Nickel in einer Konzentration, die dazu führen würde, die EON-Kriterien für eine Verbrennung nicht mehr zu erfüllen. Am 1. Dezember 2011 wies Dr. Jäger die BP-Verantwortlichen erneut auf nicht genehmigungskonforme Ölpellets hin, nachdem er schon vorher festgestellt hatte, dass in dem Sicherheitsdatenblatt „nichts von Selbstentzündlichkeit“ gestanden habe.

Der Verteidiger zitierte fleißig weiter aus drei Ordnern, die von der BP-Task-Force Pellets mit Dokumenten gefüllt wurden und laut Verteidiger „mit ihrem skandalösen Inhalt“ bereits 2013 „alle Fakten dieses hochgradig illegalen Geschäftsmodells auf dem Tisch lagen und die Mitarbeiter der Ruhr Oel dieses illegale Handeln und die Gründe hierin sogar deutlichst ausführten.“

Der Verteidiger beließ es nicht bei der Bekanntgabe des hochgradig illegalen Geschäftsmodells der BP und bei den kritischen Anmerkungen zum Handeln der Staatsanwaltschaft, sondern bezog auch die Kontrollbehörden mit ein. „Geradezu unfassbar ist jedoch das Verhalten der zuständigen Behörden“, fasste der Verteidiger zusammen, wobei die Bezirksregierung Münster besonders viel Kritik einstecken musste, weil sie nicht handelten, „obwohl bereits 2013 alle Fakten dieses hochgradig illegalen Geschäftsmodells mit den drei Ordnern der Task Force Pellets und ihrem skandalösen Inhalt auf dem Tisch lagen und die Mitarbeiter der Ruhr Oel dieses illegale Handeln und die Gründe hierin sogar deutlichst ausführten. H.Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.