Hat die Politik versagt? Diskussionsrunde über den Wolf in Schermbeck

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Hat die Politik versagt? Was können Landwirte und Weidetierhalter noch machen, um ihre Tiere vor Wolfsangriffen zu schützen?

Mehr als drei Jahre Wolfsgebiet Schermbeck – was soll das Geheule? Unter diesem Arbeitstitel lud das Gahlener Bürgerforum in Kooperation mit der Kreisbauernschaft, dem Schafzucht- und Deichverband NRW, dem Kreisepferdezuchtverein Wesel und der Kreisjägerschaft Wesel ein.

Brieftaube

Bei der Podiumsdiskussion am Freitag im Haus Schult zeigte sich wieder einmal, wie unklar und lückenhaft die neue Wolfsverordnung in NRW ist. Besonders was die Auslegung anbelangt.

Eingeladen unter dem Motto „Blick nach vorne oder Blick zurück?“ waren die umweltpolitischen Sprecher für NRW Rainer Deppe CDU, René Schneider SPD, Norwich Rüße Die Grünen und Stefan Haupt FDP.

Wie gehen wir mit dem Schermbecker Rudel um?

Wie gehen wir mit dem Schermbecker Rudel um? Dazu Stellung beziehen konnten in der Diskussion die Landtagsabgeordnete der CDU Charlotte Quik, Kerstin Löwenstein SPD, Elke Langenbrink Die Grünen und Nadine Kleinsteinberg FDP.

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Dr. Stefan Steinkühler und Christiane Rittmann vom Bürgerforum moderieten die Diskussionsrunde ©Petra Bosse

„Viele Menschen haben Angst vor Angriffen oder Kollateralschäden. Offen gestellte Fragen werden nicht beantwortet“, so Jürgen Höchst in seiner Begrüßung. Bevor er das Mikrofon an das Moderatorenteam Dr. Stefan Steinkühler und Christiane Rittmann übergab, rief er zu einer Schweigeminute für den vor drei Tagen verstorbenen Sprecher der AG Wolf – Bernhard Steinmann auf.

Streit zwischen Weidetierhalter und LANUV

Anschaulich zum Thema „Wie schütze ich meine Weidetiere“ wurde ein geförderter wolfsabwehrender Zaun vor den Stehtischen aufgebaut, der ist in den letzten Jahren ein ewiger Streitpunkt zwischen den Weidetierhaltern und LANUV ist.

Wie ist die Aufgabenverteilung zwischen LANUV und der Landwirtschaftskammer bezogen auf den Wolf? Stellung dazu nahmen Dr. Matthias Kaiser vom LANUV und Dr. Thomas Klauke von der Landwirtschaftskammer. Eingeladen war auch Ministerin Heinen-Esser, aber durch ihren Rücktritt habe sich das erledigt, so Steinkühler.

Allerdings betonte er auch, dass dies für die Ministerin sicherlich kein leichter Termin gewesen wäre. „Sie hat die Problematik zwar erkannt, aber am Ende ist die neue Wolfsverordnung weder zielführend noch überhaupt eine Lösung“.

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 Dr. Matthias Kaiser LANUV NRW ©Petra Bosse

Viel über das Raubtier gelernt

Mit Blick auf die letzten Jahre und dem Zusammenlebend mit dem Wolf haben die Menschen, auch das Bürgerforum gemeinsam mit den Weidetierhaltern viel über das Raubtier in den letzten drei Jahren gelernt. Nicht nur, dass man den Wolf öfter sieht, als anfänglich von Seiten Politik behauptet wurde, sondern auch, dass er springen kann, auch nachts. „Wir sind noch nicht am Ende unserer Lernkurve und wir erwarten von der Politik mehr“. Gleichzeitig betonte Steinkühler, dass die Politik vorab – was die Informationen rund um den Wolf anbelangt – mehr machen müssen.

Wolfsmonitoring

Inwieweit das LANUV, als erster Ansprechpartner nach einem Wolfsrisse, eingebunden ist, darüber sollte Dr. Matthias Kaiser Auskunft geben. Fakt sei laut Kaiser, dass LANUV seit 2017 für das Wolfsmonitoring für die EU verantwortlich ist und dies sehr arbeitsintensiv sei. „Wir haben gerade jetzt einige durchziehende Wölfe auf der linken Niederrheinseite die nicht nur aus Polen, sondern auch aus der Alpenpopulation kommen. Diese Daten müssen wir mit den anderen Bundesländern abgleichen“, erklärte Kaiser die Aufgaben des LANUV.

70 Wolfsberater

Um Wolfsrisse schnell zu bearbeiten, habe das LANUV 70 Wolfsberater in den letzten Jahren ausgebildet, die rauskommen und dokumentieren, wie unter anderem das tote Tier liegt, ist es verschleppt worden, Bisswunden, Zahnabdrücke und auch wie die Situation des Zaunes für die Billigkeitsleistung ist. „Wenn wir kommen, dann ist schon was passiert und können nicht bescheinigen, wie der Zaun in der Nacht aussah“, so Kaiser. Erledigt hätten sich im Gegensatz zu früher die Streitereien über den Zustand des Zaunes, ob er durchhängt, oder genügen Strom hatte, auch in Schermbeck. Allerdings gebe es immer noch Zäune, die den Namen Zaun nicht verdienen und deshalb, wenn der Grundschutz nicht vorhanden ist, auch keine Entschädigung gezahlt werden könne.

Gute Wolfs-Population

Mit Blick auf die genetischen Proben durch das Senckenberg Institut liege die Individualisierung bei 80 Prozent. Das sei eine gute Quote und es gelte der Grundsatz „im Zweifel immer für den Tierhalter“, so Kaiser.

Mit Blick auf die Wolfspopulation sei diese seit 2017 gut und er verbreite sich. Im Vergleich zum Feldhamster, der in allen Bundesländern zurückgehe, verstehe Kaiser nicht, warum dem Wolf ein schlechter Erhaltungszustand attestiert werde.

Was ist ein optimaler Herdenschutz?

Was den empfohlen Herdenschutz nach einem Riss anbelange beklagte Schäfer Kurt Opriel, dass LANUV auf Fragen dazu, so gut wie nie bei den Betroffenen äußere, oder wenn, erst nach Monaten. Dieses Verhalten kritisierte auch Schäferin Christiane Rittmann. Insgesamt wurde der vorgeschriebene Herdenschutz zweimal im vergangenen Jahr überwunden. Auch auf die Frage, wie wahrscheinlich ist eigentlich ein optimaler Herdenschutz, darüber gebe es nie eine Auskunft, so Opriel. Das alles sei ein „Katze und Maus Spiel“.

Messlatte wird immer höher gehängt

Fakt jedoch sei auch, dass, wenn der Wolf zweimal über einen 1,20 Meter hohen Zaun springe, dieser als auffällig gelte. Diese Aussage habe die ehemalige Ministerin Heinen-Esser seinerzeit gesagt und getroffen. „Auf diese Aussage müssen sich die Weidetierhalter verlassen können, aber mittlerweile wird die Messlatte immer wieder höher gesetzt und es ist nichts passiert. Das führt zu Misstrauen“, so Steinkühler. Deshalb sei die große Bitte bei den nächsten Rissen, dass man den Tierhaltern zeitnah die Mängel mitteilt, so dass diese dann auch zeitnah beseitigt werden können. Was den Herdenschutz anbelange, sei das LANUV dafür nicht zuständig. Dafür gebe es die Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer. Diese habe aber, so Kaiser, mit den neuen Aufgaben viel zu tun.

Kritik an die Individualisierung

In die Kritik während der Diskussion geriet darüber hinaus auch Matthias Kaiser als Vertreter des LANUV, was den Abschuss der Wölfin Gloria anbelangt. Der Grund für die Kritik kam von Steinkühler. Er ist der Meinung, dass die Individualisierungen nach Rissen zu lasch gehandhabt werden.

Diesen Eindruck unterstrich auch der Landwirt Sondermann, der seine Weide in Mahlberg hat. „Wir Landwirte werden für dumm verkauft“. Er sieht durch den Wolf seine Weidetierhaltung mit Blick in die Zukunft als gefährdet an.

Auf Weidefläche verzichten

Ein anderer Landwirt berichtete, dass bereits 2018 in der Nacht 28 Jungrinder ausgebrochen seien. Sie haben Pfähle samt Stacheldraht herausgerissen. Zum Glück sei nicht viel passiert, außer dass sich ein Autofahrer geschädigt fühlte und vors Gericht zog. Obwohl meine Zäune in Ordnung waren, hat man mir nahe gelegt, in Zukunft auf diese Weidefläche zu verzichten“.

In drei Jahren keine Schafe mehr

So sagte Ingo Hülser vom Deichverband, dass er den Eindruck habe, dass ein Abschuss nicht gewollt ist. Für ihn sei eine Lösung dringend nötig, damit die Schafhalter nicht aufgeben. „Ansonsten haben wir in drei Jahren keine Schafe mehr“.  

Wer finanziert das?

Pferdezüchter Tobias Schult stellte die Frage, wie kann mich und meine Tiere bei einer Fläche von rund 50 Hektar Fläche gegenüber den Wolf schützen und wie kann ich das finanziell stemmen und wer finanziert das? Bis jetzt gibt es keine Fördermöglichkeiten für große Pferde. „Was soll ich machen? Warum werden wir nicht unterstützen? Wir wollen nicht den Wolf, aber wir wollen uns schützen“, so Schult.

Stephan Haupt (FDP): „Wenn wir den Wolf haben wollen, dann müssen wir auch die Möglichkeit haben, den Wolf, wenn er Probleme macht, zu entnehmen. Man muss ein Maß finden, wie weit lasse ich die Population zu, wann muss man eingreifen“.

Rainer Deppe (CDU): „Beim ersten Wolf gab es eine Feierstunde und Remmel hat Hurra gerufen. Ich habe damals schon gewarnt und gesagt, das wird noch böse enden. Besonders sehe ich die große Gefahr bei den Pferdehalter. Wenn Pferde ausbrechen, wird der Wolf die erst gar nicht kriegen, denn den Pferden geht nicht Puste aus. Und hier liegt die aller größte Gefahr, wenn die Pferde auf die Autobahn laufen. Ich bin gut damit ausgekommen, als es keine Wölfe gab“. Außerdem sehe Deppe, dass die „tolle“ Wolfsverordnung von Vergrämung und Verscheuchung spricht. „Frage mich, wie soll das gehen? Wie kann Vergrämung praktikabel gemacht werden? Was wir brauchen, ist die Bestätigung, dass der Wolf einen günstigen Erhaltungszustand hat“.

René Schneider (SPD): „Ich bin dafür,  dass Gesetze eingehalten werden, aber es müssen auch Menschen finden, die den „Arsch in der Hose haben“ den Wolf nach den bestehenden Möglichkeiten zu entnehmen“. Für Schneider habe die Verordnung darüber hinaus keinen qualitativen Nährwert.

Norwich Rüße (Die Grünen): „Die Verordnung ist eigentlich gar nicht so schlecht, nur sie kommt zu spät“. Er sprach sich aber auch dafür aus, dass auffällige Wölfe entnommen werden müssen. „Allerdings hat es bis jetzt an Mut gefehlt“. Und weiter: Man hätte früher eingreifen und schon längst den Wolf entnehmen müssen. Und wer will schon, dass der ganze Niederrhein mit Zäunen eingezäunt wird? Dann gibt es auch noch die Deiche, wo Herdenschutzhunde nicht die Lösung sind und wo Fahrradfahrer auf den Deichen fahren. Die holen Oma vom Fahrrad“.

Stephan Steinkühler: „Wir brauchen ein Ministerium, welches die bestehenden Regelungen vorantreibt. Das hat LANUV bis jetzt nicht gemacht. Deshalb hoffe ich durch den Ministerwechsel, dass zukünftig besser durchgegriffen wird“.

Soll die Wölfin entnommen werden?

Bei der Frage: Wie gehen wir mit dem Schermbecker Rudel um, waren die Landtagskandidatinnen angesprochen.

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Charlotte Quik (MdL CDU) ©Petra Bosse

Charlotte Quik (CDU): „Kurze Antwort. Wir müssen den Wolf entnehmen. Der Wolf ist ein Raubtier. Ein Schutz vor dem Wolf funktioniert dann nicht mehr, wenn sich das Pferd vor dem Wolf erschreckt und ein Reiter oder Reiterin/Kind runterfällt. Das sind unter anderem alles solche Faktoren, die in der Debatte heute zu kurz gekommen sind. Ich halte es für zwingend erforderlich, dass wir den Erhaltungszustand auf Bundesebene anpassen, aber auch auf EU-Ebene und dass wir wirklich dahin kommen, dass wir nicht mehr Wolfsgebiete ausweisen, wo Wölfe sind, sondern dass wir Wolfsgebiete da aus unserer Sicht sein können und woanders dürfen sie nicht mehr zugelassen werden. Der Wolf ist ein Raubtier. Wenn wir und auch unsere Kinder die Angst davor verlieren, dann haben wir unseren Erhaltungsantrieb verloren. Der Wolf ist bei uns eingedrungen und muss entnommen werden. Ganz klar“

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Elke Langenbrink (Bündnis90/Die Grünen) ©Petra Bosse

Elke Langenbrink (Die Grünen): Elke: Mir ist es ganz wichtig das Fauna, Habita geschützt werden. Anfänglich gedacht, super, so eine tolle Landschaft, schön, dass sich solche Tiere wieder ansiedeln. Ich bin oder war für die schwedische Lösung mit wolfsfreien Zonen, was aber nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Wir haben auch noch andere Tiere und deshalb bin ich dafür, dass Problemwölfe entnommen werden müssen, um andere Tiere zu schützen“.

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Nadine Kleinsteigberg (FDP) © Petra Bosse

Nadine Kleinsteinberg (FDP): „Ich bin definitiv dafür, dass wir Problemwölfe, die immer auffällig sind und die wirtschaftliche Existenz gefährden, entnommen werden müssen. Wer ist schützenswerter? Der Wolf oder der Mensch?“

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Kerstin Löwenstein (SPD) ©Petra Bosse

Kerstin Löwenstein (SPD): In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Mein Bestreben, ein Herdenschutzzentrum Euregio zu errichten, Es hat nicht geklappt. Dennoch setze ich weiterhin auf Herdenschutz und eine rechtssichere Lösung. Wenn es aber nicht funktioniert, sollten die Wölfe dann entnommen werden, wenn sie als auffällige Wölfe charakterisiert werden, obwohl ich persönlich ein Problem damit habe. Ich würde eine andere Lösung favorisieren, wenn es diese gibt“.

Der Wolf ist ein Raubtier. Wenn wir und auch unsere Kinder die Angst davor verlieren, dann haben wir unseren Erhaltungsantrieb verloren.

Charlotte Quik
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