Wer die Bundesstraße 58 von Schermbeck über Wesel nach Alpen schon häufig gefahren ist, kann sich in etwa vorstellen, wie eine Strecke von 30 Kilometern ausfällt. 30 Kilometer sollte der Wetterballon bei günstigen Bedingungen aufsteigen, der gestern vom Bolzplatz der Schermbecker Gesamtschule startete.
In den letzten Wochen hatten sich die Klassen 9c und 9d im Rahmen des Physikunterrichtes mit den Lehrerinnen Bianca Sadowski und Stephanie Herbstritt intensiv mit all dem befasst, was das Thema „Wetterballon“ betrifft. Dabei stellte es sich schnell heraus, dass man das Funktionieren eines Wetterballons nur dann richtig verstehen kann, wenn man fächerübergreifend arbeitet. Für die Gesamtschüler ist die Art der fächerübergreifenden Betrachtungsweise längst zur Gewohnheit geworden. Als MINT-Schule haben die Schüler mehrerer Jahrgänge ihre besonderen Kompetenzen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik wiederholt bewiesen. Neunt- und Zehntklässler kehrten regelmäßig mit guten Platzierungen vom Regionalwettbewerb „Jugend forscht“ aus Marl zurück.
Mathematische Arbeitsmethoden wurden zum Beispiel bei der Berechnung der Gasmenge für den kugelförmigen Ballon benötigt. Informatikkenntnisse erleichterten das Programmieren von GPS-Rechnern. Im Chemieunterricht konnte geklärt werden, warum sich Helium besonders als Füllgas eignet. Im Geografie- und Physikunterricht wurden die Wetterelemente Wind, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur behandelt. Im Fach Technik wurde die Styroporbox gebastelt, die beim gestrigen Stratosphärenflug des Wetterballons benötigt wurde.
Mit all diesen fachlichen Spezialkenntnissen gerüstet, verstanden die Schüler gestern leicht alle erforderlichen Abläufe bis zum Start des Wetterballons, dessen Finanzierung die Volksbank ermöglichte. „Wir sind seit Beginn mit den Bemühungen der Gesamtschule im MINT-Bereich und bei Jugend forscht verbunden“, begründete Volksbank-Marketingleiter Wolfgang Lensing die Unterstützung seitens der Volksbank und ergänzte, „wir finden es gut, wenn sich an der einzigen weiterführenden Schule des Ortes ein technischer Schwerpunkt entwickelt.“
Die aus Gummi bestehende Ballonhülle wurde mit dem Helium der Firma Domjahn gefüllt, bis ein Durchmesser von 2,30 Meter erreicht war. Um die empfindliche Ballonhaut auch nicht durch geringste Kratzer zu beschädigen, die ein vorzeitiges Platzen in der Höhe hätte bewirken können, wurde der Boden unterhalb der Aufbaustelle mit Decken ausgelegt.
Im Abstand von fünf Metern zum Ballon wurde ein Fallschirm befestigt, der die Wettersonde nach dem Platzen des Ballons in etwa 30 Kilometern Höhe sicher zur Erde zurückbringen sollte. Die Sonde selbst befand sich in zehn Metern Abstand zum Fallschirm und war dadurch insgesamt 15 Meter vom Ballon entfernt. Ein solch großer Abstand war erforderlich, um zu verhindern, dass die Messsonde in den Windschatten des Ballons geraten konnte, wenn dieser sich in der Höhe wegen des nachlassenden Luftdruckes um ein Vielfaches vergrößert wird.
Der Aufstieg in die Stratosphäre musste zuvor genehmigt werden. Nachdem die Deutsche Luftsicherung ihr Okay gegeben hatte, verlangte die Luftfahrtbehörde NRW konkrete Informationen über Gewicht, Nutzlast und Flugtermin. Da die Wetterdaten eine Zeitlang für den gestrigen Tag einen Flug in Richtung Niederlande erwarten ließen, wurden entsprechende Kontakte mit der niederländischen Flugsicherung aufgenommen.
Beim gestrigen Start stand fest, dass der Ballon in der Höhe nach Nord-Nordost in Richtung Münster fliegen würde. Die Kamera ist so eingestellt, dass sie alle 30 Sekunden Fotos liefert. Ein Heizkissen sorgt unterwegs dafür, dass die Kamera und die Messsonde bei Temperaturen bis minus 60 Grad nicht beschädigt werden.
Sobald der Ballon platzt und die am Fallschirm hängende Messsonde niedriger als etwa 18 Kilometer schwebt, können GPS-Daten übermittelt werden. Anhand der Daten kann die Verfolgung mit einem Bus der Firma Tekath vorgenommen werden.
Gelingt die ganze Aktion reibungslos, dann sollen in den restlichen Physikstunden bis zu den Sommerferien alle Daten ausgewertet werden. H. Sch. /Fotos: Helmut Scheffler