Frauen warten auf Reformen in der katholischen Kirche

Schermbecker kfd-Teamsprecherin Petra Becker bewertet die Ergebnisse der Deutschen Bischofskonferenz

In der Zeit vom 23. bis 25. Februar fand die digitale Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt.

Bereits am Wochenende vor der Konferenz hatte sich die „Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands“ (kfd) der Schermbecker Ludgerusgemeinde an einer Aktion des Bistums Münster beteiligt.

Der kfd-Diözesanverband hatte in Kooperation mit den Maria 2.0-Initiatorinnen im Vorfeld dazu aufgerufen, sieben Thesen an die örtlichen Kirchen zu hängen, mit denen die kfd-Frauen ihre Forderungen nach Veränderungen in der Kirche an die Öffentlichkeit trugen (wir berichteten). Die bundesweite Aktion war ein voller Erfolg.

Zum elfköpfigen Leitungsteam der kfd im Bistum Münster gehört auch die Schermbeckerin Petra Becker, die in Schermbeck zudem – gemeinsam mit Monika Schmidt – Teamsprecherin der kfd von St. Ludgerus ist. Wir baten Petra Becker in einem Interview, zu den Ergebnissen der Bischofskonferenz Stellung zu nehmen. In unseren Fragen ging es vor allem um die „Sieben Thesen Maria 2.0“, die sich nach dem bundesweiten Kirchenstreik „Maria 2.0“ seit Mai 2019 entwickelten.

kfd schermbeck
Die Schermbecker kfd-Teamsprecherin Petra Becker (vorne r.), die im Mai 2019 an der Schermbecker Protest-Aktion „Maria 2,0“ beteiligt war, bewertet die Ergebnisse der Deutschen Bischofskonferenz. Archivfoto: Helmut Scheffler

Geduld

Bischof Felix Genn hat in einem Fernseh-Interview mitgeteilt, dass das Thema „Maria 2,0“ auf der Tagesordnung sei, dass es keine schnellen Entscheidungen geben könne, sondern Geduld gefragt sei. Wie steht die kfd zu dieser Äußerung?

Petra Becker: Ich persönlich war sehr enttäuscht von seiner Reaktion und stehe damit sicher nicht alleine. Von „schnellen Entscheidungen“ in der Katholischen Kirche kann sowieso keine Rede sein. Seit mehreren Jahrzehnten wollen wir kfd-Frauen Reformen anstoßen, damit Gleichberechtigung auch in der Kirche als naturgegeben praktiziert wird. Schon die Generationen vor uns haben sich für weibliche Ministrantinnen eingesetzt. Mehr ist nicht passiert.

Nichts hat sich bewegt

Dass Frauen zu Diakoninnen geweiht werden dürfen, dafür macht sich die kfd bereits seit den 70er-Jahren stark. Nichts hat sich bewegt. Angesichts der aktuellen Reformbewegung stellten wir uns daher die Frage: „Frauen-ist Euch das genug?“ Auf der Bundesversammlung 2019 antworteten die kfd-Delegierten mit „Nein“ und stimmten einstimmig dafür, nun „ALLE Dienste und Ämter für Frauen in der Kirche“ zu fordern!

Die bisherige Regelung ist nicht mehr haltbar! Frauen sind 50 % der Gesellschaft und der Gläubigen. Zudem tragen sie einen sehr großen Teil der Gemeindearbeit –ehrenamtlich! Frauen haben viel zu sagen, aber die Amtskirche will es nicht sehen. Es gibt einige Frauen, die sich zu Leitungsämtern berufen fühlen, und noch mehr, die seelsorgerisch unterwegs sind. Das aktuell veröffentlichte Buch der Benediktinerin Schwester Philippa Rath zeigt dazu 150 bewegende und erschütternde Berichte, von Frauen, die sich berufen fühlen, aber nichts dürfen.

Zeit etwas zu ändern

Es gibt einen Punkt, an dem die Geduld überstrapaziert ist. Es ist an der Zeit etwas zu ändern. Wir Frauen in der Katholischen Kirche haben schon zu lange gewartet.

Was erwarten die Frauen vom Bischof Genn bezüglich ihrer Forderungen in den sieben Thesen?

Petra Becker: Auf Bistumsebene führen wir kfd-Leitungsfrauen jedes Jahr Gespräche mit unserem Bischof Felix Genn. Ich wünsche mir vor allem Mut von ihm. Mut für viele Entscheidungen, die auch er fällen kann, um Reformen in unserem Bistum durchzuführen, damit wir zu einer Kirche der Zukunft werden, in der wirkliche Teilhabe möglich ist. Kirchliche Leitung findet nicht nur in Rom statt, sondern auf unterer Ebene – auch in jedem Bistum. Durch unsere bundesweite MachtLichtAn-Aktion, Mahnwachen, Gottesdienste, Demonstrationen, die Petition „Laienpredigt“ und aktuell auch den Thesenanschlag weisen wir darauf hin, dass wir JETZT auf Reformen warten.

Als die Schermbecker kfd im Mai 2019 an der Protestaktion „Maria 2.0“ teilnahm, verwies das kfd-Team auch auf den Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche. Sind Sie mit den Ergebnissen der Bischofskonferenz zu diesem Thema zufrieden, das ja auch im besonderen Maße die Frauen betraf.

Erstes Zeichen

Petra Becker: Sagen wir mal so: Es gab ein deutliches Zeichen der deutschen Bischöfe, indem sie Dr. Beate Gilles als erste Frau und erste Laiin zur Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz gewählt haben. Wir freuen uns, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben, und setzen darauf, dass mit dieser Besetzung und durch Frau Dr. Gilles‘ Impulse die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche weiter voranschreitet und die Forderungen, die wir seit Jahrzehnten stellen, nach und nach umgesetzt werden.

Den zurückhaltenden Umgang des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki mit Gutachten zu Missbrauchsfällen haben viele Menschen bedauert. Haben Sie das Gefühl, dass im Bistum Münster eine größere Offenheit für eine schonungslose Aufklärung besteht?

Petra Becker: Ich sehe, dass viel getan wird im Bistum Münster, um die Missbräuche aufzuklären und auch einige Maßnahmen zur Prävention ergriffen werden. Da ist unser Münsteraner Bischof deutlich transparenter und bemühter. Die umfassende Aufklärung der Missbrauchsfälle mit den Betroffenen ist ein schwieriger und notwendiger Prozess, der jetzt gegangen werden muss.

Aufhebung des Zölibats

Nichtsdestotrotz muss sich neben den konkreten Maßnahmen strukturell in der Kirche etwas ändern. Darum geht es uns. Es reicht nicht, Vergangenes aufzuarbeiten und Menschen zu schulen, damit sie in Zukunft offene Augen haben und Missbräuche eher erkennen. Es ist ein Fehler im System, der behoben werden muss. Nicht umsonst fordern wir als kfd – zusammen mit den Initiatorinnen und der Bewegung Maria 2.0 – die Aufhebung des Zölibats, damit viele Menschen in kirchlichen Ämtern nicht mehr mit einer „Scheinfassade“ leben müssen.

In der Kirche, die wir uns wünschen, geht es darum, dass Macht geteilt wird, dass alle am Sendungsauftrag teilnehmen. Die klerikalen Strukturen sind das Grundproblem, das den Missbrauch in allen seinen Facetten fördert. Diese Machtausübung erkennt man übrigens auch deutlich daran, dass an einigen Kirchentüren unsere 7 Thesen direkt wieder abgehängt wurden – an anderen ein Aushang ganz klar „verboten“ wurde. Einige Frauen ließen sich jedoch nicht einschüchtern. Sie stellten sich einfach vor die Kirchentüren und hielten selbstbewusst die Reform-Thesen sicht- und lesbar hoch.

Wo sehen Sie Chancen, dass schon jetzt im Bistum Münster Frauen stärker Leitungsfunktionen übernehmen?

Petra Becker: Zum Beispiel in der paritätischen Gemeindeleitung. Da ist unsere Pfarrei ein gutes Beispiel, denn hier ist die Pastoralreferentin Desirée Kaiser mit Pastor Xavier Muppala, den Ehrenamtlichen in den Gremien und Unterstützung durch Pastoralberater dabei, eine neue Form der Leitung zu entwickeln. Das gibt es auch in anderen Pfarreien wie in Saerbeck. Mehr davon! Vielfalt und Experimente in der Leitung von Pfarreien …! Außerdem wäre es ein deutliches Signal gewesen, wenn die neue Stelle der Verwaltungsleitung im Generalvikariat von einer Frau besetzt worden wäre.

Kirche verliert massiv Mitglieder

Bischof Genn hat auf die zweite – beschlussfähige – Bischofsversammlung im September verwiesen. Bis dahin sei Geduld gefragt. Teilen Sie diese Auffassung des Bischofs?

Petra Becker: Ich persönlich denke: Wir haben keine 20 Jahre mehr Zeit, denn unsere Kirche verliert massiv Mitglieder. Wenn die Frauen ihre Kirche verlassen, weil es in der Geschlechterfrage keine Lösung gibt, wird die Lawine von Austritten weiterrollen.

Schwester Philippa Rath hat es in unserem kfd-Mitgliedermagazin gut auf den Punkt gebracht: „Ich bin überzeugt, dass die Frauenfrage schon sehr bald eine Frage von Sein oder Nichtsein für unsere Kirche werden wird.“

Unsere Kirche steckt in einer tiefen Krise“, stellte die Schermbecker Pastoralreferentin Birgit Gerhards am 9. Mai 2019 während eines kfd-Gottesdienstes fest. Welche Ratschläge können Sie den Bischöfen für die September-Versammlung mit auf den Weg geben, um die Krise zu meistern?

Petra Becker: Ich würde ihnen raten, den Worten Taten folgen zu lassen und konkrete Schritte umzusetzen, da, wo es möglich ist: Gegenüber Rom deutlicher werden und z.B. Ausnahmegenehmigungen für den Predigtdienst von Laien beantragen, die Beauftragung von Laien zu weiteren Diensten wie der Taufe und der Trauung – was bereits möglich ist, und mehr Transparenz in Entscheidungsprozessen.

Die Fragen stellte: Helmut Scheffler

Ich würde ihnen raten, den Worten Taten folgen zu lassen und konkrete Schritte umzusetzen, da, wo es möglich ist

Petra Becker
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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.