FDP-Ratsfraktion zum Haushalt 2013

Haushaltsrede der FDP-Gemeinderatsfraktion zum Haushalt 2013

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

die Gemeinderatsfraktion der FDP Schermbeck nimmt zu dem Haushaltsentwurf, zu den eingebrachten Anträgen und Einwendungen anläßlich der Beschlußfassung über den Haushalt 2013 wie folgt Stellung:

Anläßlich der jährlich im Frühjahr stattfindenden Haushaltsberatungen ist man nahezu an einen Klassiker des Kinos erinnert und in Abwandlung des entsprechenden Filmtitels möchte man nahezu ausrufen: „Und jährlich grüßt das Murmeltier!“.

Anstatt ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, den gemeindlichen Haushalt mittel- und langfristig durch tiefgreifende Maßnahmen zu sanieren, wird – vollkommen unambitioniert – an wenigen Stellschrauben gedreht. Es sind nach wie vor keinerlei Anstrengungen erkennbar, um das strukturelle Haushaltsdefizit mittel- und langfristig zu beseitigen. Beispielsweise sind nennenswerte Maßnahmen zur Personalkostenkonsolidierung oder gar zur Personalkostenreduzierung aus unserer Sicht auch nicht ansatzweise erkennbar. Um den Haushalt in den Griff zu bekommen, werden abermals Steuererhöhungen thematisiert. Für viele Politiker liegt die Lösung der Haushaltsprobleme auf der Hand: Rauf mit den Steuern, so lautet die Parole. Das Drama der südeuropäischen Krisenländer zeigten en gros, wohin es führt, wenn unsolide gewirtschaftet wird. Doch anders als in Griechenland oder in Zypern leidet der hiesige Fiskus und auch die Gemeinde Schermbeck keineswegs an mangelnden Einnahmen.

Im Gegenteil: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und auch noch nie in der Geschichte der Gemeinde Schermbeck floß soviel Geld in die Gemeindekassen wie heute. Bei einem Alleinstehenden mit mittleren Einkommen schrumpft das Bruttogehalt nach Steuern und Abgaben auf die Hälfte. So tief greift die öffentliche Hand noch nicht einmal im Hochsteuerland Schweden dem Durchschnittsbürger in die Tasche.

Die Bürgerinnen und Bürger wundern sich, warum sich die öffentliche Hand, so auch die Gemeinde Schermbeck ganz anders verhält als ein Familienoberhaupt in Geldnöten. Denn verantwortungsbewußte Eltern würden zunächst einmal sämtliche Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Doch die Erkenntnis, daß Etatsanierung etwas mit dem Sparen zu tun hat, ist der Gemeindeverwaltung und auch großen Teilen der Politik abhanden gekommen.

Nach wie vor gilt auch in der Gemeinde Schermbeck: Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Aus diesem Grunde hat die FDP-Ratsfraktion zahlreiche Vorschläge für Einsparungen gemacht.

· Nur exemplarisch nenne ich die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Jugendarbeit zusammen mit der Stadt Wesel und die damit verbundene Trennung vom Kreisjugendamt. Für uns drängt sich die Feststellung auf, daß eine derartige Kooperation kostengünstiger wäre, als die Zahlung der besonderen Kreisumlage für die Erhaltung des Kreisjugendamtes. Aber auch diesmal ist der entsprechende Antrag von Verwaltungsseite abgelehnt worden, obschon man den Eindruck gewinnen kann, daß sich die Verwaltung gar nicht intensiv mit dem Vorschlag auseinandergesetzt hat. Die Verwaltung verweist lediglich, daß der entsprechende Antrag bereits im Haupt- und Finanzausschuß in der Sitzung am 07.04.2011 abgelehnt worden sei. Dies ist falsch, da der damalige Antrag eine vollkommen andere Zielrichtung hatte (Aufbau eines interkommunalen Jugendamtes mit den Gemeinden Hamminkeln, Hünxe und eventuell Voerde). Offensichtlich ist die Verwaltung nicht einmal bereit, die Anträge vernünftig zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn aufzubereiten.

· Die FDP-Gemeinderatsfraktion hat bereits mehrfach die Einführung eines Kennzahlensystems beantragt. Nunmehr vertritt die Gemeindeverwaltung die Auffassung, daß die Einführung eines derartigen Systems „in der Priorisierung der noch zu erledigenden Aufgaben zur Zeit nachrangig“ sei. Dies kann unter keinen Umständen nachvollzogen werden, da das Kennzahlensystem ja gerade dazu dient, Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen, um das Verwaltungshandeln möglichst effizient zu machen. Es geht auch nicht darum, darzustellen, inwieweit die Pro-Kopf-Verschuldung der Einwohner verringert worden ist oder ob Personalkosten durch Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit gesenkt wurden. Konkret ist für jedes Produkt bzw. Produktgruppe zunächst einmal der Kosten-Wirkungs-Grad zu untersuchen: Welche finanziellen Ressourcen werden eingesetzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Beispiel: Wie hoch ist der Mitteleinsatz (Personalkosten und Sachkosten) für die Bücherei, heruntergebrochen auf jeden Benutzer oder Benutzerkontakt. Sodann könnten Zielvorgaben gemacht werden, etwa: Mit einem geringeren Einsatz finanzieller Ressourcen soll die Zahl der Benutzer bzw. Benutzerkontakte (Ausleihen) gehalten werden. Weiteres Beispiel: Wie hoch ist der Mitteleinsatz für die Sportstätten (pro Kopf je Benutzer und pro Kopf je Einwohner). Dies erlaubt einerseits eine bessere Steuerung und andererseits auch den Vergleich mit anderen Kommunen.

· Bedauerlich ist auch, daß die Verwaltung sich gegen die Absenkung des Gewerbesteuerhebesatzes sperrt. Die Gemeindeverwaltung nimmt dabei irgendwelche spekulativen Zahlen als Grundlage und errechnet einen angeblichen Ertragsverlust in Höhe von 110.000,00 €, 115.000,00 €, 120.000,00 € und 475.000,00 € (2013 bis 2016). Dabei werden gegenteilige positive Effekte (Steigerung der Wirtschaftskraft der Unternehmen und Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe) vollkommen ausgeklammert. Hier wird deutlich, daß die Verwaltung nicht bereit ist, in wirtschaftsorientierten Kategorien zu denken, sondern den Haushalt aufstellt auf der Grundlage spekulativer Zahlen. Sämtliche Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt: Nicht Steuererhöhungen, sondern Reduzierung von Steuersätzen führen mittel- und langfristig zu einer Erhöhung der steuerlichen Erträge. Es fällt natürlich schwer, eine derart wirtschaftsorientierte Denkweise bei den Verwaltungsmitarbeitern zu implementieren, in deren Zuständigkeitsbereich die Aufstellung des Haushaltes fällt. Hier werden die Nachwirkungen des früheren kameralistischen Haushaltes wohl noch einige Zeit zu verschmerzen sein.

Instruktiv zur fortschreitenden Verschuldung einer einnahmestarken Kommune möchte ich aus der Zeitschrift „Das Rathaus“ (Heft 2/2013) zitieren, denn die dortigen Ausführungen sind nahezu 1:1 auf die Gemeinde Schermbeck herunterzubrechen:

„Unmittelbar mit der Begründung der Kommune beginnt der Aufbau des Personals. Besonders stark wuchs die Zahl der Beamten (+ 97 %). Die Zahl der Angestellten stieg um 47 %, während die Zahl der Arbeiter fast konstant blieb. (…). Der Aufbau der Verwaltung war in den Boomjahren weitgehend ohne Effizienzgesichtspunkte durchgeführt worden. Darunter leidet die Kommune noch heute.

(…). Die Jahresberichte zeigen, wie das Personal sukzessive in höhere Gehaltsstufen gebracht wurde. Dies betrifft Arbeiter, Angestellte und Beamte. (…).“

Auch in der Gemeinde Schermbeck ist festzustellen, daß bei nahezu stagnierenden Einwohnerzahlen die Kosten für Kommunalen Grunddienste erheblich angestiegen sind.

Sodann wird weiter festgestellt – und dies gilt auch für die Gemeinde Schermbeck -:

„Eine besondere Betrachtung verdienen die Zuwächse der Personalzahlen im Bereich Soziales. 2/3 davon betreffen die Kindergärten. In einer stagnierenden Kommune ist der Standard der Kindergärten über 20 Jahre immer höher geschraubt worden. Insgesamt findet man nur eine geringe Korrelation mit Parteien und Wahlzyklen. Es scheinen eher allgemeine gesellschaftliche Strömungen zu sein, welche das Ausgabeverhalten erklären. (…). Der Landesrechnungshof rügte den niedrigen Deckungsgrad der Projekte mit Gebühren und Beiträgen. Offenbar hat sich die Kommune nicht getraut, die Bürger über die wahren Kosten der vielen kleinen Projekte zu öffnen. (…)“

Und auch die Reaktionen sind durchaus vergleichbar mit jenen, die wir bedauerlicherweise in der hiesigen Gemeindeverwaltung und in der Politik feststellen müssen:

„Sehr interessant sind die Reaktionen der Kommune auf die sich zuspitzenden Probleme ab dem Krisenjahr 2000. Grund für die Probleme waren nachhaltige Rückgänge der Steuereinnahmen, die nur durch eine reale Reduktion der Ausgaben hätten bekämpft werden können. Kurz gesagt ist ein Unwille erkennbar, die wahren Probleme anzugreifen. Die Kommune beschuldigte zunächst die Bürger, an teuren Einrichtungen wie den Schwimmbädern festzuhalten. Dann wurde erklärt, an der Reparatur der Gemeindestraßen sparen zu wollen. Dabei hatten beide Positionen mit der Ausgabenexplosion der Vorjahre gar nichts zu tun. Schließlich griff die Kommune zu mehreren rein optisch wirkenden Maßnahmen. Ein Teil der Mitarbeiter wurde (…) an eine kommunale Gesellschaft übertragen, um die Anzahl der verbliebenden Mitarbeiter optisch zu senken. (…)“

Unterm Strich kommt der hier zitierte Beitrag des Herrn Prof. Dr. Friedrich Thießen zu dem Ergebnis: In den Jahren der Konsolidierung tut sich die Kommune schwer, ihre fehlerhaften Strukturen zu reformieren. Neben einigen wenigen sachdienlichen Maßnahmen wird viel Energie auf Scheinmaßnahmen verwendet, beispielsweise auf Grundstücksverkäufe oder es werden Mitarbeiter in Tochtergesellschaften verschoben. Diese Scheinmaßnahmen verzögern den Beginn wirklicher Sanierungshandlungen oder lassen diese geringer ausfallen.

All das gilt – unter Berücksichtigung der spezifischen örtlichen Besonderheiten – auch für die Gemeinde Schermbeck.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, wir appellieren an Sie:

Konzentrieren Sie sich in der Zukunft auf die Kernaufgaben der Gemeinde Schermbeck! Die Teilnahme an Arbeitsgruppen, Projektgruppen, Lenkungsausschüssen, Tourismusvereinen, Regionale 2016 bindet Personalressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnten. Die Teilnahme an derartigen „Veranstaltungen“ mag für den einen oder anderen „kleidsam“ sein, zwingend erforderlich ist es nicht. Notwendig ist vielmehr die Erhaltung der kommunalen Infrastruktur, Schulen, Straßen, Wege etc. Hierauf sollten Sie Ihr Augenmerk konzentrieren! Dann ist Ihnen in jedem Fall auch die Zustimmung der FDP-Fraktion sicher.

Unter Berücksichtigung des mangelnden Konsolidierungswillens kann die FDP-Ratsfraktion dem Haushalt in der vorgelegten Form mit den beschlossenen Änderungen nicht zustimmen. Mit unserer Ablehnung des Haushaltes ist die Hoffnung verbunden, daß in der Zukunft ernsthafte Konsolidierungsbemühungen entfaltet werden.

Wir danken den Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung an dieser Stelle für ihre Bemühungen.

Mit freundlichen, liberalen Grüßen

gez.: Thomas M. Heiske

(Fraktionsvorsitzender)

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.