Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Kreis Wesel

BUND und Grüne haben eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Kreis Wesel eingeleitet

Die BUND-Kreisgruppe Wesel und der Schermbecker Ortsverband der Grünen haben über den Kreis Wesel eine Fachaufsichtsbeschwerde bei der Bezirksregierung Düsseldorf eingereicht. Dabei geht es um die Art und Weise, wie der Kreis Wesel Kontrollen auf der Nottenkämper-Abgrabung vorgenommen hat und um die mangelnde Bereitschaft der Kreisverwaltung, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Nottenkämper einzuleiten. Hier der Originaltext:

Beschwerde gegen den Kreis Wesel – Der Landrat

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit wird eine Beschwerde gegen den Kreis Wesel – Der Landrat wegen Untätigkeit erhoben.

Zwischen April 2010 und April 2015 sollen 30.000 t Ölpellets, vermischt mit Flugasche und Recyclingsand, sowie 5.000 t Kronocarb ohne abfallrechtliche Genehmigung auf die Verfüllung Mühlenberg, Schermbeck der Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG, verbracht worden sein.

Bei den Ölpellets handelt es sich um ein Abfallprodukt, das bei der Rohölproduktion anfällt und das ursprünglich bei den Ruhr Oel-Erdölraffinerien in Gelsenkirchen entstanden sein soll. Die Ölpellets wurden zunächst an das Kraftwerk Scholven zur thermischen Verwertung geliefert. Als dies in dem bisherigen Umfang nicht mehr möglich war, wurde mit Genehmigung der Bezirksregierung Münster zunächst der Abfallschlüssel geändert und die Ölpellets sodann unter einem neuen Abfallschlüssel zum Ankauf auf dem Abfallmarkt angeboten.

Der damalige Prokurist der Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG, der gleichzeitig auch als selbständiger Abfallmakler tätig war, veranlasste die Anlieferung und Einlagerung zu dem von der Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG unterhaltenen Standort Mühlenberg.

Diese Informationen erhielten Bürger und Kommunalpolitiker im Kreis Wesel erst durch einen Artikel in der Dorstener Zeitung vom 17.06.2017. Dabei wurde über die Eröffnung eines vor dem Landgericht Bochum wegen des Vorwurfs des Wirtschaftsbetruges geführten Strafverfahrens gegen 3 namentlich nicht benannte Personen berichtet. Die Kreisverwaltung Wesel hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht über die dem Strafverfahren zugrundeliegenden Vorgänge, nämlich die Anlieferung und Einlagerung der Ölpellets auf der Verfüllung Mühlenberg in Schermbeck informiert, obwohl sie spätestens seit dem 04.02.2015 Kenntnis hiervon hatte.

Erst auf ausdrückliche Anfrage des Kreistags wurde der vorstehend geschilderte Sachverhalt durch die Kreisverwaltung Wesel bestätigt und die mangelnde Information mit der Bitte der Staatsanwaltschaft Bochum um Vertraulichkeit begründet.

Diese Begründung ist bereits nicht überzeugend, denn in dem Zeitraum zwischen dem Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und der Eröffnung des Strafverfahrens durch Zulassung der Anklageschrift hätte eine Information der Politik und der Öffentlichkeit erfolgen können und müssen.

Seitens der Kreisverwaltung Wesel wird nunmehr behauptet, dass sowohl die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG als auch der Kreis Wesel ihren Kontroll- und Prüfpflichten voll umfänglich nachgekommen seien.

Dies begegnet jedoch erheblichen Zweifeln: Im Rahmen des derzeit vor dem Landgericht Bochum geführten Strafverfahrens ist Dr. Ulrich Malorny, Mitarbeiter des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), als Zeuge vernommen worden. Dabei erläuterte er im Rahmen seiner Zeugenaussage, dass das Schweröl in den auf dem Mühleberg abgelagerten Ölpellets bei den üblichen Untersuchungen, zu denen die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG verpflichtet war, hätte festgestellt werden müssen. In einer späteren schriftlichen Erklärung Dr. Malornys heißt es hierzu wie folgt: „Bei den Ölpellets handelt es sich um eine rußhaltige, schwarze schmierige Masse, welche einen stark mineralölhaltigen Geruch hat. Die Ölpellets (kleine Kügelchen) lassen sich mit anderen Stoffen nicht vermischen. Das schmierige Gemisch lagert sich nur um die Kügelchen herum ab. Beim Zerreiben kommt deutlich der schmierige mineralölhaltige Charakter zum Vorschein. Nach meiner fachlichen Meinung hätte das Material bei einer organoleptischen Ansprache (Ansprache über Sinnesorgane, z.B. nach Aussehen – Farbe, Konsistenz, makroskopische Inhaltsstoffe – und Geruch) auffallen müssen.“

Des Weiteren teilte Dr. Malorny mit, dass die Ölpellets von LANUV beprobt und untersucht wurden, sodass die Eigenschaften des Materials bekannt waren. Außerdem erklärte er, dass auch der Geruch für mineralölhaltige Produkte typisch sei.

Unter Zugrundelegung dieser Aussagen, die keinen Raum für eine andere Bewertung lassen, dürfte zweifelsfrei feststehen, dass die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG entgegen der Einschätzung der Kreisverwaltung Wesel die vorgeschriebenen und zwingend durchzuführenden Kontrollen des angelieferten Materials (rund 30.000 t Ölpellets und 5.000 t Kronocarb) nicht durchgeführt hat oder aber die Kontrollen zwar durchgeführt, die Testergebnisse aber ignoriert und eine weitere Anlieferung und Ablagerung wider besseren Wissens zugelassen hat. Beides stellt einen erheblichen Verstoß gegen bestehende Prüf- und Kontrollpflichten dar.

Insofern ist es nicht nachzuvollziehen, warum die Kreisverwaltung Wesel hier weiterhin die Auffassung vertritt, dass die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG Opfer einer illegalen Giftmüllentsorgung sei und ihr selbst keinerlei Pflichtverletzungen und Gesetzesverstöße anzulasten seien. Diese Einschätzung und rechtliche Bewertung kann angesichts des vorstehend geschilderten Sachverhalts nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr ist die Kreisverwaltung Wesel dazu verpflichtet, zumindest ein Bußgeldverfahren nach § 69 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) gegen die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG einzuleiten.

Die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG war bereits zuvor im Jahre 2001 auffällig geworden, als auf eine vorausgegangene Beschwerde von Bürgern hin festgestellt wurde, dass auf dem Gelände Mühlenberg 13.000 t ölhaltige Schlämme ohne die erforderliche Genehmigung gelagert wurden. Auch damals sah die Verwaltung des Kreises Wesel keine hinreichende Handhabe für die Verhängung eines Ordnungsgeldes (vgl. das in Ablichtung zur Kenntnisnahme anliegende Protokoll des Gemeinderats Schermbeck vom 26.09.2001).

Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass die Kreisverwaltung Wesel sich auch seinerzeit hinsichtlich der Handlungen und Anträge der Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG immer wieder als sehr nachsichtig bzw. entgegenkommend zeigte und die Rechtslage zugunsten der Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG interpretierte. Im Nachhinein zeigte sich dann, dass die zugunsten der Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG vorgenommenen Einschätzungen und Bewertungen rechtlich nicht haltbar waren und wiederholt auf ausdrückliche Weisung der Bezirksregierung Düsseldorf zuvor erteilte Genehmigungen zurückgenommen werden mussten. Hierbei ging es um einen Änderungsbescheid des Kreises Wesel, der die Ableitung des Niederschlags- und gereinigten Sickerwassers in den Gartroper Mühlenbach, den Steinbach und sonstige Gewässer genehmigte (1999) sowie um die Rücknahme des genehmigten Abfallkatalogs, weil die vom Kreis zugelassenen Abfallarten der Bezirksregierung für eine Verfüllung zu weitreichend waren (1999).

Die Bezirksregierung hielt die uhrglasförmige Abdeckung der Oberfläche des Mühlenbergs für nicht ausreichend, um eine zwingend notwendige und ausreichend dimensionierte Niederschlagsentwässerung zu gewährleisten. Die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG wurde daher in einem im Jahre 2005 geschlossenen Vertrag dazu verpflichtet, eine Überhöhung anzulegen.

Bis heute hat die Verfüllung mit Genehmigung des Kreises Wesel eine Höhe von 70 m erreicht. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf die damit einhergehende Beeinträchtigung des Landschaftsbildes nicht angemessen und ist – soweit hier bekannt – auch so in der Deponieverordnung nicht vorgesehen.

Im Hinblick auf die zwischen April 2010 und April 2015 ohne abfallrechtliche Genehmigung auf die Verfüllung Mühlenberg verbrachten 30.000 t Ölpellets hat die zuständige Staatsanwaltschaft Bochum zwischenzeitlich mitgeteilt, dass es nicht Ziel eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sei, festzustellen, ob hierbei maßgebliche öffentlich-rechtliche Vorgaben eingehalten wurden oder nicht und dass daher seitens der Staatsanwaltschaft Bochum auch nicht die Beprobungspraxis der Fa. Nottenkämper auf ihre öffentlich-rechtliche „Richtigkeit“ geprüft wurde und wird. In diesem Zusammenhang wurde vielmehr darauf hingewiesen, dass dies in den Aufgabenbereich der zuständigen Aufsichtsbehörde, hier also des Kreises falle.

Die Kreisverwaltung hingegen lehnt die Eröffnung eines Bußgeldverfahrens, in dessen Rahmen ein solcher Verstoß festgestellt werden könnte, bzw. die Verhängung eines Bußgeldes gegen die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG trotz der im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse weiterhin mit der Begründung ab, die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG sei Opfer eines Betrugs und habe die illegalen Anlieferungen nicht erkennen und feststellen können. Es wird daher hiermit Beschwerde erhoben mit dem Antrag, die Kreisverwaltung Wesel zu verpflichten, ein Bußgeldverfahren gegen die Fa. Hermann Nottenkämper GmbH & Co. KG einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Holger Schoel, Vorsitzender des Schermbecker Ortsverbandes Bündnis 90/Die Grünen

Günther Rinke

Vorsitzender BUND Kreisgruppe Wesel

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.