Die „Mutter der Station“

Hanni Iwanowsky begann vor 60 Jahren im Krankenhaus

 Schermbeck Als Hanni Iwanowsky am frühen Sonntagnachmittag die Gaststätte Nappenfeld betrat, traute sie ihren Augen kaum. Einige ihrer ehemaligen Arbeitskollegen sangen das Lied „Als Rosenkinder kommen wir und wünschen dir viel Glück“. Ein paar Freudentränen kullerten über die Wangen der 79-jährigen Schermbeckerin.

Erika Hindricksen hatte hinter Hanni Iwanowskys Rücken einige ehemalige Mitarbeiterinnen zusammengetrommelt, um Hanni Iwanowsky zu gratulieren: Vor genau 60 Jahren, am 1. Juni 1954, begann die gebürtige Dorstenerin, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Rhade wohnte und zunächst drei Jahre lang in einem Gladbecker Geschäftshaushalt arbeitete, eine einjährige Küchenlehre im damaligen Marien-Hospital an der Erler Straße. Nach Beendigung der Lehre arbeitete sie auf der Männerstation des Krankenhauses, das bis zur Umwandlung in ein Alten- und Pflegeheim im Jahre 1987 von Franziskanerschwestern betreut wurde. Zu den Belegärzten der Männerstation gehörten in den 1950er-Jahren Dr. Rainer Tüshaus, Dr. Gerhard Wahl und Dr. Karl Maaßen.

Hedwig Hegemann, Else Grote-Schepers, Waltraud Schuknecht, Elisabeth Aehling, Erika Hindricksen, Ulla Pattscheck, Barbara Hamann und Hanna Nappenfeld (stehend v.l.) überraschten ihre ehemalige Mitarbeiterin Hanni Iwanowsky (sitzend) am Sonntag mit einer Gratulationsfeier in der Gaststätte Nappenfeld. Foto Scheffler
Hedwig Hegemann, Else Grote-Schepers, Waltraud Schuknecht, Elisabeth Aehling, Erika Hindricksen, Ulla Pattscheck, Barbara Hamann und Hanna Nappenfeld (stehend v.l.) überraschten ihre ehemalige Mitarbeiterin Hanni Iwanowsky (sitzend) am Sonntag mit einer Gratulationsfeier in der Gaststätte Nappenfeld. Foto Scheffler

Das Waschen der Patienten gehörte ebenso zu ihren Aufgaben wie die Versorgung der Patienten mit Essen und das Herrichten der Betten. Zusätzlich hat sie die Arbeit im Waschhaus übernommen. Das Marien-Hospital war teilweise ein Selbstversorgerhaus. Vier Kühe und ein paar Schweine gehörten zum Tierbestand. Obst wurde eingeweckt. Da fiel sehr viel Arbeit an, sodass die Stationshelferinnen auch bei der Obsternte helfen mussten. Kartoffeln lieferten die Bauern der Umgebung. Im Gegenzug erhielten sie Küchenabfälle zum Verfüttern.

Acht Oberinnen hat Hanni Iwanowsky in sechs Jahrzehnten kennen gelernt: Bertrandine, Titziana, Telisia, Genezia, Adelia, Laurenza, Ursula und Ottokaris. Die Schwestern führten ein strenges Regiment. Vor allem achteten sie sorgsam darauf, dass die jungen Frauen, die im Krankenhaus ihren Dienst verrichteten, keinen Bohnenkaffee und keinen Alkohol tranken. „Wenn wir lieb und artig waren, dann gab es das heimlich auf der Bude bei Hanni“, erinnert sich Erika Hindricksen an manchen Abend auf dem Zimmer der älteren Mitarbeiterin Hanni Iwanowsky und ergänzt, „wer nicht brav war, bekam von ihr ordentlich die Leviten gelesen.“ Von den jüngeren Mitarbeiterinnen wurde Hanni Iwanowsky liebevoll als „Mutter der Station“ bezeichnet.

Ein langer Tag erwartete die Schwestern im Marien-Hospital. Um 5.30 Uhr in der Frühe wurden sie geweckt. Zwei- bis dreimal wöchentlich fand in der Hauskapelle ein Gottesdienst statt. Danach teilten sich die Schwestern auf. Manche arbeiteten in der Küche. Die übrigen wurden auf einer der drei Stationen eingesetzt: Männerstation, Frauenstation, ältere Menschen im dritten Stock. Nach einer einstündigen Mittagspause ging es weiter bis gegen 19 Uhr. Einmal wöchentlich hatten die Bediensteten frei. Spätestens um 22 Uhr war Zapfenstreich. Dann mussten auch die Twens wieder im Hause sein, erst recht die unter 20-Jährigen. Wer später kam, den fing die Nachtwache ab und dann ging es erst einmal eine Stunde lang zum Beten in die Kapelle.

Zu den Highlights im Jahresablauf gehörten die Feiern am Heiligabend im Aufenthaltsraum und der Ausflug mit den Nonnen.

Am 31. März 1995 wurde Hanni Iwanowsky vom Schwester Oberin Maria Ursula in den Ruhestand verabschiedet. Zehn Jahre Lang hat sie die Kapelle des Marienheims geputzt und blieb dadurch wenigstens dem einen „K“ ihrer drei Arbeitsplätze „Küche, Kapelle, Knöppe (Näherei)“ treu. H.Sch.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.