Der preußische König genehmigte eine Haus- und Kirchenkollekte

Vor 175 Jahren wurde ein neues Gotteshaus der Ludgerusgemeinde eingeweiht

Schermbeck Dort, wo sich heute der aus gelblichem Werkstein errichtete Bau der Ludgeruskirche erhebt, stand noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Vorläuferbau, der am 19. Oktober 1841 eingeweiht wurde.

Nach den Befreiungskriegen 1815 beantragte Pfarrer Budde die Erweiterung der viel zu kleinen Pfarrkirche“, berichtete Bruno Loewenau in der Pfarrchronik. Auch der Nachfolger Johann Georg Buddes, Wilhelm Nientiet, drängte auf einen Kirchenneubau, zumal am 22. Januar 1830 die Katholiken aus Schermbeck, Bricht und Overbeck eingepfarrt wurden. Eine Hauskollekte des Jahres 1829 erbrachte 1430 Taler. Neun Jahre später ergab eine vom preußischen König genehmigte Haus- und Kirchenkollekte 37209 Taler, die der König im Jahre 1840 um weitere 2000 Taler aufstockte.

Das Dach dieses Vorläuferbaus der heutigen Ludgeruskirche stürzte ein und machte einen Neubau erforderlich. Die Kirche stand in Ost-West-Richtung. Vorgelagert war die Küsterei. Der Eingang befand sich an der Erler Straße. Der Fotograf stand damals auf der heutigen Mittelstraße in Höhe der Branntweinbrennerei und Likörfabrik Tüshaus (heute „Rössmann“). Repro: Helmut Scheffler
Das Dach dieses Vorläuferbaus der heutigen Ludgeruskirche stürzte ein und machte einen Neubau erforderlich. Die Kirche stand in Ost-West-Richtung. Vorgelagert war die Küsterei. Der Eingang befand sich an der Erler Straße. Der Fotograf stand damals auf der heutigen Mittelstraße in Höhe der Branntweinbrennerei und Likörfabrik Tüshaus (heute „Rössmann“). Repro: Helmut Scheffler

Über die Größe des Gebäudes informieren eine Massenberechnung aus dem Jahre 1835 und der Erläuterungsbericht vom 3. Februar 1836. Der Bauinspektor Johann Christoph Teuto von der Münsteraner Regierung wies für das Kirchenschiff eine Länge von 25,12 Meter aus und eine Breite von 17,11 Meter.

Die Aufnahme zeigt den Vorläuferbau der heutigen Ludgeruskirche, der vor 175 Jahren eingeweiht wurde. Der Fotograf stand damals auf der Erler Straße etwa dort, wo sich heute das Geschäft Norma befindet). Der Turm zeigte damals nach Westen. Repro: Helmut Scheffler
Die Aufnahme zeigt den Vorläuferbau der heutigen Ludgeruskirche, der vor 175 Jahren eingeweiht wurde. Der Fotograf stand damals auf der Erler Straße etwa dort, wo sich heute das Geschäft Norma befindet). Der Turm zeigte damals nach Westen. Repro: Helmut Scheffler

Am 26. März 1840 wurde das letzte feierliche Hochamt in der alten Kirche gehalten. Bereits am 28. April 1840 wurde der Grundstein für den Kirchenneubau gelegt. In diesen wurde eine lateinische Urkunde gelegt, deren sinngemäße Übersetzung in der Ludgerus-Festschrift des Jahres 1965 abgedruckt wurde: „Im Jahre des Heils 1840, am 28. April, unter dem Pontifikat Papst Gregors XVI., zur Zeit der Regierung des Preußischen Königs Friedrich Wilhelms III., unter dem Episkopat des Bischofs zu Münster, Caspar Maximilians Freiherrn Droste zu Vischering, unter dem Präsidenten der Provinz Westfalen, Freiherrn von Vincke, und unter Graf Ferdinand von Merveldt, dem Patron dieser Kirche, hat Wilhelm Nientiet als hiesiger Pfarrer mit Ermächtigung des Bischofs diesen Grundstein zum Kirchenneubau unter Anrufung des hl. Ludger, des Patrons der Kirche zu Altschermbeck, nach heiligem feierlichen Brauch unter reger Anteilnahme der Gemeinde geweiht und gelegt. Zur Seite standen ihm: Freiherr Christoph Droste zu Senden, Landdechant der Pfarre zu Lembeck, Franz Lohede, Pfarrer zu Erle, Joseph Drecker, Pfarrer zu Holsterhausen; Caspar Gröning, bischöflicher Gesandter des Konventes zu St. Ursula in Dorsten und Theodor Eilertz, hiesiger Vikar.“

Das Foto zeigt die Innenansicht jener Kirche, die 1841 eingeweiht wurde und im Jahre 1913 einstürzte, sodass ein Neubau erforderlich wurde. Repro: Helmut Scheffler
Das Foto zeigt die Innenansicht jener Kirche, die 1841 eingeweiht wurde und im Jahre 1913 einstürzte, sodass ein Neubau erforderlich wurde. Repro: Helmut Scheffler

Eine Baubeschreibung der Kirche ist erhalten geblieben, die Wolfgang Neugebauer in den „Monatsblättern für Landeskunde und Volkstum Westfalens“ vorstellte: „Die fünfachsige, geostete, mit einem Satteldach überdeckte frühere Kirche schloß an der Westseite den vorhandenen Turm ein und besaß im Osten einen Chor mit 5/8-Schluß, an den beiderseits niedrige Sakristeianbauten angefügt waren. Das Mauerwerk bestand aus quaderförmigen, hammergerecht behauenen, im Verband vermauerten Natursteinen mit durchlaufenden Lagerfugen. Es ruhte auf einem niedrigen Natursteinsockel. Die Nord- und Südansichten der Kirche waren spiegelbildlich gleich. In der Mittelachse jeder Längsseite lag ein Eingang. Die Seitenportale besaßen satteldachförmige Überdachungen und Türen mit horizontalem Sturz. Für die Ostansicht war der Choranbau bestimmend, der an der Apsis zwei Fenster besaß. Vermutlich wurde auch der Geräteraum nördlich des Chores durch ein kleines Fenster an der Ostseite belichtet, während die Sakristei wahrscheinlich einen Außeneingang hatte. Alle Dächer waren schiefergedeckt. Der spitze Turmhelm hatte die Form einer achtseitigen Pyramide und trug Kegel, Kreuz und Hahn. Auf den Dachflächen des Schiffes saß in der Achse der Seitenportale je eine mit einem Satteldach überdeckte Gaupe. Das Chordach, dessen First gegenüber dem Hauptdach etwas niedriger lag, schloß an den Ostgiebel der Kirche an und war zur Apsis hin abgewalmt.“

Unter tatkräftiger Mithilfe der Pfarrangehörigen schritt der Neubau rasch voran. Am 19. Oktober 1841 nahm Weihbischof Dr. Franz Arnold Melchers in Gegenwart von 26 Geistlichen und der politischen Repräsentanten die Einweihung vor.

Das Innere der Ludgeruskirche des 19. Jahrhunderts war lange Zeit unbekannt. Bei Aufräumungsarbeiten im Archiv der Kirchengemeinde fand Willy Tasse vor über einem Vierteljahrhundert das Foto vom Inneren. Man erkennt darauf den dreischiffigen, verputzten Kirchenraum. Vom Chor aus waren durch einflügelige Türen die seitlich angebaute Sakristei und der Geräteraum zu erreichen. Während das Mittelschiff und der um vier Stufen erhöhte Chor von einem Holzgewölbe in halber Ellipsenform überspannt wurden, deckten flache Holzbalkenlagen die Seitenschiffe ab. Über den Stützenreihen waren Längsunterzüge aus Holz angeordnet. Alle Deckenflächen trugen unterseitig Bretterschalungen, Rohrungen und Putz. In den Seitenschiffen leiteten Hohlkehlen von den decken zu den Wänden über. Der Kirchenfußboden war mit quadratischen Sandsteinplatten ausgelegt. Die auf vier Stützen ruhende hölzerne Orgelempore, zu der zwei Holztreppen hinaufführten, stand an der Turmseite des Innenraumes.

An der neuen Kirche stellten sich schon bald bauliche Mängel ein. Zudem entsprach sie nach den Feststellungen Bruno Loewenaus in ihrer Größe auch nicht mehr den Anforderungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Schon im Jahre 1895 gab es Pläne für eine neue Kirche. Für den geplanten Neubau hatte Pfarrer Carl Koch bereits vor seinem Tode am 17. Dezember 1895 in Dülken 30 000 Mark in seinem Testament vermacht. Diese von einem Münsteraner Architekten entworfene Kirche wurde jedoch niemals verwirklicht. Vielleicht lag es daran, dass im selben Jahr 1895 der Pfarrer Carl Koch starb, der als Initiator eines Kirchenneubaus angesehen wird. Wäre die Kirche damals nach den Plänen des Jahres 1895 gebaut worden, hätte sie noch ihre ehemalige Ost-West-Ausrichtung.

Fast zwei Jahrzehnte später brachen während einer Sonntagsmesse Teile des Kirchendaches ein. Stephan Schulzes Bericht aus dem Jahre 1990 lässt die Gründe für den Einsturz erahnen: „Das Fundament wurde zu wesentlichen Teilen mit dem Material der mittelalterlichen Vorgängerkirche hergestellt, der romanische Turm aus dem 12. Jahrhundert blieb ganz erhalten. Das Gewölbe der dreischiffigen Kirche wurde von Holzsäulen getragen. So kam denn schließlich, was kommen mußte: Die ältesten Mitglieder unserer Pfarrgemeinde wissen zu berichten, daß mitten in der Feier der Sonntagsmesse ganz unvermittelt ein Teil des Kirchendaches einbrach und auf die ´Frauenseite`, also die linke Bankreihe, herabstürzte. Ernstlich verletzt wurde gottlob niemand, das Hochamt konnte natürlich nicht fortgesetzt werden, und die Kirche wurde einen Tag später baupolizeilich geschlossen.“

Nach dem Abriss des Vorläuferbaus aus dem Jahre 1841 diente diese Notkirche in den Jahren 1913 bis 1915 als Ersatz-Gotteshaus. Repro: Helmut Scheffler
Nach dem Abriss des Vorläuferbaus aus dem Jahre 1841 diente diese Notkirche in den Jahren 1913 bis 1915 als Ersatz-Gotteshaus. Repro: Helmut Scheffler

Nun war Eile geboten. Der Kirchenvorstand nahm sich in seiner Sitzung am 18. November 1912 vor, vorab einige Kirchen zu besuchen, „um sich schlüssig zu werden, in welcher Stilart die neue Kirche ausgeführt werden soll.“ Der endgültige Baubeschluss wurde am 8. August 1913 gefasst. Der siebenköpfige Vorstand beschloss unter der Leitung des seit dem 7. Juni 1910 in Altschermbeck amtierenden Pfarrers Johannes Vrey, „die neue Kirche zu bauen nach den Plänen des Architekten Prof. Becker aus Mainz.“ 140 000 Mark wurden als Bausumme bewilligt.

„Am nächsten Sonntag-Nachmittag um 4 ½ Uhr wird Herr Dechant Sturmann von Osterfeld in feierlicher Weise den Grundstein zu unserer neuen Kirche legen“, schrieb die „Dorstener Volkszeitung“ am 31. Juli 1914 und mutmaßte: „Der Bau, welcher schon mächtig gefördert ist, wird allem Anscheine nach ein schönes Gotteshaus, eine Zierde für unsern Ort werden.“

Nach der Grundsteinlegung am 2. August 1914 ging der Aufbau unter der Leitung des Mainzer Dombaumeisters und Architekten Ludwig Becker zügig voran. Wegen der größeren Ausmaße der neuen Kirche erfolgte eine Nord-Süd-Ausrichtung. Die Einweihung der neuen (heutigen) Kirche erfolgte am 21. Dezember 1915 durch Bischof Johannes Poggenburg. H.Scheffler

Vorheriger ArtikelGründungsmitglied ist jetzt der Chef des BVB-Fan-Clubs
Nächster ArtikelRadwandern durch den herbstlichen Wald
Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.