Eine Bereicherung für die Gahlener Heimatscheune

Gisela Anschütz schenkte dem Heimatverein eine 58 Jahre alte Heißmangel
Schermbeck Besucher der Gahlener Heimatscheune „Olle Schuer“ werden im kommenden Jahr eine weitere Rarität besichtigen können. Gisela und Jürgen Anschütz aus Bricht haben dem Heimatverein Gahlen eine große Heißmangel geschenkt.

Die Heißmangel der Firma Miele wurde im Jahre 1958 gebaut. Im selben Jahr eröffnete Anni Vengels, die Mutter von Gisela Anschütz, in der Schermbecker Bachstraße ihren Wäschemangel-Betrieb. „Meine Eltern haben die Heißmangel im Schermbecker Elektrogeschäft von Hermann Vengels gekauft“, berichtet Gisela Anschütz. Der Elektro-Lehrling Fritz Kretschmann half beim Aufbau der 1,5 Tonnen schweren Heißmangel in der Bachstraße.

Dennis Tillmann, der Cousin von Gisela Anschütz, Jürgen Anschütz und Herbert Gülker halfen ebenso beim Transport der Heißmangel wie Gerhard Becks, Wolfgang Jörgens, Gisela Anschütz (v.l.) und – nicht abgebildet – Jürgen Höchst. Foto: Jürgen Höchst.

Als Anni Vengels im Jahre 1963 ihren Betrieb in den Siegelhof verlegte, half Fritz Kretschmann wieder mit, das große Gerät zu transportieren und vor Ort betriebsbereit aufzustellen. „Etwa acht Leute halfen damals mit, die Heißmangel über eine Rampe aus Gerüstbalken auf einen Anhänger zu schieben“, erinnert sich Jürgen Anschütz an den Transport. Als der von einem Traktor gezogene Anhänger am Siegelhof ankam, wurde die Heißmangel über eine Rampe abgeladen und durch ein großes Fenster ins Kellergeschoss befördert.

Da es in Schermbeck keine weitere Mangel gab, war der Andrang entsprechend groß, um großformatige Wäschestücke wie Bettwäsche oder Tischdecken nach dem Waschen zum Siegelhof zu bringen, wo sie von Anni Vengels und einer Mitarbeiterin per Heißmangel fein gebügelt wurde. Ein Wäschestück musste vorsichtig an eine mit Stoff bespannte Rolle herangedrückt werden, wurde danach unter hohem Anpressdruck durch eine beheizte Metallmulde gezogen. Dabei wurde die Wäsche gleichzeitig gebügelt und getrocknet.

Bis zum 16. Dezember 2016 arbeiteten Monika Becker und Gisela Anschütz (v.r.) im Betrieb am Siegelhof an jener Heißmangel, die jetzt im Gahlener Museum „Olle Schuer“ steht. Foto: Jürgen Anschütz

Da nicht jedes Wäschestück derselben Temperatur beim Mangeln ausgesetzt werden konnte, hatte sich Anni Vengels einen Trick einfallen lassen. In der morgendlichen Aufheizungsphase, die etwa eine halbe Stunde dauerte, wurden Wäschestücke gemangelt, die keine hohen Temperaturen vertragen konnten. Auch in der Abkühlphase am Abend wurden diese Wäschestücke bevorzugt.

Wilhelm Vengels, der hauptberuflich Postbeamter in Gahlen war, half beim Ausliefern der gemangelten Wäsche. Mit seinem Combi brachte er die Wäsche auch zum Gahlener Hotel „Zur Mühle“, sodass die Mangel an ihrem neuen Standort auch einen engen Bezug zum Lippedorf Gahlen erhält. Zu den Kunden gehörte auch die Baronin vom Schloss Gartrop. „Sie brachte haufenweise Servietten und legte immer großen Wert darauf, dass ihre Wäschestücke so gefaltet wurden, dass ein Krönchen oben rechts zu sehen war“, erinnert sich Gisela Anschütz an ganz spezielle Faltwünsche von Kunden. Beim Ausliefern von gebügelter Wäsche im Nahbereich halfen sie und ihre Schwester Petra ebenfalls der Mutter.

Bis zum 16. Dezember 2016 arbeiteten Monika Becker und Gisela Anschütz im Betrieb am Siegelhof an jener Heißmangel, die jetzt im Gahlener Museum „Olle Schuer“ steht. Foto: Jürgen Anschütz

Beruflich bedingt, zogen Jürgen und Gisela Anschütz nach Kerpen. Als das Ehepaar im Jahre 1975 nach Schermbeck zurückkehrte, half Gisela Anschütz ihrer Mutter beim Mangeln, sofern der Haushalt und die Erziehung ihrer vier Kinder ihr die Zeit dazu ließen. 1991 übernahm sie den Betrieb von der Mutter. Mit Monika Becker, die bereits in der Mitte der 1980er-Jahre Anni Vengels unterstützte, hat sie 25 Jahre lang mit Hilfe der jetzt nach Gahlen abgegebenen Miele-Heißmangel für Kunden aus Schermbeck und seinen Nachbargemeinden Wäsche gebügelt. „Eine Kundin aus der Schweiz brachte mehrere Jahre lang bei ihren Besuchen in Schermbeck Wäsche zum Mangeln mit“, kann sich Gisela Anschütz an nicht alltägliche Aufträge erinnern. Dazu gehörte auch eine Niederländerin, die ihre Freundin in Gahlen regelmäßig besuchte und nebenbei die Wäsche in Schermbeck mangeln ließ. Für Kunden aus den Außenbezirken Schermbecks versuchten Gisela Anschütz und Monika Becker es so einzurichten, dass sie die Wäsche mangelten, während die Kunden ihre Einkäufe im Ort erledigten.

Am 16. Dezember wurde der letzte Arbeitstag mit ein wenig Sekt beendet. Im letzten Korb gebügelter Wäsche, der noch ausgeliefert werden musste, befanden sich Tischtücher für die Gaststätte Overkämping.

„Ich wollte die Maschine nicht einfach dem Klüngelskerl übergeben“, begründet Gisela Anschütz die Suche nach einem Abnehmer. Ein Anruf bei den Miele-Werken blieb erfolglos, weil die Firma schon über ein solches historisches Stück verfügte. Es gab einen Interessenten aus der Branche, aber der war auf der Suche nach einer mit Gas arbeitenden Mangel. Als die Gahlenerin Birgitt Vengels von der Bereitschaft zur Abgabe der Mangel erfuhr, nahmen sie und ihr Mann Detlef Kontakt zu ihrem Cousin Jürgen Höchst auf. Als Vorsitzender des Gahlener Heimatvereins war er sofort interessiert. Es gelang ihm, auch weitere Vorstandsmitglieder zur Übernahme der Mangel zu motivieren.

Am 28. Dezember rückten die Gahlener HV-Mitglieder Jürgen Höchst, Herbert Gülker, Wolfgang Jörgens und Gerhard Becks mit einem Pkw und einem Anhänger an. Eigentlich sollte die Mangel in Teile zerlegt werden. Die Einzelteile hätten dann auf dem Anhänger verladen werden können. Doch das Zerlegen erwies sich als zu schwierig. Also musste ein neuer Anhänger her. Der Dorstener Garten- und Landschaftsbauer Eckhard Vornbrock erwies sich wieder einmal spontan als HV-Unterstützer und stellte einen großen Anhänger zur Verfügung. Die Schreinerei Ralf Becks aus Gahlen steuerte Rollbretter und zwei hydraulische Hubwagen bei.

Auf dem Rückweg von Gahlen-Nord ins Lippedorf schloss sich Rico Isselhorst der Gruppe an. Im Museum „Olle Schuer“ konnte jede Hand gebraucht werden. Wie kriegt man eine Mangel in einem Raum, wenn sie zwei Zentimeter breiter ist als die Tür zum Mehrzweckraum? Gerhard Becks schraubte zunächst ein seitlich angebrachtes Kurbelrad ab. Herbert Gülker und Jürgen Höchst griffen zu Hammer und Meißel, um seitlich am Mauerwerk so viel abzuschlagen, dass die Mangel millimetergenau hindurchpasste.

Im Museum „Olle Schuer“ steht sie nun in einem Raum, den die Landtechnikfreunde künftig als Aufenthaltsraum benutzen wollen. Dort soll die Mangel ab und zu in Betrieb genommen werden. Für den Betrieb braucht niemand extra ausgebildet zu werden, denn Gisela Anschütz ist bereit, Mitglied der Waschfrauen-Gruppe des Heimatvereins zu werden. In dieser Funktion wird sie dann beim nächsten Tennenfest am 10. September 2017 den Besuchern zeigen, wie man eine Heißmangel richtig bedient. H.Scheffler

 

 

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.