387 kleine Knoblauchkröten in der Dammer Lippeaue

387 Knoblauchkröten finden eine neue Heimat im Kreis Wesel

Einmalig im gesamten Kreis Wesel
Schermbeck In Nordrhein-Westfalen sind Knoblauchkröten sehr rar geworden. Im Kreis Wesel hatten sich die braun gefleckten Erdbewohner schon seit mindestens zwei Jahrzehnten fast komplett verabschiedet. Seit gestern haben gleich  gefunden und dabei verhelfen die Amphibien dem Schermbecker Ortsteil Damm zu einem Alleinstellungsmerkmal im Bereich der Tierwelt.

Norbert Menke und Johanna Siewers beteiligten sich an der Aussetzung von 387 Knoblauchkröten ebenso wie Hartmut Neuenhoff, Mike Rexforth, Wilhelm Itjeshorst und Rita Steinkamp (v.l.). RN-Foto Scheffler
Norbert Menke und Johanna Siewers beteiligten sich an der Aussetzung von 387 Knoblauchkröten ebenso wie Hartmut Neuenhoff, Mike Rexforth, Wilhelm Itjeshorst und Rita Steinkamp (v.l.). Foto: Helmut Scheffler

Die Ansiedlung der Knoblauchkröte ist Teil eines im Jahre 2014 begonnenen Projektes der Biologischen Station des Kreises Wesel (BSKW), das durch den Kreis Wesel und durch die NRW-Stiftung finanziert wird. „Anfang der 1990er-Jahre gab es noch einige Knoblauchkröten in der Lippeaue“, berichtete gestern der Diplom-Biologe Wilhelm Itjeshorst, der als BSKW-Mitarbeiter das Naturschutzgebiet Lippeaue seit Ende der 1980er-Jahre betreut, und ergänzte, „wir gingen später davon aus, dass sie hier ausgestorben sind.“ Dass die wenigen Rest-Exemplare entdeckt wurden, ist Christian Chmela, dem Leiter der Biologischen Station Bonn, zu verdanken, der in Damm aufgewachsen ist und in seiner Heimat weiterhin gerne forschend unterwegs ist.

Im März 2016 gelang es mit Hilfe eines Amphibienfangzauns, acht Knoblauchkröten in der Dammer Lippeaue zu fangen. Im April wurden diese sechs Männchen und zwei Weibchen von der NABU-Naturschutzstation Münsterland e. V. übergeben. Dort hat man bereits im Jahre 2012 mit dem Artenschutzprojekt LIFE 11 NAT/DE/348 „Schutz der Knoblauchkröte“ begonnen. Dazu gehört unter anderem die Nachzucht. „Bereits nach zwei Tagen laichten die Weibchen“, berichtete gestern der NABU-Mitarbeiter Norbert Menke. Bereits im Juni wurden etwa 2000 Kaulquappen registriert.

387 Knoblauchkröten mit einem Gewicht von mehr als 15 Gramm wurden gestern von Westfalen aus ins rheinische Damm gebracht und auf einer Weide der Familie Steinkamp in der Lippeaue ausgesetzt. Itjeshorst dankte Rita Steinkamp für ihre Zustimmung zur Aussetzung. Die tat`s gerne, weil es ganz im Sinne ihres verstorbenen Mannes Reinhard gewesen wäre, weil dieser seit Jahrzehnten dem Naturschutz gegenüber sehr aufgeschlossen war und als erster Landwirt im Regierungsbezirk Düsseldorf Ende der 1980er-Jahre dem Vertragsnaturschutz zustimmte. Auch der Dammer Landwirt Hartmut Neuenhoff, der die Steinkamp-Weide derzeit bewirtschaftet, stimmte der Projektdurchführung auf der Weide zu.

Gleich 387 solcher Knoblauchkröten wurden gestern in der Dammer Lippeaue ausgesetzt. Foto: Helmut Scheffler
Gleich 387 solcher Knoblauchkröten wurden gestern in der Dammer Lippeaue ausgesetzt. Foto: Helmut Scheffler

Die etwa 3 Zentimeter großen Kröten konnten es kaum erwarten, bis Norbert Menke und die Diplom-Landschaftsökologin Johanna Siewers als Projektleiterin der BSKW im Beisein des Schermbecker Bürgermeisters Mike Rexforth die Klappdeckel der Kiste öffneten und die kleinen Kröten von der schützenden Sanddecke befreiten. Für den Rest sorgte strahlender Sonnenschein. Den mochten die nachtaktiven Kröten gar nicht und hatten nichts besseres zu tun, als sich möglichst schnell in den sandigen Boden zu verkriechen.

Bis zu 20 Zentimeter tief kriechen die Kröten ins Erdreich. „Sie sind Spezialisten und einmalig unter unseren Amphibien“, stellte Norbert Menke fest und fügte hinzu, „sie leben den Großteil des Jahres eingegraben im Boden und können sich je nach Grundwasserstand tief einbuddeln, im Winter bis zu einem Meter.“ Die Tiere atmen über die Haut. Wichtige Voraussetzungen für das Leben im Boden sind eine„Schaufel“ und ein zum Graben gut geeigneter Boden. Den haben sie in den sandigen Ablagerungen der Lippe in Damm reichlich. Die „Schaufeln“ haben sie auch. An den Fersen ihrer Hinterbeine befinden sich harte Schwielen, die als Grabeschaufeln benutzt werden, und auf dem Hinterkopf – quasi als Helm – haben sie einen Scheitelhöcker, der ihnen beim Gang durchs Erdreich nach oben hilft.

Die jetzt ausgesetzten Kröten benötigen etwa drei Jahre bis zur Geschlechtsreife. Johanna Siewers hofft, dass dann in der Lippeaue ein größerer Bestand entstehen kann. Bereits in etwa drei Wochen rücken Bagger in der Lippeaue an, um neben einem jetzt bestehenden Laich-Gewässer vier weitere anzulegen. Die Arbeiten auf Flächen des Landes NRW und der NRW-Stiftung werden aus EU-Mitteln finanziert.

Damm soll nicht der einzige Standort für Knoblauchkröten im Kreis Wesel bleiben. Einen weiteren Standort wird es aber erst dann geben können, wenn die im Herbst anstehende Beratung über die Vergabe von EU-Mitteln ergibt, dass Geld bereitgestellt wird. H.Scheffler

Im Gegensatz zu den lautstarken Fröschen in Teichen sind Knoblauchkröten weitaus ruhigere Gesellen. Die Rufe sind wesentlich leiser und klingen etwa wie „wock…wock“ oder „klock…klock.“ Für das menschliche Ohr sind die Rufe am besten wahrnehmbar, wenn man direkt im oder am Wasser steht oder ein Hydrophon benutzt.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.