In der Nacht von Montag auf Dienstag kam es in Raesfeld zu einem weiteren Wolfsriss, der die Weidetierhalter der Region erneut in Alarmbereitschaft versetzt. Zwei Schafe wurden aus einer Herde von 15 Schafen sofort getötet, weitere Schafe schwer verletzt. Die Zahl der Wolfsangriffe in der Förderkulisse Westmünsterland steigt damit weiter auf sieben Angriffe an.
Der Schäfer Christian Ostendorf ist erschüttert: „Der Wolf hat keine Angst mehr vor Menschen“, betont er. Der Angriff fand unmittelbar an seinem Wohnhaus statt, wo Schafe direkt unter dem Schlafzimmerfenster seiner Eltern gerissen wurden. Dies war bereits der siebte Vorfall in der Gemeinde Raesfeld innerhalb weniger Wochen.
Wolfsriss am Regenrückhaltebecken: Eine zunehmende Bedrohung
Der jüngste Wolfsriss ereignete sich nahe des Regenrückhaltebeckens in Raesfeld, direkt im Naturschutzgebiet. Es war nicht der erste Vorfall, wie Ostendorf berichtet: „Es gab bereits einen Riss am 23. Januar bei mir in unmittelbarer Nähe, aber nun kam der Wolf bis an unser Haus.“ Diese Weide habe Ostendorf bereits aufgegeben. „Sie wird nur noch für Heu mach genutzt. Und in dem Gebiet brauche ich auch gar nicht mehr mit Schafen aufschlagen, weil halt der Wolf hier direkt ansässig ist. Der läuft da halt stetig rum“.
In Ruhe gefressen
Die Schaf-Weide war mit einem Zaun nach Förderrichtlinien mit einer Höhe von 1,20 und mit stromführender Litze eingezäunt. Durch den Wolfsangriff gerieten die Schafe in Panik und trampelten den Schutzzaun nieder. Dadurch konnte sich der Wolf sich ungehindert über die gesamte Weide bewegen. „Er ist über die Weide, am Schlafzimmer meiner Eltern vorbei, und dann ums Haus herum auf die andere Wiese gelaufen“, schildert Ostendorf die dramatische Szene. Dort riss der Wolf ein weiteres Schaf und fraß es. „Quasi hat er sich genüsslich niedergelassen und in aller Ruhe gefressen“, fügte Ostendorf hinzu. Die Nähe zum Wohnhaus erschüttert die Familie zutiefst.
Wölfe verlieren ihre Scheu vor Menschen
Besonders alarmierend sei, dass die Wölfe inzwischen alle Scheu vor Menschen verloren haben. „Der Wolf hat sich dort zum Fressen niedergelassen, wo es überall nach Menschen riecht, wo Kinder auf der Wiese spielen“, erklärt Ostendorf weiter. Die Tiere kommen in aller Ruhe, selbst nachts oder in den frühen Morgenstunden, um Schafe zu reißen, und das direkt unter den Fenstern der Bewohner.
In dieser Nacht versetzten die Wölfe die gesamte Schafherde in Panik. Die Tiere rannten über die Weide, um das Haus herum und auf eine weitere Wiese, wo weitere Schafe schwer verletzt wurden. Eines der Tiere wurde gefressen.
Tragische Folgen für die Schafe
Die verletzten Schafe zeigen deutliche Spuren des Wolfsangriffs. Der sogenannte Kehlbiss wurde bei mehreren Tieren festgestellt, was bedeutet, dass die Verletzungen so schwerwiegend sind, dass die Schafe eingeschläfert werden müssen. „Die Schafe werden wahrscheinlich nicht zu retten sein“, bedauerte Ostendorf. Der Tierarzt wurde sofort informiert, doch für einige Tiere kommt jede Hilfe zu spät.
Handaufzucht von der Tochter
Besonders schmerzhaft für die Familie ist der Verlust der von Hand aufgezogenen Schafe. „Das waren oft Drillinge, die meine Tochter mit der Flasche großgezogen hat. „Sie sind zutraulich und vertraut mit dem Hof, deshalb sind sie uns so ans Herz gewachsen“, erklärt Ostendorf.
Fehlende Scheu vor Menschen als größtes Problem
Ostendorf sieht in der fehlenden Scheu des Wolfes das größte Problem. „Ich habe einige Videos gesehen, in denen der Schäfer direkt bei seiner Herde war, und der Wolf trotzdem hineingegangen ist“, sagt er. Diese Angstlosigkeit der Wölfe müsse gestoppt werden, fordert der Schäfer. „Wenn der Wolf wieder lernt, das Territorium des Menschen zu meiden, hätten wir viele Probleme nicht.“
Strengere Regularien zur Entnahme von Wölfen
Ostendorf verlangt daher strengere Regularien zur Entnahme von Wölfen, die sich ungehindert in besiedelten Gebieten bewegen. „Der Wolf wird dadurch nicht aussterben. Es gibt genügend Regionen, in denen er heimisch geworden ist, ohne dass es zu solchen Problemen kommt. Dort wird er sogar akzeptiert.“
Bedrohung für Weidetierhaltung und Landschaftspflege
Durch die zunehmenden Wolfsrisse werden viele kleine Hobbyhalter und größere Schäfereien gezwungen, aufzugeben. Dies hat nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen, sondern betrifft auch die Landschaftspflege. „Flächen, die normalerweise von Schafen gepflegt werden, bleiben ungenutzt“, warnt Ostendorf. Er nennt als Beispiel die Deiche, die traditionell von seinen Schafen beweidet werden, oder Flächen wie die ehemalige Mülldeponie in Hoxfeld. „Diese Fläche muss jedes Jahr mit Schafen verdichtet werden. Maschinell ist das gar nicht möglich.“
Die wachsende Wolfspopulation in Ballungsgebieten wie Nordrhein-Westfalen stellt somit nicht nur eine Bedrohung für die Weidetierhaltung dar, sondern gefährdet auch den Erhalt wichtiger Kulturlandschaften und die Arbeit, die Schafe bei der Pflege dieser Flächen leisten.