Schermbeck – ein gallisches Dorf im Nirgendwo?

In der April-Ausgabe der AGS-Nachrichten wird über die Gründung der Schermbecker AGS berichtet.

Schermbeck liegt irgendwie irgendwo. Es ist nicht richtig Ruhrgebiet, es ist nicht richtig Niederrhein, und Münsterland ist es auch nicht. Es ist schön – keine Frage! Eine Kleinstadt mit 13.500 Einwohnern. Immerhin. Gemütlich ist es auch und von der CDU regiert sowieso.

Es hat auch einen Klüngel, den man hier aber Seilschaft nennt. Uralt, erprobt, schlicht ein Boll werk. Selbstverständlich dominiert von den örtlichen Unternehmern. Man kennt sich, man gibt sich, man hat sich eingerichtet. Die SPD? Knapp 19%, aber damit schon zweitstärkste Fraktion! Die letzte Bürgermeisterwahl? Knapp 90% für die CDU. Nein, nein, Schermbeck liegt nicht in Bayern, da wären sie ja froh, sie hätten solche Wahlergebnisse. Aus ge rech -net dort eine AGS gründen? Bei den wenigen Einwohnern? Bei dieser CDUDominanz? Wenn nicht dort, wo dann? Nein, wir sind nicht weltfremd und auch kein kleines gallisches Dorf, das nur mit dubiosen Drogen in einem Zaubertrank einer Übermacht die Stirn bietet. Zwei durchgeknallte Franzosen haben wir leider auch nicht. Wir haben die AGS Schermbeck trotzdem gründen können. Zugegeben, es waren am Anfang nur Drei. Immerhin aber einer mehr als bei den Galliern! Le voilà!

Warum gerade dort eine AGS gründen? Vier einfache Gründe: In kleinen Kommunen ist das Ver hält nis der Selbstständigen zu den übrigen Erwerbs formen meist grösser als anderswo. Unternehmer finden kaum organisierte Ansprechpartner oder Organisationen, die sich explizit um eine so kleine Kommune kümmern – und wenn, sind das oft nichts anderes als neue Spielformen der alten Seilschaften. Drittens, man fällt direkt auf. Und, vor allem, die heimlichen Könige, Fürsten und ihre Vasallen sind träge, satt und kreisen nur noch um sich selber.

So hatte und hat die Gründung der AGS Schermbeck einen entsprechenden Widerhall in der Presse gefunden, es gibt eine weitaus größere Nachfrage nach unserem Newsletter oder weiteren Treffen etc., und man wird fast überall darauf angesprochen. Damit haben wir, in der Art und Weise, nicht gerechnet. So gesehen, fühlen wir uns tatsächlich ein wenig wie der kleine und der dicke Gallier, die nur Angst haben, dass Ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Es macht mehr als Mut, wir denken, es ist auch eine Blaupause für uns alle, die wir in der AGS oder in der SPD auf dem Land leben, oder überall da, wo man scheinbar nur ein kleines gallisches Dorf im Nirgendwo ist. Wir in Schermbeck haben also doch einen Zaubertrank gefunden.

Die geheimen Ingredentien stammen nur nicht aus einem Zauberwald, wo merkwürdige bärtige alte Zottel in Bäumen hängen. Nein, Bärte haben  wir nicht und goldene Sicheln auch nicht. Die Zutaten sind so simpel, dass man sich eigentlich kaum traut, sie aufzuschreiben: Ein bisschen Mut, ein bisschen Tatkraft und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. Vor allem Letzteres. Wir wissen, dass wir einer Bewegung angehören, die seit 150 Jahren in diesem Land definiert und vorlebt, was Fortschritt ist. Wir waren und sind die Speerspitze von notwendigen Veränderungen, und wir standen immer dort, wo Menschen alleine und ohneUnterstützung waren. Kurz, wo wir sind ist Vorne. Zugegeben, es ist verkürzt, es gibt Ausnahmen, die allerdings nur die Regel bestätigen. Diese Überzeugung, diese Historie ist für uns in Schermbeck die Basis für unser Selbstbewusstsein. Das spüren die Menschen um uns herum. Das ist die Basis für den Zaubertrank. Einfach an sich glauben. Als PR-Berater und Unternehmer weiß ich, dass dieser Glaube nicht alles ist. Aber eines weiß ich auch: ohne diese Selbstüberzeugung, ist alles andere nichts. Wer führen will, wer Ric tungen aufzeigen will, muss klar und deutlich sagen: Ich führe, weil ich weiß, wo vorne ist! Die Richtung für dieses Vorne werden wir jetzt mit einer Fragebogenaktion näher definieren. Sehr simpel gestrickt, nur eine Seite lang und weitweg von professionellen Frage ungetümen, werden wir persönlich bei allen Unternehmern in Schermbeck vorstellig werden. Das sind, für bislang 3 AGSler, verdammt viele. Die Zahlen schwanken. Geschätzt werden zwischen 500 und 1500 Unternehmer und Selbstständige.

Danach kennt uns aber jeder und wir wissen genauer, welche Probleme in der Prioritätenliste ganz oben stehen, und mit was wir dann nach Vorne gehen werden.

Und dann? Dann machen wir die Tore unseres kleinen Dorfes auf, schlagen alle Römer und sammeln die Helme auf. Das macht nicht nur Spass, sondern ist dringend notwendig. Ach so, klar, am Ende setzen wir uns hin, schlachten ein Wildschwein (gibts bei uns in Massen) und betrinken uns. Nur einen Sänger müssen wir nicht fesseln. Bei uns kann keiner singen.

 

 

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.