Scherenbach-Grundstück erzielt eine traumhafte Rendite

Gemeinde Schermbeck ermöglicht für 205 000 Euro eine Bachrenaturierung (und noch weitere Dinge, die die Verwaltung heute nachgereicht hat (s.u.).

Schermbeck Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahrzehnts sorgt ein Grundstück für Gesprächsstoff im Kleinstädtchen Schermbeck. Es handelt sich um ein Grundstück in der Scherenbach-Siedlung.
„Idylle soll zerstört werden“, titelte die Dorstener Zeitung am 4. März 2006 einen Bericht über dieses Grundstück, das im Rahmen einer Zwangsversteigerung für 35 000 Euro in den Besitz des Schermbecker Architekten R. gelangt war. Die Bewohner wehrten sich damals unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes gegen eine geplante Bebauung mit Ein- und Mehrfamilienhäusern. Als Gründe wurden Verkehrsprobleme und Schwierigkeiten mit der Kanalisation genannt. Das „Möchtegern-Neubaugrundstück“ sei mehrfach vom Mühlenbach überschwemmt worden.

Das für 35 000 Euro erworbene Grundstück am Scherenbach (im Hintergrund) konnte der Architekt R. im Jahre 2006 zur Freude der Anwohner nicht bebauen, weil die Zuwegung zwischen den Häusern N. 20 und 22 zu eng war für die Zufahrt der Feuerwehr. Nach acht Jahren konnte er nun das Grundstück für 205 000 an die Gemeinde verkaufen, die aber nach Insider-Informationen nur 40 000 Euro zahlen muss, weil die restlichen 80 Prozent vom Kreis Wesel übernommen werden sollen. Foto: Helmut Scheffler
Das für 35 000 Euro erworbene Grundstück am Scherenbach (im Hintergrund) konnte der Architekt R. im Jahre 2006 zur Freude der Anwohner nicht bebauen, weil die Zuwegung zwischen den Häusern N. 20 und 22 zu eng war für die Zufahrt der Feuerwehr. Nach acht Jahren konnte er nun das Grundstück für 205 000 an die Gemeinde verkaufen, die aber nach Insider-Informationen nur 40 000 Euro zahlen muss, weil die restlichen 80 Prozent vom Kreis Wesel übernommen werden sollen. Foto: Helmut Scheffler

„Dazu werden hinter vorgehaltener Hand Vermutungen geäußert“, schrieb damals der Berichterstatter Klaus-Dieter Krause, „die Gemeinde verfolge auf dem Rücken der Bürger eigene Interessen. Der Käufer habe seinerzeit bei der Zwangsversteigerung das Schermbecker Gebot gekannt und sei `für lumpige 35 000 Euro an das Grundstück gekommen, das als Bauland vielleicht 500 000 Euro Wert sei.`“ Bürgermeister Ernst-Christoph Grüter wehrte sich damals gegen solche Spekulationen.
Aus dem Bebauungsversuch wurde nichts, weil die Zuwegung zwischen den beiden Häusern Nr. 20 und 22 zu schmal war, wie ein Test mit einem Feuerwehrfahrzeug bewies. Damit blieb das Grundstück unbebaut.

Dasselbe Grundstück stand heute Nachmittag im Mittelpunkt des nicht-öffentlichen Teiles des gemeindlichen Bau- und Liegenschaftsausschusses. Das Grundstück wurde zum Quadratmeterpreis von 25 Euro für 205 000 Euro angekauft. Hintergrund soll nicht der Ankauf für Bebauungszwecke gewesen sein, sondern für Maßnahmen der Gewässerrenaturierung. Im Zusammenhang mit der Genehmigung des jetzt im Ausbau befindlichen Baugebietes „Am Mühlenbach“ müssen Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Gemeinde bestätigte auf unsere Anfrage hin, dass derartige Renaturierungsmaßnahmen tatsächlich anstünden. „Aus dem auf Landesebene entwickelten Umsetzungsfahrplan zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ergeben sich für die Gemeinde Schermbeck verbindlich umzusetzende Renaturierungsmaßnahmen an Gewässerläufen“, so ein gemeindlicher Pressesprecher. Zu dieser zwingenden Aufgabenstellung sei für die Gemeinde der Erwerb geeigneter Grundstücke ein möglicher Lösungsansatz. Um die gemeindliche Verhandlungsposition nicht nachteilig zu beeinflussen, bittet der Presssprecher um Verständnis, dass weitere Informationen erst zu einem späteren Zeitpunkt gegeben werden können. Andreas Eißing vom gemeindlichen Tiefbauamt ergänzte, dass Maßnahmen auf einer Länge von 270 Metern durchgeführt würden, sobald der Kreis Wesel die Planungen genehmigt habe, die derzeit von einem Planungsbüro erstellt würden.

[Anmerkung der Redaktion: Die Informationen aus der Sitzungsvorlage stammen nicht von der Verwaltung, sondern von gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen im Umfeld des Rathauses. In diesem Falle war es ein Informant/Informantin, der/die     die Ausschaltung der Öffentlichkeit für nicht richtig hielt. Man könne zwar einzelne schützenswerte Aussagen nicht-öffentlich behandeln, aber der eigentliche Vorgang, die Gründe für den Kauf eines Grundstückes zu völlig überhöhten Preisen, sei der Öffentlichkeit bekannt zu geben, weil der Bürger letztendlich den Kauf bezahlen müsse und nicht irgendeine Fraktion. — In diesem Falle war die Öffentlichkeit bereits in der Einladung ausgeschaltet worden. Unter TOP 6 hieß es: „Grundstücksangelegenheit, hier: Kauf von Grundstücken in der Gemarkung Schermbeck, Flur 13“.  Hier wurde der Öffentlichkeit vorenthalten, wo und aus welchem Grund 205 000 Euro aus Steuergeldern ausgegeben werden sollten. Das widerspricht allen uns vorliegenden juristischen Kommentaren zum Prinzip von Öffentlichkeit und Nicht-Öffentlichkeit. Eine Skizze aus der Deutschen Grundkarte wird zum Beispiel üblicherweise allen Bauanträgen in Schermbecker Verwaltungsvorlagen beigefügt. Jeder Schermbecker erfährt also die Bauabsichten eines anderen Bürgers ganz genau. Der Name wird zwar geschwärzt, aber das Grundstück exakt abgedruckt. Es gibt weitere Beispiele. Das hätte in diesem Falle auch ohne Probleme bei der Bekanntgabe der Tagesordnung erfolgen können, ohne weitere Details zu verraten.]

Diese Fläche, welche ein Architekt vor etwa einem jahrzehnt für 35 000 Euro ersteigerte, hat ihm die gemeinde Schermbeck heute für 205 000 Euro abgekauft. Sie soll nicht nur als Renaturierungsfläche für den Mühlenbach dienen, sondern für ander TZwecke im Umfeld der Kanalisation, über die die gemeinde morgen näherer informationen geebn möchte. Foto: Scheffler
Diese Fläche, welche ein Architekt vor etwa einem Jahrzehnt im Rahmen einer Zwangsversteigerung für 35 000 Euro ersteigerte, hat ihm die Gemeinde Schermbeck heute in nicht-öffentlicher Sitzung für 205 000 Euro abgekauft. Die Fläche soll nicht nur als Renaturierungsfläche für den Mühlenbach dienen, sondern auch für andere Zwecke im Umfeld der Kanalisation, über die die Gemeinde laut Mitteilung des Pressesprechers morgen nähere Informationen geben möchte. Foto: Scheffler

Die Gemeinde hat bislang nicht bestätigt, dass der Ankauf des Grundstücks nicht allein aus der Gemeindekasse bezahlt werden soll, sondern unter Hinzuziehung von Fördermitteln.

Die ersten Kritiker haben sich aber bereits jetzt zu Wort gemeldet. Die 205 000 Euro kämen insgesamt aus Steuermitteln. Da sei es gleichgültig, aus welchem Topf das Geld komme. Andere wehren sich gegen den Ankauf des Grundstückes und fordern stattdessen ein, dass die Maßnahmen auf dem Gelände durchgeführt werden sollen, das die Gemeinde der „Schermbecker Bau und Boden GmbH“ übergeben habe zwecks Bebauung der Mühlenbachaue. Es könne nicht sein, dass Investoren Gewinne machten durch Ausdehnung ihrer Baufläche bis nahe an den Bachrand und an anderer Stelle dem Gewässer Raum gegeben werden soll durch Ankauf von Land aus Steuergeldern.

Wie ein weiterer Pressesprecher heute Abend bekannt gab, soll es noch weitere Gründe für den Kauf des Grundstückes gegeben haben. Die Materie im Umfeld der Kanalisation sei aber so komplex, dass sie erst im Verlauf des morgigen Tages für die Presse aufgearbeitet werden könne. Wir werden die zugesagte schriftliche Mitteilung schnellstmöglich anhängen. H. Scheffler

Soeben (Mittwoch, 11.45 Uhr) erreichte uns folgende Mitteilung der Gemeinde Schermbeck:

Pressemitteilung der Gemeinde Schermbeck
hier: Erwerb eines Grundstückes durch die Gemeinde Schermbeck im Bereich „Am Scherenbach“

Der Bau- und Liegenschaftsausschuss hat sich mit klarer Mehrheit am 02.12. d.J. für den Erwerb eines Grundstückes am Scherenbach entschieden. Nachfolgend die inhaltliche Begründung für diese Entscheidung:

Die Grundsatzthematik besteht darin, dass derzeit an den Einleitungsstellen der Regenkanalisation „Am Scherenbach“ und „An der Vossekuhle“ neue Einleitungserlaubnisse nur noch erteilt werden, wenn die derzeitigen Einleitungsmengen deutlich reduziert werden. Diese Reduzierungen wiederum entsprechen einer Forderung im Rahmen der verbindlich umzusetzenden Maßnahmen aus dem Umsetzungsplan der einzuhaltenden Richtlinien. Es gibt jetzt alternativ die Möglichkeit, entweder durch kostenaufwendige bauliche Maßnahmen im Straßenkörper eine Reduzierung der Einleitungsmengen zu erreichen oder aber durch abgestimmte Renaturierungmaßnahmen auf dafür geeigneten Flächen die Einleitungsmengen gewässerverträglich umzuleiten.
In einem Gespräch mit der Bezirksregierung bezüglich dieser zwingend umzusetzenden Maßnahmen wurden der Verwaltung Möglichkeiten aufgezeigt, sich Projekte im Rahmen von Renaturierungmaßnahmen fördern zu lassen. Daraufhin wurde am 9.10.2014 ein Zuwendungsantrag zum Grundstückserwerb der drei Grundstücke im Bereich Scherenbach eingereicht. Der Zuwendungsbescheid zur Förderung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen ist am 19.11.2014 bei der Gemeinde Schermbeck eingegangen. Die Gesamtausgaben erhalten danach eine Zuwendung in Höhe von 80 v.H., die Gemeinde Schermbeck hat danach noch einen Eigenanteil von 20 v.H. der entstehenden Kosten (Kaufpreis zuzüglich Notarkosten und sonstigen Nebenkosten), zu tragen. Die Mittelanforderung auf Auszahlung der Zuwendung ist bis zum 8.12.2014 bei der Bezirksregierung Düsseldorf einzureichen.
Mit diesem gestrigen Beschluss werden dem Schermbecker Bürger nach derzeitigem Kenntnisstand Kosten in Höhe von ca. 150.000,00 Euro (nach bereits erfolgtem Abzug des Eigenanteils der Gemeinde zum Grunderwerb) erspart. Die nämlich wären zu verausgaben, wenn man anstelle der jetzt erworbenen Fläche, die als Renaturierungsfläche ausgebaut wird (Förderung für die erforderlichen Baumaßnahmen ebenfalls 80 % ), feste bauliche Maßnahmen (Rückhaltebauwerke für jede Einleitungsstelle im Straßenbaukörper) erstellen müsste. Berücksichtigt hierbei sind ebenfalls die eingesparten Sanierungskosten für die Reparatur des auf privater Fläche liegenden Regenwasserkanals Einleitungsstelle „Am Scherenbach“. Nach der gestrigen Beschlussfassung kann diese Einleitungsstelle auf das renaturierte Grundstück verlegt werden.
Durch den Kauf der genannten Grundstück wird zusätzlich der Hauptschmutzwasserkanal für die Ableitung des gesamten Abwassers aus dem Ortskern, der sich auf diesem Grundstück befindet, öffentlich gesichert.
Abschließend darf festgestellt werden, dass mit dem gestrigen Beschluss zum Erwerb der Grundstücke nicht nur der Schermbecker Gebührenzahler aufgrund der eingesparten Investitionen, sondern auch die Natur gewonnen hat.

Gemeinde Schermbeck
Der Bürgermeister
In Vertretung:

-Tekaat-

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.