Noch 9 Wochen bis zur Wahl des Bürgermeisters

Liebe Leser,

am Ende der 21. Kalenderwoche, am 25. Mai, finden – parallel zu den Kommunalwahlen – die Bürgermeisterwahlen statt. Das sind noch 9 Wochen. Wir haben den drei Bürgermeisterkandidaten Ralph Brodel (SPD), Mike Rexforth (CDU) und Klaus Roth (BfB) angeboten, sich zu einzelnen Fragen zu äußern, die die Gemeinde Schermbeck betreffen.

Unsere Vorgaben waren:

1) Innerhalb von sechs Tagen auf eine einzelne Frage zu antworten. Die Antworten werden jeweils am Dienstag bis 22 Uhr online gestellt. Sollte eine Antwort fehlen, so lag sie bis zum vorgegebenen Zeitpunkt (20 Uhr) nicht vor.

2) Es sollte nach Möglichkeit nicht mit Fehlern von Vorgängern gehadert werden, weil die Entwicklung Schermbecks in der Zukunft liegt.

3) Für diejenigen Leser, die Angriffe auf den politischen Gegner vermissen sollten, sei gesagt, dass die Redaktion daran Schuld ist. Wir haben nahe gelegt, davon Abstand zu nehmen, damit – ohne Ablenkung – die Sache absolut im Mittelpunkt steht.

4) Wir kürzen nicht ein einziges Wort.

Die achte Frage steht bereits fest. Für die weiteren Fragen nimmt die Redaktion gerne Anregungen entgegen. Bitte teilen Sie unter [email protected] Themenfelder mit, auf die Sie ganz gerne Antworten von den Bürgermeister-Kandidaten hätten. Auf Wunsch wird absolute Verschwiegenheit garantiert.

Unser Online-Forum www.schermbeck-online.de bietet den Lesern die Möglichkeit, sich an der Diskussion aktiv zu beteiligen. Sie können dabei die einzelnen Kandidaten direkt ansprechen. Das war bislang noch bei keiner Bürgermeisterwahl möglich, weil es im Jahre 2009 noch kein größer angelegtes Online-Portal gab. Nutzen Sie das Kommentarfeld unter diesem Artikel. Veröffentlicht werden nur Kommentare, wenn der Name des Kommentators bekannt ist.

Dieses Foto von einem Teilbereich der Kilianstraße dient nur zur Illustration einer maroden Straße. Der Sachhverhalt liegt hier allerdings anders als in der Fragestellung. Foto Helmut Scheffler
Dieses Foto von einem Teilbereich der Kilianstraße dient nur zur Illustration einer maroden Straße. Der Sachverhalt liegt hier allerdings anders als in der Fragestellung. Foto Helmut Scheffler

 Frage 7:  Eine der sechs Ratsfraktionen hat in der vorletzten Woche darauf hingewiesen, dass bislang Anlieger nur bei der Ersterstellung der Anliegerstraßen zur Kasse gebeten werden. Angesichts des Alters vieler Anliegerstraßen und der momentanen Lage des Kommunalhaushaltes vermutet die Fraktion nun, dass künftig auch die Erneuerung von Anliegerstraßen zu einer direkten Belastung der Anlieger führen wird. Ist mit einer solchen Belastung während ihrer ersten Amtsperiode als Bürgermeister zu rechnen?

 09.10.2013-099Bürgermeisterkandidat Mike Rexforth (CDU)

Vorausgeschickt muss ehrlicherweise folgendes zunächst einmal grundsätzlich gesagt werden. Nach Zahlung von erstmaligen Erschließungsbeiträgen ist der Bürger nicht bis zum Ende der Welt von der Zahlung weiterer Beiträge befreit.

 Ein Beispiel: Die erstmalige Herstellung einer Straße erfolgte im Jahr 1960. Die Gemeinde Schermbeck ist ihrer Unterhaltungspflicht nachgekommen, trotzdem wird der Neubau der Straße nach ca. 60 Jahren notwendig. Unter bestimmten Umständen kann hier eine neue Beitragspflicht entstehen.

 Ähnlich beim Kauf eines Autos. Ich weiß, wenn die Lebensdauer eines PKW nach ca. 20 Jahren erloschen ist, dass ich für den Kauf eines neuen PKW’s wieder einen Kaufpreis zu zahlen habe und nicht den Hersteller verpflichten kann, mir kostenlos einen neues Fahrzeug zur Verfügung zu stellen.

 Ich denke, das leuchtet jedem Bürger ein.

Formalrechtlich ist die Fragestellung wie folgt zu beantworten:

 Für die erstmalige endgültige Herstellung von öffentlichen, beitragsfähigen Erschließungsanlagen (Straßen) ordnet das Baugesetzbuch an, dass Erschließungsbeiträge zu erheben sind. Die Gemeinde Schermbeck hat damit eine Beitragserhebungspflicht und ist verpflichtet, die Anwohner dieser Straßen an den Ausbaukosten zu beteiligen. Somit muss die Gemeinde Schermbeck dafür Beitragsveranlagungsverfahren durchführen.

 Für den Fall, dass diese Straßen (Verkehrsanlagen) später einmal verschlissen sind und erneuerungsbedürftig werden, finden die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes Anwendung. Danach sollen bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge erhoben werden, „soweit nicht das Baugesetzbuch anzuwenden ist“.

 Beitragsrechtlich relevante oder beitragsfähige Maßnahmen sind die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen; bei Straßen, Wegen und Plätzen auch deren Verbesserung, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung.

 Sofern diese Voraussetzungen vorlagen, wurden auch bereits in der Vergangenheit für die Erneuerung, Erweiterung und Verbesserung von Straßen (Verkehrsanlagen) Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz veranlagt (z.B. Schloßstraße, gesamter Ortskernbereich).

 Im Unterschied zu den Erschließungsbeiträgen nach dem Baugesetzbuch, wonach eine Beitragserhebungspflicht besteht, sollen bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge erhoben werden. Das „sollen“ ist somit nicht zwingend; den Gemeinden steht dementsprechend auch ein Ermessensspielraum zu. Die Vorschrift erlaubt allerdings – wie jede Sollvorschrift – ein Abweichen vom Regelfall dann, wenn besondere, als atypisch anzusehende Umstände dies rechtfertigen.

 Dies vorausgeschickt muss die Gemeinde in jedem Einzelfall von nochmaligen Straßenausbaubaumaßnahmen prüfen, ob ein Beitragsveranlagungsverfahren durchzuführen ist, oder nach ihrem Einschätzungsermessen davon absehen werden kann.

 Die Prüfung, ob zum Beispiel auch eine Erneuerung von einer öffentlichen Verkehrsanlage (Straße) den Beitragstatbestand erfüllt, muss auch immer im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme wirtschaftlicher Vorteile betrachtet werden.

 Beispielsweise können auch mit dem Umbau einer normalen Straße (mit gegenüber der Fahrbahn erhöhten Gehwegen) in eine verkehrsberuhigte Wohnstraße, sogenannte andersartige Herstellung, wirtschaftliche Vorteile einhergehen, die grundsätzlich zu einer Beitragspflicht führen können; es sei denn, es handelte sich schon vorher um eine ruhige Anliegerstraße. Allein eine verbesserte Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion einer Mischfläche ist beitragsrechtlich irrelevant.

 Dies vorausgeschickt wird erkennbar, wie schwierig sich die Situation von Beitragsveranlagungsverfahren im Zusammenhang mit der nochmaligen Herstellung von öffentlichen Verkehrsanlagen nach dem Kommunalabgabengesetz NRW darstellt.

 Zusammenfassend, vereinfacht dargestellt, sei gesagt:

 1. Für die erstmalige endgültige Herstellung von öffentlichen, beitragsfähigen Erschließungsanlagen (Straßen) sind Erschließungsbeiträge zu erheben.

2. Für den Fall, dass diese Straßen später einmal nach einer „normalen“ Nutzungszeit verschlissen sind und erneuerungsbedürftig werden, sollen bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge erhoben werden.

3. Kann der Gemeinde ein Versäumnis hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Unterhaltung nachgewiesen werden und wird die Straße vor Erreichen des „normalen“ Endes der Nutzungsdauer erneuerungsbedürftig, entsteht grundsätzlich keine neuerliche Beitragspflicht für den Bürger.

4. Wünscht der Bürger zum Beispiel eine Umwandlung einer „normalen“ Straße in eine verkehrsberuhigte Wohnstraße, oder wird dies aus anderen Gründen notwendig und geht damit ein wirtschaftlicher Vorteil einher, sollen Beiträge erhoben werden. Solche Fälle werden unter meiner Verantwortung aber nur dann entstehen, wenn nach ausführlichen Gesprächen mit den Anliegern, diese den Umbau „selbst“ wollen. Sonst nicht!

Ob mit solchen Belastungen während meiner ersten Amtsperiode als Bürgermeister zu rechnen ist, kann ich aus den o.g. Gründen nicht abschließend beantworten. Aktuell ist mir allerdings keine Straße bekannt, die diese Voraussetzung erfüllen würde.

19.01.2014-004Bürgermeisterkandidat Klaus Roth (BfB)

Meine Antwort als Bürgermeisterkandidat lautet: „NEIN“

Mehrfach hat die USWG-Fraktion im Rat und im zuständigen Ausschuss angeregt, „ob die Gemeinde Schermbeck in ihrer Not nicht zwingend verpflichtet ist, die Kosten der Neuherstellung der Gemeindestraßen unter Berücksichtigung eines gemeindlichen Eigenanteils den Anliegern aufzuerlegen.“ Sie hat darauf verwiesen, dass in anderen Kommunen bereits die Realsteuersätze auf 800 % festgelegt wurden.

Die CDU-Fraktion hat im Gegenzug im Februar 2013 einen Antrag auf Prüfung der Gründung von Wirtschaftswege-Zweckverbänden gestellt. Ziel derartiger Verbände ist es, die Grundstückseigentümer bzw. Landwirte erneut zur Kasse zu bitten.

§ 8 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) gibt vor, dass die laufende Unterhaltung und Instandsetzung (Sanierung) keine beitragspflichtige Maßnahme ist. Auch sogenannter aufgestauter Reparaturbedarf ist nicht beitragsfähig. Ich werde als Bürgermeister meine seit Jahren erhobene Forderung, die jedoch bisher immer mehrheitlich von den übrigen Fraktionen abgelehnt wurde, die Ortslandwirte verstärkt bei der Auswahl der zu sanierenden Wirtschaftswege einzubeziehen, umsetzen.

Der frühere Kämmerer der Gemeinde Schermbeck, Herr Hoppius, hat in der Ratssitzung am 23.10.2012 ausgeführt: „Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist rechtlich zulässig. Die Verwaltung sieht aber erhebliche Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung einer derartigen Beitragserhebung. Er erwartet dadurch keine Entlastung des Gemeindehaushaltes, weil ein beitragsfähiger Wirtschaftswegeausbau einen kostenintensiveren Ausbaustandard voraussetze, der den zu erwartenden Beitragseinnahmen gegenüberstehe.“ Dies unterstreicht auch § 8 KAG: Es können von den Grundstückseigentümern Beiträge als Gegenleistung erhoben werden, „dass ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden.“

Ich kann zurzeit nicht erkennen, dass es in Schermbeck Sanierungspläne gibt, wo für die Anlieger ein wirtschaftlicher Vorteil gegeben ist. Sollte wirklich einmal eine derartige Maßnahme anstehen, verspreche ich als hoffentlich zukünftiger Bürgermeister, dass zunächst die Anlieger informiert werden und mit ihnen die weitere Vorgehensweise abgestimmt wird. Über den Kopf der betroffenen Anlieger wird mit mir als Bürgermeister keine Maßnahme begonnen.

 

04.10.2013-105Bürgermeisterkandidat Ralph Brodel (SPD)

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 fast alles, was in der Frage aufgeworfen wird, ist richtig. Eines nicht, denn die Erneuerung von Anliegerstraßen war schon immer kostenpflichtig, wenn sie ein bestimmtes Alter überschritten haben. Viele Straßen sind mittlerweile über 30, 40 Jahre alt und die Kommune hat wenig finanziellen Handlungsspielraum. Da im gesamten Bundesgebiet viele Kommunen vor demselben Problem stehen und standen, gibt es hierzu aus den vielen Urteilsbegründungen und, ganz wichtig, unserer Satzung, relativ klare Vorstellungen, wann, wer, was zu bezahlen hat. Daraus kann man folgendes entnehmen:

 1. Eine Straße hat quasi ein Haltbarkeitsdatum, welches meist zwischen 25 und 40 Jahren liegt

2. Wurde die Straße von der Gemeinde in der Vergangenheit entsprechend gewartet und instand gehalten, treffen bei der Erneuerung der Straße die Anlieger anteilsmäßig die Kosten.

3. Vereinfacht man die verschiedenen besonderen Berechnungsverfahren unserer Satzung wird ein Anlieger mit rund 50% der Baukosten seines Anteils an der Straße belastet. Dies ist im Vergleich zu dem, was rechtlich möglich ist, tatsächlich auch noch großzügig, denn die Gemeinde könnte auch 75% der Kosten einfordern

4. Hat aber die Gemeinde ihre Instandhaltungsmassnahmen versäumt, und diese Versäumnisse führten letztlich zum Erneuerungsbedarf, muss die Gemeinde die Kosten voll tragen. Hier sprechen die Fachleute von einem sogenannten „aufgestauten Reparaturbedarf“.

 Es wird also im Einzelfall zu entscheiden sein, ein pauschales Ja oder Nein wäre an dieser Stelle unsinnig. So kann eine Straße auch erneuerungsbedürftig werden, wenn die Kanalisation darunter ausgetauscht werden muss. Grundsätzlich gilt zwar, dass die Gemeinde kostenmäßig für die Erneuerung und Unterhaltung des öffentlichen Kanalnetzes aufkommen muss. Eine Gemeinde, die ein marodes Kanalsystem unter einer intakten Straße unterhält, müsste daher um an den sanierungsbedürftigen Kanal heranzukommen, zunächst die intakte Straße entfernen und nach der Kanalsanierung wieder eine neue Straße anlegen. Eine Kostenerstattung seitens der Anlieger für diese Maßnahme kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Straße ihr Haltbarkeitsdatum überschritten hat. Womit wir wieder beim Alter vieler Straßen und Kanäle angekommen sind.

 Wie auch immer, eines ist erst einmal sicher: was kaputt ist, muss repariert oder gar erneuert werden.

Ich will hier aber die rein rechtliche Ebene verlassen und die grundlegenden politischen Dinge ansprechen. Dazu gehört vor allem, dass es in den vergangenen Jahrzehnten versäumt wurde, entsprechende Rücklagen zu bilden.

 Als Ihr zukünftiger Bürgermeister kann ich Ihnen nicht versprechen, dass alles, was in der Vergangenheit versäumt wurde, einfach kostenfrei zu haben ist. Das wäre ein Wahlversprechen der schlechtesten Art, es hätte nämlich keinen Bestand.

Eines kann ich Ihnen aber versprechen, nämlich die Art und Weise, wie ich mit solchen und anderen Herausforderungen immer umgehen werde:

 1. Frühzeitiger Dialog mit allen Beteiligten

2. Umfassende gemeinsame Problemanalyse

3. Gemeinsame Suche nach einer Lösung

4. Kostengünstige Umsetzung

5. Hilfestellung bei Finanzierungsfragen (denn tatsächlich sollen nach Gemeindesatzung die evtl. anfallenden Kosten innerhalb von 1 Monat beglichen werden, welches für einige Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht machbar wäre.)

 Dieses Vorgehen steht für mein zentrales politisches Verständnis: Probleme direkt anpacken, alle Beteiligten mitnehmen und gemeinsam die Umsetzung angehen. Denn ich bin überzeugt davon, dass wir die vielen Herausforderungen, die vor uns liegen, wie demografischer Wandel, Infrastrukturprojekte oder ein klares Gemeindemarketing, nur im echten Dialog miteinander zum Erfolg führen werden. Die Grabenziehung zwischen Verwaltung, Rat und Bürger ist nicht nur von Gestern, sie führt auch immer weniger zu tragfähigen Lösungen.

Wir leben hier gemeinsam, wir arbeiten hier gemeinsam, wir müssen also auch gemeinsam die Zukunft gestalten. Und das gilt eben auch bei Anliegerstraßen. Mit mir werden Sie also nie vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern sie werden so behandelt, wie ich auch behandelt werden möchte: ernsthaft, partnerschaftlich und fair.

Mein Motto: Erst Verständnis, dann Verwaltung.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.