„Der Uefter Martin Wieschus wird verdächtigt, den Brand des Kirchturms der St.-Elisabeth-Kirche in Elkenroth im Westerwald verursacht zu haben. Die Kirchengemeinde St. Elisabeth um Pastor Ulrich Bals ist froh, dass der mutmaßliche Täter von der Polizei auf dem Kirchplatz gefasst werden konnte.“
So ähnlich könnte der größte Teil des Filmes zusammengefasst werden, der in der nächsten Ausgabe der ARD-Unterhaltungssendung „Verstehen Sie Spaß?“ am Samstag (21.) im ersten Fernsehprogramm ab 20.15 Uhr live vom SWR aus der Arena in Trier ausgestrahlt wird. Martin Wieschus, der mit seiner Familie in der ersten Reihe sitzen wird, ist Hauptdarsteller eines Filmes, der ihm noch einmal in Erinnerung rufen wird, in welch stressige Situation ihn seine Frau Ulrike gebracht hat, als sie sich mit dem Produktionsteam der Sendung verbündete, um ihren Mann einmal so richtig reinzulegen.
Jahrelang wollte Martin Wieschus seine Frau für diese Sendung anmelden. Doch dann kam sie ihm im vergangenen Herbst zuvor. Erst sehr viel später hat sie erfahren, dass der Beruf ihres Mannes ausschlaggebend bei der Auswahl des Kandidaten aus der Vielzahl der Bewerber für die Sendung war. Der 49-jährige Uefter ist Verkaufsleiter für kirchturmtechnische Anlagen bei der Dorstener Firma Diegner und Schade.
Im Januar kam die Bestätigung der Auswahl. Wenig später kamen zwei Männer des SWR an den Niederrhein, um sich mit Ulrike Wieschus zu treffen und eine fernsehreife Geschichte zu stricken. Da ihr Mann ja nichts wissen durfte, fanden die Treffen, zu der Ulrike Wieschus auch ihre Freundin Tanja Hilgenberg mitnahm, im Vennekens Hof in Raesfeld und in Ännekens Tenne in Schermbeck statt. Alle vier entwickelten gemeinsam jene Geschichte, die dann am 12. Juli 2013 verfilmt wurde.
Zahlreiche Gespräche waren bis zum Tag der Aufnahme erforderlich. Manche Gespräche klappten erst im zweiten Anlauf, weil Martin Wieschus und die drei Kinder Leonie, Marius und Johannes nichts erfahren durften und deshalb gewartet werden musste, bis die „Luft rein war“. Ulrike Wieschus hat noch das Gesicht jenes Eisverkäufers vor Augen, der sie im Urlaub vor einer Buchhandlung anstarrte, als sie, während ihr Mann im Geschäft war, einen Anruf von den Filmemachern erhielt und dann ins Handy sprach: „Es geht jetzt nicht, mein Mann ist in der Nähe.“
Es gab nur wenige Eingeweihte. Dazu gehörten Martin Wieschus` Chef Christian Dinkel in Dorsten und die Glockensachverständige Birgit Müller aus dem Bistum Trier. Mit ihr sollte sich Martin Wieschus am 12. Juli in Elkenroth im Landkreis Altenkirchen treffen, um die Abnahme eines Glocken-Steuerungsgerätes vorzunehmen, das die Dorstener Firma Diegner und Schade eingebaut hatte. „Martins Chef hat prächtig mitgespielt“, erinnert sich Ulrike Wieschus in der Rückschau. Er musste dafür sorgen, dass sie selbst ein paar Stunden Zeitvorsprung erhielt, um in Elkenroth vor dem Eintreffen ihres Mannes ihre Rolle für den Film zu proben.
Die ersten beiden Stunden Zeitvorsprung ertrickste die gelernte Fußpflegerin mit einer fingierten Fortbildung in Dortmund. Dazu musste sie um sieben Uhr morgens das Haus verlassen. Da aber Tochter Leonie um acht Uhr zur Maximilian-Kolbe-Schule gebracht werden musste, war Martin Wieschus gezwungen, sich beim Chef für ein späteres Eintreffen zu entschuldigen. Der zeigte Verständnis und setzte sogar noch eine Verzögerung drauf, indem er Martin Wieschus und seine Arbeitskollegen zu einer Dienstbesprechung um 10 Uhr zitierte. Thema: Fehlerquellen bei Steuerungsgeräten. Im Verlauf des Gespräche wurde auch von einem Funkenflug berichtet, der vor über 30 Jahren einmal zu einem Beinahe-Brand geführt hatte. „Das darf auf gar keinen Fall passieren, es muss sorgfältig kontrolliert werden!“, gab Christian Dinkel den Mitarbeitern eindringlich mit auf den Weg.
Inzwischen hatte Ulrike Wieschus längst ihr Auto in der Garage ihrer Schwester Annette in Erle abgestellt und war in den Audi mit verdunkelten Scheiben eingestiegen, dessen Fahrer sie nach Elkenroth brachte, wo sie vom Fernsehteam freundlich begrüßt wurde. Die Feuerwehr war bereits mit zwei Löschzügen vor der Kirche St. Elisabeth erschienen. Der richtige Pastor Ulrich Bals stand neben dem schauspielerndem Brautpaar am Rolls Royce und eine Drehleiter reichte bis zum Kirchturm hoch. Die Polizei hatte mit Flatterband den Kirchplatz so umgrenzt, sodass nur eine einzige Zufahrt möglich war, auf die später Martin Wieschus zusteuern sollte.
Als Martin Wieschus gegen Mittag in Dorsten losfuhr, kannte seine Frau längst ihre Rolle im Film auswendig. Nun konnte er getrost kommen, der Herr Gemahl. Doch wo war er gerade? Um das herauszufinden, waren ein paar Telefongespräche erforderlich. Ulrike Wieschus rief während einer „Fortbildungspause“ aus „Dortmund“ an und erfuhr im Gespräch ganz nebenbei, wo sich ihr Mann gerade aufhielt. Eine halbe Stunde später rief Frank Hilgenberg per Handy an, um eine Einladung für den Grillabend auszusprechen, und wieder war der Standort bekannt.
An der Autobahnabfahrt meldete ein Mitarbeiter des Fernsehteams Martin Wieschus weiter. Nun blieben nur noch sechs Minuten Zeit für die letzten Vorbereitungen an der Kirche, und als wenig später Martin Wieschus auf den Kirchplatz fuhr, sah alles verdammt echt aus. Das Gotteshaus lag noch in einen Rauchschleier verhüllt. Feuerwehrleute „löschten“ mit vereinten Kräften. Bevor Martin Wieschus die Situation so richtig begreifen konnte, wurde er schon von Polizisten empfangen und darüber informiert, dass wohl eine Glockenfehlsteuerung den Brand verursacht hatte. Ein Brautpaar kam aufgeregt angelaufen. Die Braut weinte inmitten der Hochzeitsgesellschaft hysterisch wegen des geplatzten Hochzeitstages, und Pastor Bals jammerte lautstark immerzu: „Oh je, mei Kirch brennt.“.
Feuerwehrleute, Polizei und ein Statiker verdichteten die Vermutung, dass die Glockensteuerung die Ursache des Brandes gewesen sei. Martin Wieschus rief seinen Chef an, und der sorgte für noch mehr Stress, als er Martin Wieschus mit dem Hinweis „Ich bin gerade im Gespräch, das musst du schon selbst regeln“ abblitzen ließ.. „Martin blieb eigentlich sehr ruhig“, bescheinigt Ulrike Wieschus ihrem Mann in der Rückschau. Doch als der Lokalreporter – ein Schauspieler – mit der Kamera auf ihn losstürmte, zahlreiche Fotos schoss und auch noch den Namen wissen wollte für einen Artikel in der lokalen Presse, da war die Grenze des Erduldens erreicht.
Zwischenzeitlich war die Glockensachverständige mit Feuerwehrjacke und Helm zum Turm geschickt worden, um gemeinsam mit der Feuerwehr einen denkbaren Fehler am Läutewerk zu finden. Gespannt wartete Martin Wieschus auf die Rückkehr der Sachverständigen. Als kurze Zeit später ein Feuerwehrmann und die Sachverständige die Treppe herunterkamen, der Feuerwehrmann kurz vor Martin Wieschus zur Seite wegschwenkte und die hinter ihm folgende Frau den Satz aussprach: „Schatz, was hast du hier nur für einen Mist eingebaut? Die Glocken läuten heute nur für dich und für die Sendung `Verstehen Sie Spaß`, da begann ihm ganz langsam zu dämmern, wie sehr man ihn gelinkt hatte.
Ganz allmählich entkrampfte sich die Situation. Als irgendwann Martin Wieschus dem Pastor prophezeite, für diese Lügengeschichte werde er wohl in die Hölle kommen, antwortete ihm Pastor Bals: „Das war mir die Sache wert.“ Und kurz darauf erteilte der Pastor eine Generalabsolution für Ulrike Wieschus, die gebeichtet hatte, in ihrem ganzen Leben noch nie so viel gelogen zu haben wie in den letzten sechs Monaten.
Wesentlich entspannter verlief die Filmaufnahme in Uefte, als der Moderator der Sendung, Guido Cantz, mit seinem Team zur Straße „Im Espel“ in den Schermbecker Norden kam, um den Vorspann für jenen Film zu drehen, mit dem Martin Wieschus am nächsten Samstag Millionen Fernsehzuschauern als „Glöckner von Schermbeck“ vorgestellt wird. H.Sch.