Kontrollmechanismen bei Nottenkämper werfen immer größere Fragen auf

Das Landgericht Bochum hat den Prozess gegen Ingo L. wieder aufgenommen

Knapp 14 Tage nach der Festnahme des ehemaligen Prokuristen der Firma Hermann Nottenkämper OHG wurde gestern vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts Bochum das Strafverfahren gegen Ingo L. wieder aufgenommen.

Das Verfahren wurde zu den Akten gelegt, nachdem L. im August letzten Jahres bei einem Folgetermin nicht vor dem Gericht erschienen war und sein Verteidiger vom Brief des Angeklagten mit der Ankündigung seines Suizids berichtete.

Im Landgericht Bochum wurde gestern die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Nottenkämper-Prokuristen L. (r.) mit einer Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt (2.v.l.) eröffnet. Die 2. Strafkammer wird vom Vorsitzenden Richter Dr. van den Hövel geleitet. Foto: Helmut Scheffler

Prozess-Wiederaufnahme

Ingo L. wurde gestern von zwei Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalt Bochum zur Strafkammer gebracht. Dort wurde zum Auftakt der Prozess-Wiederaufnahme vom Staatsanwalt zunächst 45 Minuten lang die Anklageschrift aus dem Jahre 2016 verlesen und anschließend diese Klage aktualisiert.

Planvolle Umgehung des Umweltrechtes

Die Anklageschrift umfasste mehrere Straftaten. Danach hat L. in den Jahren 2010 bis 2015 in Bochum und an anderen Orten gegen Gesetze verstoßen. Ihm wird vorgeworfen, zwischen April 2010 und 2013 rund 30 000 Tonnen Ölpellets, die mit anderen Stoffen vermischt wurden, „unter planvoller Umgehung des Umweltrechtes“ auf dem damals als Abgrabung geführten Mühlenberg der Firma Nottenkämper im Gahlen-Gartroper Grenzbereich deponiert zu haben. Dort war er vom 14. Juli 2008 bis zum 10. Juli 2014 Prokurist.

35.000 Tonnen

Ölpellets waren nicht das einzige Material, das Ingo L. illegal in der Abgrabung Nottenkämper deponierte, ohne dass dies bemerkt wurde. Über eine zweite Lieferkette gelang es ihm als gleichzeitig fungierender Alleingesellschafter der in Oberhausen auf dem ehemaligen Nottenkämper-Gelände ansässigen Firma „waste consulting GmbH“ etwa 35000 Tonnen Kronocarb auf dem Gahlener Mühlenberg zu deponieren, die von der Firma Possehl- Kehrmann geliefert wurden.

Ohne eine erforderliche umweltrechtliche Genehmigung veranlasste L., dass auf dem Gelände der Firma Possehl-Kehrmann in Duisburg insgesamt rund 9000 Tonnen Kronokarb und Flugasche vermischt wurden. Der Staatsanwalt berichtet von dieser Mischung, die im Auftrag der Firma „Ferro Duo GmbH“ erfolgte.

Auf Wunsch

Das Gemisch habe die Abfallnummer 100117 erhalten, womit „Filterstäube aus der Abfallmitverbrennung mit Ausnahme derjenigen, die unter 100116 fallen“ gemeint waren. „Auf Wunsch der Verantwortlichen der Nottenkämper OHG“, so der Staatsanwalt, sei die Mischung unter der Abfallnummer 191209, womit „Mineralien“ wie Sand und Steine gemeint seien, in der Tongrube Nottenkämper abgelagert worden. Auch dieser zweite illegale Lieferstrang wurde von Ingo L. organisiert, um illegales Material auf dem Gelände der Firma Nottenkämper zu deponieren, was auch dem Kreis Wesel bei seinen Kontrollen nicht auffiel.

Ermäßigter Preis

Aufgeführt wurde vom Staatsanwalt auch ein im August 2013 geschlossener Vertrag mit der Hamburger Firma „Aurubis AG“, der L. die Ablagerung von Eisensilikat zu einem ermäßigten Preis ermöglichte, um mit dem „Rabatt“ Schadenersatzansprüche dieser Firma gegen ihn auszugleichen.

Angeklagt ist Ingo L. auch wegen mehrfacher Bestechungen, wegen betrügerischer Abrechnungen und wegen jahrelanger Hinterziehung von Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuern, die er an das Finanzamt in Duisburg hätte zahlen müssen. Wegen der Bestechungen und der Steuerhinterziehung war L. am 30. Juni 2014 vom Landgericht Bochum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Gefährdung der Arbeitnehmer bewusst in Kauf genommen

Zitat: Staatsanwalt

Hinzu kommen Verstöße gegen das Arbeitsrecht, da Ingo L., so der Staatsanwalt, die „Gefährdung der Arbeitnehmer bewusst in Kauf genommen“ habe, indem er sie bei einer hohen Staubentwicklung in einer Halle arbeiten ließ. Der Staatsanwalt sprach insgesamt von „vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Taten“, die L. begangen habe.

Bereitschaft

Der Vorsitzende Richter Dr. van den Hövel gab dem Angeklagten und seinem Verteidiger die Gelegenheit zur Stellungnahme. „Die Zeit war zu kurz“, begründete der Verteidiger den Verzicht auf eine Stellungnahme, verwies aber gleichzeitig auf die Bereitschaft seines Mandanten, sich im Rahmen der Fortsetzung der Verhandlung zu äußern. Dass dieser von sich aus ein Interesse an einer Äußerung hat, kann man aus dem Verhalten während der Verlesung der Anklageschrift schließen. Zum wiederholten Male schüttelte Ingo L. verneinend den Kopf, wenn der Staatsanwalt eine Äußerung verlas.

Der Prozess wird am Dienstag (6. März) um 13 Uhr im Saal A1.18 fortgesetzt. H. Scheffler

 

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.