Keine Hähnchenmastanlage in Uefte

Urteil des Oberverwaltungsgerichts: Anwohnerklage gegen Hähnchenmastbetrieb erfolgreich

Schermbeck Die Schermbecker Bürger können aufatmen: In ihrer Nachbarschaft wird keine Hähnchenmastanlage entstehen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Betreibers gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nicht zugelassen, wie es am Mittwoch mitteilte.

 Einen ausführlichen Bericht lesen Sie in der <<<Dorstener Zeitung>>>.

Als der Protest im Jahre 2008 an der Overbecker Straße begann, war auch das Fernsehen zu Gast. Foto Scheffler
Als der Protest im Jahre 2008 an der Overbecker Straße begann, war auch das Fernsehen zu Gast. Foto Scheffler

 

Chicken -Highway soll gestoppt werden

Ehemalige NRW-Landwirtschaftsministerin besuchte die Schermbecker Grünen

Schermbeck Massentierhaltung findet nicht irgendwo in Deutschland statt, sondern manchmal vor der eigenen Haustür. Um dies deutlich zu machen, luden die Schermbecker Grünen im März 2013 die ehemalige nordrhein-westfälische Landwirtschafts- und Umweltministerin Bärbel Höhn nach Schermbeck ein.

    Vor der Pressekonferenz bei Triptrap besuchte die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion in Begleitung von Harald Schwalbe, einem Mitglied der Landesgeschäftsstelle, und mehrerer Mitglieder des Schermbecker Grünen-Ortsverbandes den Uefter Dieter Chlebusch. Er hat sich nach der Genehmigung des geplanten Hähnchenmastbetriebs der Familie Schulte-Bocholt im Jahre 2009 per Gericht gegen die Anlage gewehrt. Chlebusch hat den Prozess unter Vorlage eines teuren Gutachtens zwar gewonnen, aber der Kreis Wesel ist in Berufung gegangen. Derzeit klärt das Münsteraner Oberlandesgericht, ob der Widerspruch des Kreises zulässig ist.

     „So viel Geld haben die Grünen nicht“, musste Bärbel Höhn  einräumen, den Klageweg des Uefters nicht finanziell unterstützen zu können. „Aber“, so Bärbel Höhn, „ich habe ihm moralische Unterstützung gegeben.“

     Dass den Grünen sehr daran gelegen ist, die Massentierhaltung zu bremsen, machte Bärbel Höhn im Pressegespräch engagiert deutlich. Sie wolle verhindern, dass der niedersächsische „Chicken Highway“ sich übers Münsterland weiter ins Rheinland ausbreite. „Es kann doch nicht angehen, dass ein Einzelner sehr viel Geld aufwenden muss, um sich gegen die Massentierhaltung zu wehren“, stellte Bärbel Höhn fest. Es gehe darum, politisch alles zu tun, um eine Landwirtschaft zu fördern, die keine Schäden für die übrige Bevölkerung verursache.

  Genau dies tue die klassische Landwirtschaft auf ihrem Weg zu immer mehr Wachstum, zu mehr Export von Fleisch ins Ausland. „Die Gesellschaft muss dafür die Kosten tragen“, bedauerte Höhn und listete die negativen Konsequenzen für den Boden ebenso auf wie Schäden am Trinkwasser und in der Luft.

  Zwei Ansatzpunkte für künftiges politisches Handeln sieht Bärbel Höhn. Der eine Weg führt über Verschärfungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes, um solche Massenställe in unmittelbarer Nähe einer Siedlung mit dörflichem Charakter wie in Uefte zu verhindern. Noch effektiver erscheint ihr eine Änderung des Bundesbaugesetztes. Bislang erlaubt dieses Gesetz Landwirten im Rahmen der gesetzlichen Privilegierung Ställe beliebiger Größenordnung. Für Bärbel Höhn ist ein Hähnchenmaststall mit 39 900 Hähnchen aber kein Bauernhof mehr, sondern eine Fabrik. So etwas gehöre ins Gewerbegebiet, wobei sie augenzwinkernd ergänzt, dass ein Hähnchenmastbetrieb in einem Gewerbegebiet die dort gültigen Immissionsgrenzwerte nicht einhalten könne.

  Bärbel Höhn setzt aber auch auf ein Umdenken der Genehmigungsbehörden. Christel Winterbergs Hinweis, dass die Gemeinde Schermbeck das gemeindliche Einvernehmen für den Uefter Stall ohne Information des Gemeinderates erteilt habe, ließ Höhn unkommentiert. Sie vertraut darauf, dass der Kreis Wesel als Genehmigungsbehörde den enormen Widerspruch zwischen Massentierhaltung und Erholungsraum in einer Region mit „sanftem Tourismus“ erkennt und entsprechend handelt. H. Sch.

 

Im März 2013 besuchte Bärbel Höhn den geplanten Standort der Hähnchenmastanlage an der Overbecker Straße im Schermbecker Ortsteil Uefte. Foto: Helmut Scheffler
Im März 2013 besuchte Bärbel Höhn den geplanten Standort der Hähnchenmastanlage an der Overbecker Straße im Schermbecker Ortsteil Uefte. Begleitet wurde sie zu dem Feld von Dr. Christian Winterberg.   Foto: Helmut Scheffler

Im November 2008 begann der Streit um die geplante Hähnchenmastanlage. Wir erinnern mit dem damaligen Presseartikel daran:

Behörden haben keine Bedenken

Uefter Landwirt Schulte-Bocholt plant den Bau eines großen Hähnchenmastbetriebes

Schermbeck Der Ortsteil Uefte entwickelt sich zum niederrheinischen Zentrum für die Geflügelzucht und – mast. Nach den Betrieben Möllmann und Wilkskamp möchte ein weiterer Uefter im großen Stil in diesen Produktionszweig einsteigen.

     Gegenüber dem bisherigen Rindermast- und Bullenmastbetrieb Schulte-Bocholt soll in der Flur 13  auf dem Flurstück nördlich der Overbecker Straße eine vom bestehenden Betrieb völlig unabhängige Broilermastanlage entstehen. Einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach Paragraf 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes hatte die Firma „S & B Schulte-Bocholt GbR“ am 18. Februar 2008 dem Kreis Wesel vorgelegt.

      „Unser bisheriger Betrieb bleibt bestehen“, erläuterte Sarah Schulte-Bocholt, die amtierende rheinische Kartoffelkönigin, im Gespräch mit der „Dorstener Zeitung“. Mit ihrem Vater Bernhard werde sie einen völlig neuen Betrieb gründen, „um in der Landwirtschaft zukunftsfähig zu bleiben.“

    Der Kreis Wesel hat auf die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet. Eine solche Prüfung wäre für einen Betrieb zur Aufzucht von Mastgeflügel bei einer Tierplatzzahl von 30 000 bis weniger 40 000 Tieren nur dann erforderlich gewesen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde „erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.“

    Wie der Kreis Wesel mitteilt, „hat die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles ergeben, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen durch Errichtung und Betrieb der Geflügelmastanlage nicht zu erwarten sind.“ Die Schulte-Bocholt GbR plant eine Mastanlage mit 39 900 Geflügelplätzen.

    Im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung wurden verschiedene Kriterien überprüft. Nach Mitteilung Dr. Lothar Kriegers, des Koordinators der Fachgruppe 60-3: Immissionsschutz beim Kreis Wesel, wurde die ökologische Empfindlichkeit des geplantes Standortes nach mehreren Kriterien bewertet, die im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 25. Juni 2005  vorgesehen sind. Die bestehende Nutzung wurde ebenso herangezogen wie Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit von Wasser, Boden, Natur und Landschaft des Gebietes.

     Der Kreis Wesel musste zudem überprüfen, ob schutzwürdige Güter in ausgewiesenen Schutzgebieten beeinträchtigt werden. Solche Schutzgebiete sind nicht nur die im Bundesnaturschutzgesetz bekannt gemachten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung oder europäische Schutzgebiete, sondern, so Dr. Krieger, auch Naturschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate und Landschaftsschutzgebiete, ferner gesetzlich geschützte Biotope, Wasserschutzgebiete, Gebiete, in denen die in den Gemeinschaftsvorschriften festgelegten Umweltqualitätsnormen bereits überschritten sind, und Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte. Schließlich müssten noch, so Dr. Krieger, die in amtlichen Listen oder Karten verzeichneten Denkmale, Bodendenkmale oder Gebiete, die als archäologisch bedeutende Landschaften eingestuft worden sind, berücksichtigt werden.

    Die Untersuchung aller dieser Faktoren hat dazu geführt, dass der Kreis Wesel auf die Erstellung einer zusätzlichen Umweltverträglichkeitsanalyse verzichtet.

   Im Rahmen des Verfahrens wurde auch die Gemeinde Schermbeck befragt. Wie Bürgermeister Ernst-Christoph mitteilte, hat die Gemeindeverwaltung das gemeindliche Einvernehmen am 29. Oktober erteilt. Es handle sich um einen privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb. Die Gemeinde habe sich nur zum Planungsrecht zu äußern. Die Einschaltung eines gemeindlichen Ratsausschusses sei in diesem Fall nicht erforderlich gewesen. „Wenn wir Betrieben helfen können“, so Grüter, „dann können wir das nur tun, wenn sie umweltverträglich sind, zumal dann, wenn Arbeitsplätze geschaffen werden.“

    Unabhängig von der Frage der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsanalyse würden, so Dr. Krieger, im weiteren Genehmigungsverfahren sämtliche gesetzlich vorgegebenen Genehmigungsvoraussetzungen sowie die sonstigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen überprüft, die an das Vorhaben zu stellen seien. Dazu würde beispielsweise die planungsrechtliche Zulässigkeit gehören, außerdem der Nachweis, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm oder Gerüche verursacht würden und die Einhaltung tierhygienischer Vorschriften gesichert sei. „Dieses Genehmigungsverfahren wird entsprechend der Vorgaben im Bundes-Immissionsschutzgesetz im vereinfachten Verfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt“, berichtet Dr. Krieger. H.Scheffler

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Als erste Schermbecker Partei meldeten sich im November 2008 die Grünen. Hier der damals entstandene Pressebericht:

 

BUND hat erhebliche Bedenken

Schermbeck „Gegen eine Massentierhaltung haben wir aus Sicht des Tierschutzes grundsätzliche Bedenken“, bezieht Ulrike Trick als Sprecherin der BUND-Ortsgruppe Schermbeck Stellung zum geplanten Hähnchenmastbetrieb in Uefte und ergänzt, „aber es gibt noch andere Gründe.“

     „Verwundert und zugleich enttäuscht“ reagiert Ulrike Trick auf den Wegfall der Umweltverträglichkeitsanalyse. Deutliche Kritik richtet sie in Richtung Schermbecker Rathaus. Es sei unverständlich, dass ein solches Projekt, das anderenorts für Aufstände in der Bevölkerung gesorgt habe, den Politikern und der Bevölkerung in Schermbeck einfach verschwiegen worden sei.   Ulrike Trick geht davon aus, dass 50 bis 70 Kilogramm Stickstoffimmissionen von dem geplanten Betrieb zu erwarten sind. Zusammen mit den Immissionen der beiden bestehenden Betriebe könne man davon ausgehen, dass Immissionswerte entstünden, die die benachbarten schutzwürdigen Bereiche des Dämmerwaldes und der Uefter Mark gefährdeten.

  „Wichtig“, so Ulrike Trick, „ist auch der Schutz der Menschen.“ Sie hätten Anspruch auf eine saubere Luft und auf sauberes Grundwasser. Außerdem stünde der Betrieb im krassen Gegensatz zur Erholungsfunktion des Raumes. In unmittelbarer Nähe nutzten zahlreiche Tages- und Wochenenderholer zwei Gaststätten als Ausgangspunkt für die Erkundung des Dämmerwaldes und der Uefter Mark. Auch der Wert der benachbarten Häuser und Grundstücke nehme deutlich ab. Nicht einmal ein wirtschaftlicher Nutzen in Form von neuen Arbeitsplätzen sei zu erwarten.

    Am schlimmsten, so Ulrike Trick, sei der Umgang mit den Tieren selbst in einer industriellen Mastanlage, die nach tierquälerischen, unethischen und gesundheitsgefährdenden Prinzipien arbeite. 40 000 Tierkörper drängten sich in einer Aufzuchthalle und hätten nur etwa 35 Tage Zeit, ohne Licht und freie Bewegung ihrem Tode entgegenzusiechen. H.Scheffler

Hier weiterführende Links:

http://www.dorstenerzeitung.de/staedte/schermbeck/Verwaltungsgericht-hebt-Genehmigung-fuer-Haehnchenmast-auf;art4250,1627090

http://www.dorstenerzeitung.de/staedte/schermbeck/Gruene-pruefen-Dienstaufsichtsbeschwerde-gegen-Landrat;art4250,1755236

 

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.