Historischer Rundweg in Schermbeck

Historischer Rundweg in Schermbeck von Helmut Scheffler

Mit der Eröffnung des historischen Rundweges am 4. Dezember 1987 krönte die Gemeinde Schermbeck ihre bereits einige Jahre vorher begonnenen Bemühungen, im Gefolge der Vorarbeiten aktiver Heimatkundler die Reste an erinnerungswürdiger Geschichte zu bewahren und der Öffentlichkeit vorzustellen.

Als im Zuge eines wiedererweckten Heimatbewusstseins Ende der 1970er-Jahre die Bürger landauf, landab voller Stolz begannen, den Blick auf die Geschichte ihres eigenen Lebensraumes zu werfen, begannen auch in Schermbeck engagierte Heimatkundler mit der Aufarbeitung ihrer Ortsgeschichte. Zeitweise beteiligten sich bis zu 25 Hobbyforscher an der Dokumentation der Gemeindegeschichte, deren Grundzüge in zwei Schriftenreihen veröffentlicht wurden.

Historischer Rundgang Schermbeck

Die vom Verfasser in den Jahren 1979 bis 1982 herausgegebene Zeitschrift „Schermbeck – gestern und heute“ erfreute sich besonderer Beliebtheit und war im nu ausverkauft. Auf diesem Nährboden erwuchs das Interesse der Gemeinde, an der Dokumentation mitzuwirken. Anfang der 1980er-Jahre wurde mit der Ordnung des Archivs begonnen. Es folgten Denkmalschutzbestrebungen und die Planungen für ein Heimatmuseum, das am 4. Dezember 1987 gleichfalls seiner Bestimmung übergeben wurde und seither von dem im Jahre 1987 gegründeten Heimat- und Geschichtsverein betreut wird.

In dieses Generalkonzept passte auch die Anlage eines historischen Rundweges, dessen Planungen in das Jahr 1984 zurückreichen. Ein Jahr später standen 22 Objekte auf einer Vorschlagsliste, für die Schilder hergestellt werden sollten, damit dem Wanderer kurze Informationen gegeben werden könnten. Auf Wunsch des Eigentümers wurde schließlich eine der geplanten 22 Stationen gestrichen, und zwar das in den Jahren 1868 bis 1871 erbaute Krankenhaus nahe der Burg, das nach Fertigstellung des neuen Krankenhauses an der Erler Straße (heute Marienheim) aufgegeben wurde. 21 Stationen verblieben, darunter der Standort der Synagoge, für die keine neue Tafel angefertigt zu werden brauchte, weil die Evangelische Kirchengemeinde Schermbeck dort bereits früher eine Tafel anbrachte. Die übrigen Bronzetafeln wurden von der Kunstgießerei Erich Janssen in Weeze gegossen.

Die Bronzetafeln kennzeichnen die einzelnen Stationen eines geschichtlichen Rundganges, der in unmittelbarer Nähe des heutigen Rathauses der Gemeinde Schermbeck beginnt. Am Gebäude auf der anderen Seite der Weseler Straße beginntder historische Rundweg.

Ehemaliges Rathaus

Altes RAthaus in Schermbeck
Altes RAthaus in Schermbeck

An diesem Gebäude, das bis 1993 als Rathaus der Gemeinde fungierte, erkennt man – am besten von der Straße „Am Rathaus“ aus (Foto Scheffler 1991) – deutlich den in verschiedenen Zeiten erfolgten Ausbau. Der älteste Teil an der Nordseite wurde in den Jahren 1909/10 als Verwaltungsbau erstellt. Der verputzte Backsteinbau fällt den Besuchern schon von weitem auf. Die Eingangsfront ist fünfachsig gegliedert mit vorgesetztem, dreiseitigen Treppenhaus. Das Eingangsportal trägt einen Dreiecksgiebel als Verdachung. Beide Seitenflügel sind identisch gegliedert, fünfachsig mit Walmdach in Ziegeldeckung. Zu den baulichen Besonderheiten gehören ein umlaufender Geschosstrennungssims, hochrechteckige Fenster mit Oberlicht und zwei Fensterflügeln. Der langgestreckte Anbau wurde im Herbst 1957 von Diplom-Ingenieur F. W. Capelle geplant. Im August 1959 wurde der Rathausanbau bezogen. Das Foto von der Nordseite des Rathauses entstand am 27.August 2006 (Foto Scheffler) während eines Festes auf dem neuen Rathausplatz

Nach dem Überqueren des „Roten Platzes“ am neuen Rathaus erreicht man den unteren Mühlenteich, an dessen Südostseite man die stark umgebaute ehemalige untere Burgmühle erkennt, die zweite Station des historischen Rundwegs. Will man das Gebäude aus einer anderen Perspektive sehen, muss man auf dem Tiefen Weg bis zur Mittelstraße gehen und dieser Hauptgeschäftsstraße Schermbecks etwa 50 Meter weit nach Nordosten folgen, um dann in die Straße Mühlentor einzubiegen. Wenig später sieht man an der linken Seite die ehemalige untere Burgmühle, die bereits im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurde.

Mehrfach wurde das Gebäude (das Foto zeigt die untere Burgmühle vor dem 2. Weltkrieg) erweitert und den veränderten Mahltechniken angepasst. Der westliche Anbau, der mit wenig Gefühl für eine sinnvolle

Untere Burgmühle
Untere Burgmühle in Schermbeck

architektonische Anpassung an die bestehende Bausubstanz errichtet wurde, beherbergte seit Mitte der 1930er-Jahre eine Turbine, die ein altes Holzrad ablöste. Den Zweiten Weltkrieg hat die Mühle ohne

nennenswerte Schäden überstanden, sodass der Mühlenbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Als Mitte der 1950er Jahre auf vielen Höfen kleine Hausmühlen zum Mahlen von Futtergetreide eingesetzt wurden und abgepackte Roggen-und Weizenmehlpakete ihren Einzug in die Läden hielten, wurde das Mühlengewerbe auch in der unteren Burgmühle unrentabel.

 Schermbecker Burgmühle

Burg Scshermbeck-Luftbild
Luftbild: Norbert Dahlhaus, Oktober 2004)

Nur wenige Meter von der Mühle entfernt erkennt man jenseits einer platzartigen Erweiterung den Südflügel der Schermbecker Burg (Luftbild: Norbert Dahlhaus, Oktober 2004). Im klevischen Urbar von 1318/1319, das sich im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Kleve-Mark-Akten 662) befindet, wird die Burg erstmals urkundlich erwähnt. Man darf jedoch davon ausgehen, dass die Burg schon vorher existiert hat, denn im Urbar findet man den Hinweis „dit corne hoert ten borgleen van Schyrenbeke“ (Dieses Korn gehört zum Burglehen von Schermbeck). Der verstorbene Brichter Heimatforscher Dr. Dr. Arnold Maas, der das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf auf der Suche nach „Schermbeckensia“ systematisch durchforstet hat, geht davon aus, dass die Schermbecker Burg mit der Machtverlagerung Kleves nach Osten an die Stelle der Burg Dravewinkel getreten ist, denn 1363 findet statt des „castellum“ nur noch ein Hof Dravewinkel Erwähnung. Von etwa 1350 bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts ist die Schermbecker Burg Amtssitz der Drosten und Amtmänner gewesen, auch in jenen Jahren, als das Amt Schermbeck ganz im Amt bzw. Land Dinslaken unterging. Schon frühzeitig verfügte die Burg über nicht unbedeutenden Grundbesitz. Diese Ländereien hatte der Landesherr vertraglich an solche Personen verpachtet, die anstelle eines sonstigen Lehnsdienstes den Burgdienst versahen und somit auch verpflichtet waren, in Notfällen die Burg zu verteidigen. Die Belehnung mit dem Schermbecker Burglehen erfolgte durch die Grafen und Herzöge von Kleve persönlich, wie es die Lehnsübertragungen zwischen 1361 und 1434 ausweisen. Zu den sechs überlieferten Burglehensverträgen gehören die an Goswyn van Blenbroyt (21. 12. 1361), Johann von der Beke (22.2.1362), Chryt von der Beke (22.2.1362), Johann von Drevenack (1.5.1362), Hermann von Ense (13.8.1434) und Henrick de Rynsche (13.8.1434).

 Schermbecker Burg

Burg_bearbeitet-1 (640x426)Der Ausbau der Schermbecker Burg zu einem Wasserschloss erfolgte zwischen 1415 und 1420 durch Herzog Adolf, in dessen Regierungszeit die Erhebung Schermbecks zu einer Stadt erfolgte. Während zahlreicher kriegerischer Fehden und während mehrerer Stadtbrände nahm die Burg starken Schaden. Der Verfall war in der Mitte des 17. Jahrhunderts so weit vorangeschritten, dass die Burg mit Ausnahme des im Volksmund als „Diebesturm“ bezeichneten quadratischen Eckturms an der Südostseite für Schutzzwecke nicht mehr geeignet war. 1662 wurde die Burg an Dietrich von der Stegen verkauft. Nach einer notdürftigen Instandsetzung diente die Burg den preußischen Behörden als „Ablager“. Mit der teilweisen Niederlegung von Mauern und Wällen wurde ab 1718 begonnen, wobei auch der Stadtgraben zugeschüttet und das neu gewonnene Land verpachtet wurde. Teile der Burg brannten in der Nacht von 29./30. September 1742 ab. „1755 wurde die Burg wieder in einen Zustand gebracht“, berichtet Arnold Maas, „daß sie öffentlich versteigert werden konnte.“ In der Folgezeit hat die Burg, die um 1733 bis auf die Ostseite direkt vom Wasser umgeben war, häufig den Besitzer gewechselt. Seit 1769 wurde die Burg in Erbpacht bewirtschaftet. Erster Erbpächter wurde der Pächter Schmitz, der im Jahre 1834 beide Burgmühlen kaufte. 1792 ging die Burg in den Privatbesitz der Familie Maassen über. Der neue Eigentümer verfüllte die Burggräfte, so dass die Burg fortan den Charakter einer Wasserburg vollends verlor. Heute befindet sich die Burg im Privatbesitz der Familie Prinz. Die Eintragung des Burgbereiches in die gemeindliche Bodendenkmalliste wurde im Jahre 1994 verfügt und im April 1995 öffentlich bekannt gemacht. Die Ausweisung des mehrteiligen, ringförmigen Gebäudekomplexes als Baudenkmal erfolgte im Jahre 1997.

16.04.2006 019 (640×480)Verlässt man die innere Burg durch das wuchtige Torgebäude (Foto: Scheffler, 29. Juli 2011), so erkennt man zur Linken jenseits einer flachen Vertiefung in der Wiese, die früher einmal 16.04.2006 019 (640x480)eine Gräfte war, Reste der alten Stadtmauer. Ein restauriertes Stück der Stadtmauer findet man, wenn man die Fortsetzung der alten Mauer in dem Weg aufsucht, der vom Museum zum Bösenberg führt. Man gelangt zu dieser Stelle, wenn man das Burggelände verlässt und an der reformierten Kirche vorbei in Richtung Museum geht und hinter der Arztpraxis nach links abbiegt. Nach etwa 100 Metern erkennt man hinter dem letzten Gebäude vor der hölzernen Brücke über dem Mühlenbach links Reste der Stadtmauer (Foto: Scheffler, 16. April 2006). Es handelt sich um Backsteinmauerwerk mit Strebepfeilern in regelmäßigen Abständen.

In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde die Stadt Schermbeck von einer Mauer umgeben, mit zwei Stadttoren und acht Türmen versehen. Nach der Zerstörung der Stadt in einer Fehde zwischen Herzog Johann II. von Kleve und Heinrich von Gemen im Jahre 1483 wurden vom Landesherrn Gelder für die Erneuerung der Mauer bereitgestellt. Die Entfestigung der Stadt begann 1718. Über zwei Jahrhunderte hindurch wurden die Reste der Stadtmauer nicht mehr in Stand gesetzt. Erst als im Jahre 1986 der Landschaftsverband Rheinland an der Erhaltung und Nutzung der Mauer aus wissenschaftlichen, besonders Stadt- und baugeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse zeigte, wurde dieser Teil der Mauer restauriert.

Pumpe der Nachbarschaft „Op den Hoff“

Schermbecker Pumpe, SchefflerGeht man auf dem bisher zurückgelegten Weg etwa hundert Meter zurück, so kommt man in unmittelbarer Nähe des Heimatmuseums an der Pumpe der Nachbarschaft „Op den Hoff“ vorbei, der letzten von ehemals 11 öffentlichen Pumpen innerhalb der Stadtmauern. Dem Zustand dieser Pumpen haben die Gieseler, die Vorsitzenden der Nachbarschaft, stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet, denn nur intakte Pumpen ermöglichten im Falle eines Brandes eine rasche Bekämpfung des Feuers. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an der Pumpe Wasser für die Haushalte der Nachbarschaft entnommen. Für die heutigen Bewohner Schermbecks ist diese Art der Wasserversorgung kaum noch vorstellbar. Wer nicht gleich neben einer der Pumpen wohnte, musste schon kräftig zupacken, um genügend Wasser im Haus zu haben. Noch schlimmer wurde die Qualität des Wassers bewertet. In die Brunnen sickerte aus undichten Jauchegruben verseuchtes Wasser. Dieses durch die Pumpen geförderte Wasser gelangte zu den Menschen und Tieren im Ortskern. Zahlreiche Typhusfälle wurden in Schermbeck registriert. Auch mit einem größeren finanziellen Aufwand war es nicht möglich, die Gruben und Brunnen abzudichten und bessere Wasserquellen zu erschließen. Hinzu kamen äußere Schäden an den Pumpen, die durch starke Frosteinwirkungen verursacht wurden. In dieser Situation war ein entschiedenes Handeln erforderlich. 382 000 DM wies der Haushaltsplan 1954 der damals selbstständigen Gemeinde Schermbeck für die Kanalisation des Ortskerns und der Bahnhofsstraße aus. Im Sommer 1954 wurden die ersten Hausanschlüsse hergestellt. Am 1. Oktober 1954 konnten die ersten Kanalgebühren erhoben werden. Die alten Pumpen wurden überflüssig. „Die Brunnen wurden größtenteils zugeschüttet“, berichtete die Rheinische Post im März 1955 und ergänzte, „verschiedentlich wurde so Platz geschaffen für Parkplätze, eine wichtige Sache für die Hauptstraße mit dem starken Durchgangsverkehr der B 58. Schon lange stand die Warnung auf den Pumpenkästen `Kein Trinkwasser`. Was sollen sie also noch, diese Überbleibsel, nachdem die Neuzeit mit dem zivilisatorischen Fortschritt und der besseren Hygiene ins Dorf eingezogen war!“

Im Sommer 2007 beschloss der Bau- und Denkmalausschuss der Gemeinde Schermbeck, die im Eigentum der Gemeinde stehende Wasserpumpe auf dem Flurstück 2182 der Flur 1 nahe dem Museum (Foto Scheffler, August 2006) in die Denkmalliste der Gemeinde einzutragen. Die Begründung für eine Unterschutzstellung des mit Backsteinen ummauerten gusseisernen Pumpenkörpers auf quadratischem Grundriss mit spitzem Zeltdach lieferte das Rheinische Amt für Denkmalpflege. Die Pumpe sei als eine der beiden noch verbliebenen Wasserpumpen im Ortskern bedeutend für die Geschichte des Menschen und erhaltenswert aus wissenschaftlichen und besonders aus volkskundlichen Gründen. Sie sei „ein noch verbliebenes Beispiel einer sich aufhebenden Gattung der Wasserversorgung und somit ein wichtiges Zeugnis der Orts- und Sozialgeschichte.“

Das Heimatmuseum

1.12.2007, IMG_0447Auf der anderen Straßenseite steht der Wanderer vor dem Heimatmuseum (Foto: Scheffler, Dezember 2007) in der Steintorstraße 17. Im Jahre 1981 erwarb die Gemeinde das wohl älteste erhaltene

Wohngebäude des Ortes zur Errichtung eines Heimatmuseums. Bekannt war zu diesem Zeitpunkt, dass das Gebäude den vierten großen Stadtbrand von 1742 unbeschadet überstanden hatte. Bei näheren Untersuchungen stellten das Rheinische Amt für Denkmalpflege, das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege und Diplom-Ingenieur Heinrich Buß vom Hochbauamt der Gemeinde Schermbeck fest, dass die ersten menschlichen Eingriffe auf dem Grundstück im 13. Jahrhundert erfolgten. Das Gebäude selbst stammt aus dem Jahre 1566. Drei Jahre später wurde es aufgestockt. Im Verlauf der Jahrhunderte hat das Gebäude mehrere bauliche Änderungen erfahren. Mit den Umbauarbeiten für das geplante Museum begann man im September 1985. Innerhalb von zwei Jahren wurde das ehemalige Gebäude fast völlig in seine baulichen Einzelteile zerlegt, restauriert und an derselben Stelle wieder aufgebaut.

Das Gebäude, das am 4. Dezember 1987 offiziell seiner Bestimmung übergeben wurde, stellt mit seiner baulichen Substanz ein informatives Beispiel für die Bauweise früherer Jahrhunderte dar. Die Scherwand zwischen den beiden größten Räumen im Obergeschoss wurde so erstellt, dass der schrittweise Aufbau sichtbar blieb. Der Fachwerkbau (Foto: Scheffler, 2007), ein Kieselsteinboden und ein Bussemraum mit offener Feuerstelle sind ebenso sehenswerte bauliche Elemente wie die seitlichen Kübbungen. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wurde in Ständerbauweise errichtet und wird dem Typ des niederrheinischen Hallenhauses zugeordnet.

Das Museum zeigt eine Fülle von Zeugnissen der vielhundertjährigen Kulturgeschichte Schermbecks, die in zwei Jahrzehnten zusammengetragen werden konnten. Das untere Foto zeigt Johannes Dahlhaus mit einer Pfeilspitze, die er dem Museum als Leihgabe überreichte (Foto: Scheffler, 10. August 2006). Von Beginn an hat es viele Schermbecker gegeben, die Gegenstände als Dauerleihgabe zur Verfügung stellten. Das Inventar wuchs dadurch von Jahr zu Jahr. In zwanzig Jahren entstand ein enormer Platzbedarf. Das Museum platzt aus allen Nähten. Ein dringend erforderlicher Dachausbau scheiterte bislang an den Finanzmitteln zum Bau einer Treppe und erforderlicher Dachfenster. Die Gemeinde stellte zwei Räume im Rathaus-Altgebäude für eine kostenlose Nutzung zur Verfügung. Dort werden auch ältere Exponate der Ausstellungen aufbewahrt. Sperrige Gerätschaften wurden in eine Scheune in der Gahlener Bruchstraße ausgelagert.

Die im Museum verbliebenen Gegenstände geben einen ausgezeichneten Überblick über die Lebens- und Arbeitsgewohnheiten der Schermbecker in früheren Jahrzehnten. Viele landwirtschaftliche Geräte und Werkzeuge aus der Ziegelproduktion weisen auf die bedeutendsten Wirtschaftszweige Schermbecks zu Beginn des 20. Jahrhunderts hin. Sie können in besonderer Weise bei Kindern und Jugendlichen als Anschauungsmaterialien für eine Zeit dienen, die sie ansonsten allenfalls aus den Erzählungen ihrer Großeltern kennen. Im Laufe der Jahre wurden zusätzliche Schränke und Vitrinen gekauft, um Funde besser präsentieren zu können. Ein Öllämpchen und eine Jakobskanne aus dem 15. Jahrhundert sind Zeugen mittelalterlichen Lebens. Naturgemäß gehören zur neuzeitlichen Sammlung die meisten Exponate. Ziegeleiprodukte, viele Töpfe und Kannen aus der heimischen Töpferei werden präsentiert. Eine Vitrine im Obergeschoss wurde für den bedeutendsten Schermbecker reserviert, für den frühexpressionistischen Dichter Gustav Sack. 47 Ausstellungen wurden in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten im Heimatmuseum gezeigt. Sie ließen in der Summe ein Mosaik der Geschichte Schermbecks seit der Römerzeit

Das Museum erwies sich seit seiner Eröffnung als ein Publikumsmagnet, zumal der Eintritt bei den sonntäglichen Öffnungen kostenlos ist. Häufig sind Schulklassen und Vereine zu Gast. Etwa 2000 Besucher kommen jährlich ins Museum. Gruppen werden auf Wunsch vom Heimat- und Geschichtsverein Termine für Sonderführungen gewährt. Mehrmals jährlich werden kostenlose Führungen durch das Museum über die lokale Presse bekannt gegeben. Wer in der Steintorstraße 17 den „Duft vergangener Jahrhunderte“ geschnuppert hat, macht sich anschließend mit völlig anderer Sehweise auf den Rundgang durch das über 1200 Jahre alte Schermbeck, wo Spuren von Kulturgütern zusehends überformt oder verbaut werden.

Ehemaligen reformierte Kirche

reformierte Kirche, Scheffler SchermbeckWendet man sich beim Verlassen des Museums nach links, um ein Stück in Richtung Burg zu gehen, so steht man nach etwa 100 Metern vor der ehemaligen reformierten Kirche. Ein Vorläuferbau dieses Gotteshauses stand an der Ecke der heutigen Mittelstraße/ Hogen Mai. Am 9. Oktober 1685 wurde er eingeweiht. Am 28./29. September 1742 war die erste Kirche durch die Nachlässigkeit eines Corps hannoverscher Soldaten abgebrannt. Über vier Jahrzehnte hindurch mussten Schermbecks Reformierte auf ihr Gotteshaus verzichten. Mehr als zwei Dutzend Bittschriften und mehrere Kollekten aus der Zeit zwischen 1742 bis zum Beginn der 80er-Jahre trugen ebenso wie der Zuschuss ex Aerario Ecclesiastico dazu bei, dass 1780 mit dem Bau des neuen Gotteshauses begonnen werden konnte. Am 28. Mai 1786 wurde die neue reformierte Kirche feierlich eingeweiht. Im Verlauf von 200 Jahren hat der achteckige Barockbau mehrmals eine andere Nutzung erfahren. Ob das Gotteshaus während der Napoleonischen Kriege gemäß dem Vorschlag Bürgermeister Maassens als Krankenlager diente, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Nach der Unierung der Reformierten undreformierte Kirche, Scheffler Schermbeck Lutheraner im Jahre 1830 wurde die reformierte Kirche 85 Jahre lang als Schulgebäude genutzt. Während 1926 bis 1928 die Georgskirche gründlich erneuert wurde, diente die reformierte Kirche als Notbehelf. Die Zerstörung der Georgskirche durch die Bomben der Alliierten im März 1945 ließ das kirchliche Gemeindeleben noch einmal in der reformierten Kirche erblühen. Sechseinhalb Jahre lang wurde hier Gottesdienst abgehalten und Schulunterricht erteilt. Als einer der schönsten nach dem Krieg noch erhaltenen Barockbauten am Niederrhein wurde die kleine Kirche (Foto: Scheffler, Februar 2004) unter Denkmalschutz gestellt.

Seit dem 1. Juni 1956 diente das Gebäude als Kreis- bzw. Gemeindebücherei. Am 1. Oktober 1996 wurde der Buchbestand in die neu eröffnete Bücherei im Soziokulturellen Zentrum gegenüber dem neuen Rathaus übernommen. Im Winter 1996/97 bezog die Künstlergruppe Nebelhorn das Gebäude, musste aber wenige Monate später ins Lühlerheim ausgelagert werden, weil der Kreis Wesel wegen des maroden Zustands des Gebäudes eine weitere Nutzung als Atelier ausschloss. Am 1. August 1998 übergab die Georgsgemeinde das ehemalige Kirchlein an die Kommunalgemeinde. Eine grundlegende Sanierung wurde durchgeführt. Die feierliche Eröffnung des neuen Gebäudes fand am 20. September 2003 statt. Gegenwärtig dient das Gebäude als kleinstädtische Kulturstube. Die Kulturstiftung bietet der Bevölkerung ein attraktives Jahresprogramm an, das in der Regel jedoch nur schwach frequentiert wird.

 Die Straße Hogen Mai führt an der Rückseite der reformierten Kirche vorbei zu dem Standort des Vorgängerbaus, an den nur noch die Bronzetafel am Einrichtungshaus Vennhoff (weißer Klinkerbau, links; Scheffler, Juli 2009) erinnert. Diese erste reformierte Kirche war ein Zugeständnis an die reformierte Gemeinde, deren Anfänge in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurückreichen. Lange Zeit bemühte sich die Gemeinde um den Bau eines Gotteshauses. Erst im Jahre 1675 befasste sich die in Emmerich tagende klevische Synode mit den Planungen. Zehn Jahre später wurde die erste reformierte Kirche eingeweiht. Nach dem Stadtbrand des Jahres 1742 blieb an dieser Stelle nur noch das reformierte Pfarrhaus, in dem nach der Unierung auch die unierten Pfarrer wohnten.

 Fortsetzung folgt noch. Die Literaturangaben werden am Ende des gesamten Aufsatzes ergänzt.

 Texte und Fotos sind Urheberrechtlich geschützt.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.