Heimatdichter Paul Heckermann wurde vor 125 Jahren geboren

Paul Heckermanns Gedichte sind wertvolle Gahlener Zeitdokumente

Er hat deutliche Spuren im Lippedorf Gahlen hinterlassen: Vor dem Hause Heckermann in der Haus-Gahlen-Straße 18 erinnert eine Bronzetafel an einem dicken Stein an den Gahlener Heimatdichter Paul Heckermann, der heute (18. Oktober) vor 125 Jahren im Lippedorf geboren wurde.

    Unzählige Impulse

Bei seiner Beerdigung im Dezember 1965 sangen die Gahlener Laienspieler die letzte Strophe seines Heimatliedes. Dann wurde es still um den Heimatdichter Paul Heckermann, dem das Lippedorf unzählige Impulse für jene dörfliche Gemeinschaft verdankt, die heute als mustergültig im gesamten Kreis Wesel anzusehen ist.

Wiederbesinnung

Paul Heckermann um 1917. Repro: Helmut Scheffler

     Die Wiederbesinnung auf den Bildungswert der Mundart in den 1980er-Jahren hat die Erinnerungen wachgerufen an die Leistungen eines Mannes, der schon vor dem Zweiten Weltkrieg in seinem Schaffen die Gültigkeit des Ausspruches ,,Mundart ist die Muttersprache der Hochsprache“ eindrucksvoll unter Beweis stellte. Inzwischen wird sein inbrünstiges Bekenntnis zum ,,Dörp med Feld un Wisse, Erl un Wejenbusch, Kärk un Möllrad“ zum Schluss fast aller Heimatveranstaltungen gesungen. Das ist sicherlich ein schönes posthumes Geschenk für einen Mann, der am 18. Oktober 125 Jahre alt geworden wäre.

Zigarrengroßhandel

Paul Heckermann und seine spätere Frau Margret im Jahre 1917. Die Hochzeit fand am 26. Februar 1921 in Gummersbach statt. Repro: Helmut Scheffler

     Paul Heckermann wurde als Nachfahre einer seit vielen Generationen in Gahlen ansässigen Familie im Lippedorf geboren. Die Selbstverständlichkeit, mit der Paul Heckermann 1928 den Zigarrengroßhandel vom Vater übernahm und gleichzeitig die seit 1860 bestehende Geschäftsstelle der Provinzial-Feuerversicherungsstelle fortführte, ist kennzeichnend für den jungen Mann, der sich ganz als Wurzel des In-Sich-Gewachsenen begriff.

    Schon in den 1920er-Jahren interessierte sich Paul Heckermann für Brauchtum und die Aussagekraft der heimischen Mundart. Anders als viele seiner zeitgenössischen Schriftsteller, welche die Loslösung von der realen Lebenssituation als Grundvoraussetzung ihres Schaffens benötigten, stand Paul Heckermann mit beiden Beinen voll in der ihn umgebenden Lebenswirklichkeit.

Mitbegründer des Turnvereins Gahlen

     Wie sehr er sich dabei der Gemeinschaft verpflichtet fühlte, lässt die bloße Aufzählung seiner Verbindungen zum Vereinsleben schlaglichtartig erkennen. Paul Heckermann war Mitbegründer des Turnvereins Gahlen, Vorsitzender des Bienenzuchtvereins, Vorsitzender der Kyffhäuserkameradschaft, Mitglied des Männergesangvereins Östrich, Mitbegründer des Heimatvereins Gahlen nach dem Zweiten Weltkrieg, dessen Geschäftsführer und Kulturwart er in den 1950er-Jahren war.

20. Jahrhundert

     Im Herzen des Lippedorfes lebend, registrierte Paul Heckermann sensibel die Vorgänge des dörflichen Alltags. Seine überwiegend in Plattdeutsch verfassten Gedichte, Erzählungen und Bühnenstücke sind daher zeitgeschichtliche Dokumente geworden, ein Kompendium Gahlener Lebens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass sie wegen der damals noch fehlenden Medienflut heutiger Tage für einzelne Lebensbereiche die einzigen schriftlichen Zeugnisse ablegen, macht die Werke Paul Heckermanns nur noch wertvoller.

Wenn der Vater Cornelius Heckermann alljährlich – wie hier im Jahre 1936 – am 14. August seinen Geburtstag feierte, ließ sich ab und zu die Familie an seinem Lieblingsplatz im Garten fotografieren. Dann war auch Paul Heckermann mit seiner Frau Margret (hinten rechts) dabei. Repro: Helmut Scheffler

     „Gemessen ist sein Schritt, schwer hängt der Korb an seinem Gnick, aus schwiel´gen Händen fliegt die Saat.“ Eine bildhafte Sprache, Zeile für Zeile ein Gemälde, gezeichnet mit farbigem Vokabular, das Paul Heckermann meisterhaft beherrschte. Mehrere hundert Gedichte zeugen von seinem engen Kontakt zu den Landwirten, als habe er selbst dem Pflug den rechten Weg durch die Scholle gewiesen.

Lieblingsblumen

     Naturverbundenheit hat sich in Naturlyrik verdichtet. Der große Garten vor dem Haus, in dem Paul Heckermann häufig saß oder seine Lieblingsblumen, Dahlien und Rosen, pflegte, hat ihn ebenso inspiriert wie Wanderungen durch den Hünxer Wald oder Angelpartien an der Lippe, wo die Familie seit Alters her zwischen dem Dorstener Schölzbach und dem Steinbach ein Angelrecht besaß.

In zahlreichen Ölgemälden hat Paul Heckermann die Fülle der ihn umgebenden Natur festgehalten. „Die Schönheit der Natur zwingt uns, sie zu lieben, wer aber die Heimat verleugnet, verleugnet sich selbst“, schrieb Paul Heckermann 1936 in ein Fotoalbum.

An seinem Lieblingsplatz im Garten las Paul Heckermann häufig – wie hier im Jahre 1934 – den Kindern kleine Geschichten vor. Repro: Helmut Scheffler

     Zahlreichen Zeitungsartikel

Unvermittelt zog´s Paul Heckermann aus stiller Naturbetrachtung dann wieder unter Menschen. Deren kleine Schwächen wusste er auf humorvolle Weise vorsichtig zu karikieren und öffentlich vorzutragen. Feste und Jubiläen waren für ihn willkommene Gelegenheiten, Kostproben seiner literarischen Betätigung zu geben. Begebenheiten aus Gahlen aus seiner Feder wurden auch in zahlreichen Zeitungsartikeln abgedruckt.

Schlüsselloch

     „Wat Jann van Gohlen op et Kölner Turnfess erläwt“, wird im Nachlass ebenso lebendig gehalten wie der Streich der Nachbarkinder, die den überpünktlichen Pastor Richter mächtig ärgerten, als sie das Schlüsselloch der Kirche mit Weidenholz zustopften.

      Ganze Unterhaltungsnachmittage wusste Paul Heckermann zu gestalten, wie ein Blick in die Programme beweist, die er für die Treffen der im Krieg in Gahlen stationierten Flaksoldaten zusammenstellte. Texte und Lieder, die bei solchen Gelegenheiten oder beim plattdeutschen Abend am zweiten Ostertag des Jahres 1942 zugunsten des Kriegs-Winterhilfswerks von der Laienspielschar vorgetragen wurden, hat Paul Heckermann selbst verfasst. Neun Theaterstücke, welche Paul Heckermann schrieb, wurden von der Spielschar bei Schult auf dem Kamp oder im Saal von Uhlenbruck aufgeführt.

Denkmal im Lippedorf

      Literarisch sind keine Stellen bekannt, die nationalsozialistisches Gedankengut propagierten. Als Heimatdichter ist Paul Heckermann also „sauber“. Als vor etwa drei Jahrzehnten erstmals in den Reihen des Gahlener Heimatvereins darüber diskutiert wurde, dem Heimatdichter postum ein Denkmal im Lippedorf zu setzen, wurde ihm in einem Leserbrief vorgeworfen, als einflussreicher Geschäftsmann nichts gegen die braunen Ortsgruppenmitglieder unternommen zu haben. Heute wird so etwas nicht mehr im Lippedorf diskutiert. Die sich öffentlich äußernde Bevölkerung ist stolz auf ihren Heimatdichter.

Heimatforscher Willy Erley

     Bisweilen hat Paul Heckermann in seinen Erzählungen den Blick zurückgeworfen auf den Alltag des 19. Jahrhunderts. Die heimatkundlichen Grundlagen für solche literarischen Exkurse in der Gahlener Vorzeit lieferte ihm der Heimatforscher Willy Erley, mit dem sich Paul Heckermann jahrzehntelang prächtig verstand. Beide waren Motoren, als in den 1950er-Jahren der Heimatverein erstarkte.

     Dass Paul Heckermann vor dem Zweiten Weltkrieg auch an der Staffelei beachtliches Talent bewies, ist im Lippedorf weitgehend unbekannt. Einige seiner Bilder sind inzwischen zu Dokumenten der Ortsgeschichte geworden, weil sie Gebäude zeigen, die der Zweite Weltkrieg zerstörte.

Lebensweg des Mundartdichters

     Die Zeit, den umfangreichen Nachlass Paul Heckermanns in einer schriftlichen Gesamtdarstellung umfangreich zu würdigen, ist längst überfällig, zumal die Zahl derer, die den Lebensweg des Mundartdichters in der Vorkriegszeit begleiteten, extrem gering geworden ist. Für den Heimatverein, der im siebten Jahrzehnt seines Bestehens das Lippedorf prägt, kann es kaum ein besseres Aushängeschild geben als die Initiativen des Gespanns Erley/Heckermann, die dem Verein unverwechselbare Konturen verschafften. Helmut Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.