Hat die Schafzucht am Niederrhein noch Zukunft? Peter Malzbender fordert schnelles Handeln: „Gloria muss geschossen werden, wenn sie der Problemwolf ist“. Diese deutliche Forderung zeigt, wie ernst die Lage für die Schafhalter in der Region ist. Die jüngsten Wolfsrisse haben die Diskussion um den Schutzstatus des Wolfes erneut angefacht und verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf.
Hat die Schafzucht am Niederrhein noch Zukunft? Unter diesem Titel luden betroffene vom Wolf betroffene Weidetierhalter aus dem Kreis zu einem Pressegespräch auf den Hof der Familie Specht am Donnerstag (29.8.) ein.
Wie können die Schafhalter ihre Schafe schützen? Eine zentrale Frage von Stephan Steinkühler, der diesen Tag moderierte. Anwesend waren Vertreter aus Politik, Naturschutzverbänden sowie der Schafzüchter Erich Specht und sein Sohn Moritz waren vor Ort, um die drängenden Herausforderungen der Schafzucht in der Region zu diskutieren. Anlass für das Treffen waren die jüngsten Wolfsrisse, bei denen fünf Zuchtschafe getötet wurden. Seit Jahrzehnten weiden die Schafe friedlich in den Lippeauen, doch die zunehmende Präsenz von Wölfen stellt die Züchter vor existenziellen Herausforderungen.
Schutzmaßnahmen am Limit: Was kann ich noch tun?
Erich Specht, der die aktuelle Situation eindrucksvoll schilderte, berichtete, dass seit dem Auftauchen der Wölfin im Jahr 2018 umfangreiche Schutzmaßnahmen auf dem Hof ergriffen wurden. „Wir haben alle Flächen und Gebäude mit Herdenschutzzäunen versehen“, erklärte Specht. Diese Maßnahme habe den Hof bereits rund 50.000 Euro gekostet, von denen nur 20.000 Euro als Materialförderung gedeckt wurden“. Bis 2023 seien, so Specht, die Kosten auf insgesamt 60.000 Euro angestiegen, mit weiteren 7.000 Euro, die allein in diesem Jahr für die Erneuerung und Pflege der Zäune angefallen seien. Diese Summe übersteigt die üblichen bisherigen Unterhaltungskosten von 3.000 bis 5.000 Euro deutlich“.
Maximum an Schutzmaßnahmen erreicht
Trotz dieser umfangreichen Vorkehrungen gelang es einem oder mehreren Wölfen, die 1,20 Meter hohen Zäune zu überwinden. „Wir haben das Maximum an Schutzmaßnahmen erreicht“, so Specht weiter. Die Frage, wie die Tiere nachts noch besser geschützt werden könnten, blieb im Raum stehen. Die Idee, noch höhere Zäune aufzustellen, sei insbesondere in Naturschutzgebieten problematisch, da dort Zäune von 1,60 bis 1,80 Metern Höhe schwer vorstellbar seien. Auch der Einsatz von Herdenschutzhunden wurde als keine universelle Lösung angesehen, da ihr Einsatz stark vom jeweiligen Betrieb abhing.
Keine schnellen Lösungen in Sicht
Im Verlauf des Pressegesprächs herrscht Einigkeit darüber, dass es aktuell keine sofort umsetzbaren Maßnahmen für Erich Specht und andere betroffene Schafzüchter gebe. Der bestehende Wolfsmanagementplan in Nordrhein-Westfalen stammt aus dem Jahr 2016 und bezieht sich lediglich auf durchziehende Wölfe, während es mittlerweile feste Rudel in der Region gibt.
Seit 2016 habe es in diesem Bereich keine Weiterentwicklung gegeben, was den Anwesenden starke Kritik entgegenbrachte. Die passive Herangehensweise des Landes beim Wolfsmanagement wurde als unzureichend und dringend reformbedürftig bezeichnet.
Forderung nach Anpassung des europäischen Schutzes
Ein zentraler Konsens unter den Teilnehmern war die Forderung nach einer Anpassung des Schutzstatus des Wolfes auf europäischer Ebene. In anderen Ländern ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, Wölfe zu entnehmen, während dies in Deutschland derzeit nicht erlaubt ist. „Alle politischen Ebenen – ob Landes-, Bundes- oder europäische Ebene – müssen aktiv werden, um den Weidetierhaltern den notwendigen Schutz zu bieten“, lautete die einhellige Meinung.
Malzbender fordert: Problemwolf Gloria bei Nachweisen abschießen
Besonders kontrovers wurde die Situation um die auffällige Wölfin Gloria diskutiert. Peter Malzbender, Kreisvorsitzender des NABU Kreis Wesel, äußerte sich in einer für ihn ungewöhnlichen Deutlichkeit zugunsten der Schafzüchter.
Einigkeit bestand auch darin, dass auffällige Wölfe, wie beispielsweise die Wölfin Gloria, entnommen werden müssten, sofern der gesetzliche Rahmen dies zulässt. Zum ersten Mal stellte sich Malzbender offen auf die Seite der Schafzüchter und Weidetierhalter. Für ihn blieb die Frage jedoch offen, ob, wie Stephan Steinkühler vom Bürgerforum Gahlen Wolf betonte, tatsächlich mehrere Rudel in diesem Gebiet beheimatet seien. Was Malzbender jedoch nachdrücklich unterstützte, war die Forderung, dass das LANUV „endlich aus dem Quark kommen muss.“ „Wir brauchen ein professionelles Monitoring, das von Amts wegen erfolgen muss, damit wir überhaupt wissen, worüber wir sprechen“, so Malzbender.
Schafhaltern vor Ort muss wirklich geholfen werden
Es gehe ihm darum, dass den Schafhaltern vor Ort wirklich geholfen werde. „Und ich sage das nicht, um Wasser auf die Mühlen zu gießen, sondern weil es dringend notwendig ist. Und wenn nachgewiesen wird, dass Gloria tatsächlich der Problemwolf ist, dann sage ich: ‚Weil sie ja alle darauf warten, jawohl, Gloria muss nicht entnommen werden, sondern nein, sagen wir doch, Gloria soll gekillt werden, geschossen werden, wenn denn Gloria nachgewiesen wird“, so Malzbender. Gleichzeitig fragte auch er sich, warum das LANUV so lange brauche, um die Ergebnisse der letzten Risse offenzulegen: „Sie lassen uns auch von der Seite des Naturschutzes total im Regen stehen“.
Rechtliche Hürden: Was blockiert den Schutz der Weidetiere
Klaus Horstmann vom Kreis Wesel, Fachbereich Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Fischerei, nahm ebenfalls Stellung zur Problematik und wies auf die rechtlichen Hindernisse hin, die den Schutz der Schafhalter erschweren. Er betonte, dass viele der ausgesprochenen Verfügungen, die auf Grundlage des Beschlusses der Umweltministerkonferenz erlassen wurden, von den Gerichten wieder einkassiert würden. Vor dem Hintergrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem Fall aus Österreich, das besagt, dass Wölfe nicht erschossen werden dürfen, habe man erkannt, dass es mit den üblichen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht möglich sei, einen Wolf zur Entnahme freizugeben.
Horstmann unterstrich die Notwendigkeit, die Gesetze von oberster Ebene anschließend anzupassen, um rechtliche Grundlagen zu schaffen, die vor Gericht Bestand haben. Besonders wichtig sei dies, da bei Verfügungen häufig seitens der Verbände Klage eingereicht werde und diese Entscheidungen dann überprüft würden. Bisher waren leider alle Verfügungen, die auf dieser Grundlage erlassen wurden, gerichtlich gekippt worden.
Nachtwache als Schutzmaßnahme?
Eine zusätzliche Schutzmaßnahme könnte die Organisation von Nachtwachen sein, um zu verhindern, dass Wölfe in der Nacht eindringen und wertvolle Tiere gefährden. Christiane Rittmann schlägt vor, dass der NABU hierbei eine Rolle übernehmen könnte: „Der NABU ist eine große Organisation im Kreis Wesel. Könnten Sie, Herr Malzbender, nicht auch in solchen Fällen mit Nachtwachen unterstützen? Nicht Sie persönlich, sondern aus Ihrem Fundus an Mitglieder heraus.“
Peter Malzbender antwortete: „Sie haben recht, wir haben 9.600 Mitglieder – mehr als alle politischen Parteien im Kreis Wesel. Wir werden diese Möglichkeit prüfen. Allerdings sind NABU-Leute normalerweise nicht gerne nachts irgendwo unterwegs. Wenn Herr Specht Unterstützung von NABU-Mitgliedern möchte, werde ich nachfragen, und es werden sich sicherlich ein oder zwei Freiwillige finden“.
Rittmann entgegnete: „Wir hätten uns gefreut, ein solches Angebot schon früher zu erhalten. Das wäre besonders in den Jahren 2018 und 2020 hilfreich gewesen, als wir hier einen Übergriff nach den anderen hatten. Trotzdem freuen wir uns über die Bereitschaft zur Unterstützung“.
Besorgniserregende Situation
Stephan Wolters, MdL (CDU), betonte, dass die aktuelle Situation sehr besorgniserregend sei: „Unsere Arbeit muss sich darauf konzentrieren, die Schafhalter zu unterstützen, damit die Weidetierhaltung auch in Zukunft bleibt“. Wir müssen den Erhaltungszustand, sprich den Schutzstatus, auf den verschiedenen gesetzgeberischen Ebenen angehen. Das bedeutet, dass der Schutzstatus auf europäischer Ebene geändert und in nationales Recht übernommen werden muss, damit wir in Nordrhein-Westfalen die notwendigen Anpassungen vornehmen können. Nur so können wir den entscheidenden Schritt weiterkommen, den wir heute dringend benötigen“.
Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene anpassen
Charlotte Quik, ebenfalls Mitglied des Landtags (CDU), ergänzte: „Trotz aller Bemühungen der Weidetierhalter ist das Konzept des Herdenschutzes gescheitert.“ Die Lösung kann nicht darin bestehen, immer höhere Zäune zu bauen. Stattdessen müssen wir den Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene anpassen und sicherstellen, dass Wolfsgebiete dort ausgewiesen werden, wo es sinnvoll ist – und nicht nur dort, wo der Wolf es für möglich hält“.
Fazit: Zukunft der Schafzucht
Die Diskussion auf dem Hof der Familie Specht machte die ernsten Herausforderungen, vor denen die Schafzucht am Niederrhein steht, deutlich. Die bisherigen Schutzmaßnahmen stoßen an ihre Grenzen, während das Wolfsmanagement in Nordrhein-Westfalen hinter den Anforderungen zurückbleibt. Ein breiterer Konsens bestand darin, dass sowohl rechtliche Anpassungen als auch eine verstärkte Unterstützung der Weidetierhalter notwendig sind, um die Schafzucht in der Region langfristig zu sichern. Die Zukunft der Schafzucht am Niederrhein bleibt ungewiss, solange keine wirksamen Schutz gibt.