Hans Zelle: Rede zum Erntedankfest 2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

in diesem Jahre möchte ich meine Gedanken zum heutigen Erntekranzrichten zusammenfassen unter der Überschrift „Jammern auf hohem, sogar oft auf höchstem Niveau“.

       Überall auf der Welt werden wir – und unser Land – geschätzt, oft bewundert oder wenigstens beneidet. Kürzlich las ich, dass auf die weltweite Frage: „Wo würden sie gerne leben?“ die meistens antworteten: In den USA und in Deutschland. Außerhalb unseres Landes hat man jedenfalls einen anderen Blick auf uns, als wir es selbst haben. In Gesprächen habe ich nicht selten festgestellt, wie erpicht viele von uns auf miese Laune sind. Viele warten geradezu darauf, meckern zu können. Ich will nur einige der Antworten nennen, die auch hin und wieder von der Presse übernommen werden:  – die Reichen hinterziehen doch alle Steuern; – die Beamten und Lehrer arbeiten nix; – Der Euro ist unser Untergang; – Politiker haben keine Ahnung und wollen nur kassieren; – Ausländer sind Sozialhilfebetrüger; – Eltern sind schlecht für Kinder, Krippen sind besser.

Der Heimat- und Geschichtsvereinsvorsitzende Hans Zelle hielt vor der Volksbank eine Rede anlässlich des Erntedankfestes. Foto Scheffler
Der Heimat- und Geschichtsvereinsvorsitzende Hans Zelle hielt vor der Volksbank eine Rede anlässlich des Erntedankfestes. Foto Scheffler

Solche Gespräche, aber auch in sozialen Netzwerken ist zu lesen, dass wir Deutschen wahrscheinlich das am schlechtesten gelaunte Volk der Welt sind. Aber trifft das zu, wie ist es wirklich? Wir feiern und feiern. An Wochenenden war das Grillfleisch in einigen Läden sogar ausgegangen. Vielfach lassen wir es richtig krachen, koste es, was es wolle.  Denken wir zurück:. Über Jahrtausende haben sich Menschen als Jäger und Sammler ernährt. Sie lebten von dem, was sie in der Nähe ergattern konnten. Genuss setzte körperliche Anstrengungen voraus. Der Körper speicherte Fett für karge Zeiten. Das war seinerzeit zum Überleben wichtig. Heute dagegen brauchen wir nur in den Supermarkt zu gehen, was dort alles angeboten wird. Längst wissen wir, dass Überfluss mehr belastet als Einschränkung. Wir gönnen uns mehr, als unser Körper verbraucht. Weil wir uns zu wenig bewegen, zu viel und zu fett oder zu süß essen, leiden immer mehr Menschen an Zivilisationskrankheiten. Viele Kinder sind schon krankhaft, übergewichtige Erwachsene leiden unter Bluthochdruck  als Folge ihres Übergewichtes. Was uns fehlt, meine lieben Zuhörer, ist ein| ausgewogenes Verhältnis von Anstrengung und Ernährung. Eigentlich ist unser Körper ausgelegt auf eine tägliche, ich nenne sie mal  „Marathonstrecke“, man sollte sich bewegen. Dazu gibt es eine Vielzahl von Ausgleichsangeboten. Bedenken Sie bitte auch, dass z.B. mit dem Verzicht auf Genuss dem Körper ebenso wenig geholfen ist. Wer sich auf Diäten versteift, wird oftmals griesgrämig oder gar geschwächt.

Um das zu vermeiden, sollen wir an unsere Vorfahren denken. Wer sich genügend bewegt, hat das Zeug zum gesunden Leben und Genießen. Wir sollten uns dieses Glück nicht durch Verführung zu bewegungsarmer Bequemlichkeit verderben lassen.

Meine Damen und Herren, warum sage ich das zum Erntedankfest?  Uns geht es eigentlich sehr gut. Berücksichtigen und bedenken wir außerdem, wie in reichen Ländern, wie in unserem, mit Lebensmitteln umgegangen wird. Noch genießbare Lebensmittel werden in Müllcontainern entsorgt. Wir werden mit guten Gaben gesegnet, doch wir wissen den Überfluss nicht mehr zu schätzen. Meine Bitte geht dahin, das Bewusstsein für Lebensmittel zu schärfen und Ordnung zu schaffen im Einkaufsverhalten. Kaufen Sie nur so viel, wie Sie auch wirklich verbrauchen. Lassen Sie Ihre Lebensmittel nicht in den Kühlschränken vergammeln. Und denken Sie nicht nur heute an das Danken für den Tatbestand, dass wir in einem reichen Land leben und dass die von mir eingangs genannten Meinungen vieler Mitmenschen eigentlich gar nicht stimmen können. Die viel kritisierten Verantwortlichen sorgten und sorgen dafür, dass wir diesen Wohlstand in Deutschland erreicht haben und eben nicht alles mies in unserem Lande ist. Sie bemühen sich in der Tat, das Beste für uns zu sichern.

Und wir sind in der Lage, liebe Zuhörer, ohne dass es uns arg trifft, für Arme etwas abzuzweigen und zu helfen. Und dafür sollten wir stets offen  und dankbar sein. Und freuen sollten wir uns, dass wir in Frieden Erntedankfest feiern können und auch heute hier dabei sein dürfen. Der Erntekranz soll letztlich nur ein äußeres Zeichen der Dankbarkeit, für Saat, Ernte und unser Wohlergehen sein. Aus Dankbarkeit sollten wir auch an diesem Tage in die Gottesdienste gehen. Und deshalb haben wir hier wieder einen Erntekranz richten lassen.

 Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.