Mehr als 100 Besucher nahmen an einer Gedenkfeier für Gustav Sack teil
Schermbeck Als der Schermbecker Leutnant Gustav Sack am 5. Dezember 1916 auf dem Vormarsch der deutschen Soldaten gegen Bukarest bei Finta Mare von einer Kugel tödlich in die Brust getroffen wurde, stand beim anschließenden Begräbnis in Rumänien kein Schermbecker am Grab des 31-Jährigen. Umso größer war der Andrang am Sonntag in der Aula der Gesamtschule, wo die Bevölkerung an die 100. Wiederkehr des Todestages Gustav Sacks erinnerte, der zu den bedeutendsten Literaten des rheinisch-westfälischen Grenzbezirkes im frühen 20. Jahrhundert gehörte.
Es hat lange gedauert, bis dem größten Teil der Schermbecker Bevölkerung bewusst wurde, welch großes literarisches Talent Gustav Sack besaß, das schließlich dazu führte, dass er unter Angabe seines Geburtsortes Schermbeck in den 20-bändigen „Brockhaus“ und in das historisch-biographische Lexikon „Neue Deutsche Biographie“, das Standardwerk für die Vorstellung bedeutender deutscher Persönlichkeiten, aufgenommen wurde.
Die Tatsache, dass sowohl der Gesamtschulleiter Norbert Hohmann als auch Karl Gormanns als Vorstandsmitglied des Heimat- und Geschichtsvereins Schermbeck Deutschlehrer sind und mit ihren Schülern das Werk Gustav Sacks im Unterricht analysierten und interpretierten, förderte die enge Zusammenarbeit beider Gremien bei der Planung einer Gedenkveranstaltung, an deren Organisation sich auch die Schermbecker Kulturstiftung beteiligte und die von den beiden lokalen Banken finanziell gefördert wurde.

Als „verkanntes literarisches Genie, einen Fall für den Psychiater, einen liebevollen Ehemann, einen Anti-Spießbürger und als einen gesellschaftskritischen Analytiker“ charakterisierte der Heimat- und Geschichtsvereinsvorsitzende Rolf Blankenagel in seiner Begrüßung der mehr als 100 Zuhörer Gustav Sack.
Die Aufgabe, Gustav Sacks Leben und Werk vorzustellen, an die Rezeptionsgeschichte seiner Romane und Gedichte zu erinnern und den Wandel der Akzeptanz seiner Werke durch die Schermbecker Bevölkerung zu kennzeichnen, übernahmen Norbert Hohmann, Bürgermeister Mike Rexforth und der Moderator Karl Gormanns in ihren Vorträgen. So entstand das Lebensbild eines Mannes, der am 28. Oktober 1885 in Schermbeck geboren wurde, am Königlichen Gymnasium in Wesel sein Abitur bestand, an mehreren Universitäten Germanistik und Naturwissenschaften studierte, sich aber verstärkt literarisch betätigte. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges entkam Gustav Sack durch seine Flucht in die Schweiz dem Wehrdienst. Wirtschaftliche Verhältnisse am Rande des Existenzminimums zwangen ihn zur Rückkehr. Er wurde Soldat, zunächst an der Westfront und schließlich in Rumänien.

Zu Lebzeiten wurden nur ganz wenige kleine Werke publiziert. Für die posthume Veröffentlichung in großen deutschen Verlagen sorgte Gustav Sacks Ehefrau Paula Sack (geb. Harbeck). Ein Jahr nach seinem Tod erschien der Roman „Ein verbummelter Student“ mit stark autobiografisch geprägten Handlungssträngen. 1919 wurde der zweite Roman „Ein Namenloser“ veröffentlicht. Im Jahr darauf erschienen im S. Fischer Verlag die zweibändigen „Gesammelten Werke“, die außer den beiden genannten Romanen das Romanfragment „Paralyse“, das Schauspiel „Refraktär“, zwölf Novellen und die Gedichtesammlung „Die drei Reiter“ enthielten. Im zweiten Band erschienen zusätzlich Gustav Sacks Essays und Kritiken. Auf etwa 265 Seiten wurden 1962 auch Sacks Briefe und Tagebuchblätter veröffentlicht.
Aus dem gesamten Werk wurden für die Gedenkfeier am Sonntag Briefe ausgewählt, die zwischen 1914 und 1916 den Kontakt zwischen den Eheleuten Gustav und Paula Sack aufrecht erhielten. Die Oberstufenschüler Til Drescher und Friederike Westrich traten als Gustav und Paula Sack vor die Zuhörer, um äußerst einfühlsam Teile der Briefe vorzutragen. Sie traten in Kostümen auf, die Karl Gormanns vom Theater in Oberhausen erhielt. Deutschlehrerin Safiye Aydin hatte die Schüler auf ihren Auftritt vorbereitet. Die Briefe spiegelten Gustav Sacks Lebensumstände in Kriegszeiten ebenso wieder wie seine Wünsche, seine Beziehung zu Paula Sack und Phasen seines literarischen Schaffens.
Den musikalischen Part der Gedenkveranstaltung übernahm ebenfalls die Gesamtschule. Die Musiklehrer Christina Spellerberg und Dr. Kay-Uwe Kirchert hatten zum Werk und der Lebenszeit Gustav Sacks passende Werke ausgesucht. Das schulische Juniororchester schuf mit dem zweiteiligen „School Spirit“ die Illusion vorbeimarschierender Soldaten. Mitwirkende waren außerdem Mara Waschilewski (Gesang), Elisa Henzel (Flöte und Klavier) und Marisa Sievering (Gesang). „Ich habe versucht, zum Werk Gustav Sacks, das zwischen Impressionismus und Expressionismus angesiedelt ist, adäquate Musik zu finden, die auch von den Schülern umgesetzt werden konnte“, erläuterte Dr. Kirchert die Auswahl der Musikstücke.
Nach dem offiziellen Teil der Gedenkfeier, die mit einem Riesenapplaus für die Akteure endete, blieb während eines Umtrunks im Eingangsbereich der Aula Zeit, die ausgehängten großformatigen Bilder aus dem Leben Gustav Sacks zum Anlass zu nehmen, um über einen Schermbecker zu diskutieren, dessen bürgerliche Unangepasstheit im Kleinstädtchen Schermbeck dazu beigetragen hat, dass man jahrzehntelang auch das literarische Können nicht so recht akzeptieren wollte. Es bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass die jetzigen Organisatoren der Gedenkfeier zur intensiven Auseinandersetzung mit einem bemerkenswerten, aber nicht unumstrittenen Dichter beigetragen haben. H.Scheffler