Misstrauen – Gemeinderat befasst sich mit den Deponien

Gemeinde Schermbeck misstraut den Deponiebetreibern und deren Kontrolleuren

Aufgeschreckt durch die illegalen Ablagerungen von hochgiftigen Abfällen in einer lediglich als Ablagerung ausgewiesen Teilfläche der Firma Nottenkämper und durch offensichtlich mangelhafte Kontrollen seitens des Kreises Wesel und der Bezirksregierungen in Münster und Düsseldorf, wird jetzt auch die Gemeinde Schermbeck aktiv.

Zur „Wahrung von kommunalen Belangen gegenüber den Betreibern von Deponien in Schermbeck-Gahlen und im unmittelbar angrenzenden Hünxe-Gartrop“ möchte der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 10. Oktober eine Resolution erstellen.

Auf die Sondermülldeponie des Regionalverbandes Ruhrgebiet (im Vordergrund) und auf die Abgrabungen und Deponien der Firma Nottenkäper (im Hintergrund und links) bezieht sich die geplante Resolution des Gemeinderates. Luftbild: Helmut Scheffler

Als Begründung verweist Gerd Abelt als Leiter des Fachbereiches 4 darauf, dass „die Einwohner, ihre Privatgrundstücke und die Landschaft in diesem Bereich seit 1980 ununterbrochen den Einwirkungen der Ablagerung/Aufschüttung von Deponiestoffen der Klasse III bzw. I ausgesetzt sind.“

Die Planungen ließen erkennen, dass auch für die nächsten Jahrzehnte in diesem Bereich der Abgrabungs- und Deponiebetrieb fortgesetzt werden solle. „In den vergangenen 38 Jahren“, so Abelt, „waren insbesondere die unmittelbaren Anwohner unter anderem durch Brände auf den Deponiegeländen, genehmigungsüberschreitende Annahmen von eingelagerten Stoffen und anderen unerwarteten Ereignissen in besonderer Weise beansprucht.

Kein rechtes Vertrauen mehr

So recht vertraut die Schermbecker Verwaltung den Kontrollen der beteiligten Behörden nicht mehr, wie aus der schriftlichen Formulierung von „Bemühungen“ der Behörden hervorgeht. Deshalb will sie erreichen, dass künftig die Gemeinde Schermbeck stärkeren Einfluss auf die Kontrollen nehmen kann, um einen umweltverträglichen Deponiebetrieb zu erreichen. „Als Standortgemeinde bzw. unmittelbar angrenzende Gemeinde in Hauptwindrichtung“, so Abelt, „ist eine unmittelbare Betroffenheit zu erkennen.“

Weil die Gesundheit der Bürger ein sehr bedeutsames und damit schützenswertes Gut sei, könne man mit einer Resolution einen Beitrag zur Sachverhaltsklärung und Interessenwahrung anstoßen. Zudem habe die Gemeinde als Standortkommune keine rechtlichen Befugnisse, sodass eine Resolution die einzige Möglichkeit sei, seinen Forderungen Ausdruck zu verleihen.

Resolution

In der Resolution soll die Verwaltung mit fünf Aufgaben beauftragt werden. In einem ersten Schritt soll in Anfragen an die Deponiebetreiber und an die zuständigen Behörden geklärt werden, ob bislang gering strahlender Abfall abgelagert wurde, wie er beispielsweise beim Rückbau von Atomkraftwerken anfällt, oder künftig abgelagert werden soll.

Die Verwaltung soll beauftragt werden, bei den Betreibern von Deponien in Schermbeck-Gahlen anzufragen, ob man freiwillig und im jährlichen Abstand Kontrollen der Deponien durch unabhängige Umweltverbände zulassen wird.

Auf „die nicht fortsetzungswürdigen Erfahrungen“ Schermbecks soll die Verwaltung den Gesetzgeber hinweisen, um zu erreichen, dass die bisherige Eigenkontrolle der Deponie- und Abgrabungsbetreiber um Kontrollen durch unabhängige externe Institutionen ersetzt wird.

Die Resolution sieht in einem vierten Punkt vor zu erreichen, dass die zuständigen Behörden eine Luftmessstation im Heisterkamp aufstellen, welche neben den deponietypischen Schadstoffen auch ein Monitoring zur radioaktiven Belastung ermöglicht.

Deutliches Signal setzen

Im letzten Punkt der geplanten Resolution sollen das Ruhrparlament, der Kreis Wesel und das LANUV aufgefordert werden, auf die Ausweisung von Naturschutzgebieten auf den Flächen der Deponieanwohner zu verzichten. Die Gemeinde möchte ein deutliches Signal setzen, so Abelt, „dass ihre Liegenschaften nicht über naturschutzrechtliche Beschränkungen im (Beleihungs-) Wert deutlich reduziert und einem besonderen gesetzlichen Vorkaufsrecht unterworfen werden sollen.“

Stellungnahme des Gahlener BürgerForums zur Beschlussvorlage 00109/2018 der Gemeinde Schermbeck

Wahrung von kommunalen Belangen gegenüber den Betreibern von Deponien in Schermbeck-Gahlen und im unmittelbar angrenzenden Hünxe-Gartrop

 Resolution des Rates der Gemeinde Schermbeck

Das Gahlener BürgerForum unterstützt die Beschlussvorlage in vollem Umfang!
Wir möchten jedoch folgende Ergänzungen bezogen auf die wiederverfüllte Tongrube Mühlenberg anregen und die Schermbecker Fraktionen bitten, diese bei ihren anstehenden Beratungen zu berücksichtigen und in die Resolution einzuarbeiten:

Vorschlag:
Der Rat beschließt die folgende Resolution:
1. Der Kreis Wesel wird aufgefordert, die wiederverfüllte Tongrube Mühlenberg auf mögliche andere Giftstoffe als Ölpellets flächendeckend von einem neutralen Gutachter untersuchen zu lassen.

2. Der Kreis Wesel wird aufgefordert, die Dichtigkeit der Tongrube von einem neutralen Gutachter untersuchen zu lassen.

3. Der Kreis Wesel wird aufgefordert, Schadensersatzansprüche gegen mögliche Störer/Verantwortliche, insbesondere gegen die Ruhr Öl GmbH, für das Einbringen von illegalem Abfall in die wiederverfüllte Tongrube zu prüfen und durchzusetzen.

4. Der Kreis Wesel wird aufgefordert, die von der Firma Nottenkämper hinterlegte bzw. noch vorhandene Sicherheitsleistung für sog. „Ewigkeitskosten“ bezogen auf die wiederverfüllte Tongrube Mühlenberg in Höhe von derzeit DM 321.268 (umgerechnet ca. EUR 160.000) auf EUR 10 Mio. zu erhöhen.

Begründung:

zu 1.

In dem sog. ahu-Gutachten wird auf Seite 33 auf hohe Kupfer-, Cadmium- und Zink-Konzentrationen Bezug genommen, die jedoch nachweislich nichts mit den Ölpellets zu tun haben:

„Überschreitungen liegen in allen Proben bei den Einzelstoffen Kohlenwasserstoffe, BTEX (mit Ausnahme von B2-15), PAK, Blei, Cadmium (mit Ausnahme von EP5), Kupfer und Zink vor. Am auffälligsten sind hierbei die KW-Gehalte, die mit 44.000 bis 340.000 mg/kg erheblich höher ausfallen als bei den übrigen Proben (max. 4.000 mg/kg). Vereinzelte Erhöhungen liegen für Chrom (B37) und Nickel (B2-24) vor. Außerdem fällt der mit 26,6 g/kg sehr hohe Eisen-Gehalt in EP5 auf.“

Das ahu-Gutachten führt auf Seite 17 zudem aus: „API (2014) beschreiben für November 2012 (vgl. Tab. 4) in allen Schächten eine Erhöhung der Kohlenwasserstoffgehalte. Diese sind aber laut API (2014) wahrscheinlich nicht auf die Ölpellets zurückzuführen, da das Sickerwasser auch in den Bereichen ohne Pellet-Wahrscheinlichkeit auffällig ist.“

Der staatsanwaltliche Gutachter Herr Borchardt führt auf Seite 29 seines Gutachtens aus, dass die theoretischen Abhandlungen zur Sickerwasserprognose innerhalb des ahu-Gutachtens nicht ausreichen, „da das Gesamtgeschehen in der Tongrube durch die Bohrungen und die bisher praktizierten Untersuchungen nicht umfassend abgedeckt wird. Es handelt sich bei den Betrachtungen um punktuelle Erkenntnisse, die je nach weiterer Untersuchungssituation in der Tongrube weitere differierende Ergebnisse bringen können.“

zu 2.

Das ahu-Gutachten geht auf Seite 21 auf die Homogenität der Ratinger Tonschicht ein und kommt zu dem Ergebnis: „Sie sind nach Düllmann (1991) weitgehend homogen.“

Das ahu-Gutachten kommt auf Seite 5o bei der Untersuchung der Sohldichtigkeit ferner zu folgendem Ergebnis: „Die allgemeinen Anforderungen an eine Barriere sind danach i.W. [Anm. d.h. „im Wesentlichen“] eingehalten.“

Das sind keine beruhigenden Aussagen, zumal der Gutachter, Herr Lieser, auf der Veranstaltung des Landrats vom 19.09. nicht erklären konnte, was „im Wesentlichen“ bedeutet.

zu 3.

Auf der Veranstaltung des Landrats vom 19.09. kam deutlich zum Ausdruck, dass man nicht gegen potentielle Störer (Verhaltens- oder Zustandsstörer) im Rahmen einer Störungsbeseitigung vorgehen möchte. Dies ist umso unverständlicher, als die Justiziarin ehrlicherweise auf der Veranstaltung des Landrats ausgeführt hatte, dass notfalls der Steuerzahler (d.h. auch die Kreisgemeinden – über entsprechende Rücklagen – im Umlageverfahren) für die Beseitigung aufkommen müsse.

Abfallrechtlich ist auch der Erzeuger bis zur endgültigen Beseitigung für seinen Abfall verantwortlich und muss entsprechende Entsorgungskosten tragen. Das wäre bezogen auf die Ölpellets die Ruhr Öl GmbH bzw. die BP.

zu 4.

Auf der Veranstaltung des Landrats vom 19.09. antwortete der Kreis Wesel durch Herrn Fastring, dass man derzeit keine Veranlassung sehe, die Sicherheitsleistung zu erhöhen, da es der Fa. Nottenkämper zur Zeit finanziell gut gehe und man davon ausgeht, dass es auch noch langfristig so bleibt.

Eine Sicherheitsleistung zu erhöhen, wenn es dem Unternehmen finanziell schlecht geht, macht aber keinen Sinn. Sinn und Zweck einer Sicherheitsleistung sollten bekannt sein. Von daher sollte sie sich mindestens (ähnlich wie bei der Deponie von Nottenkämper) auf EUR 10 Mio. belaufen.

 

Vorheriger ArtikelSchermbeck ist offiziell Wolfsgebiet – Bürgerversammlung
Nächster Artikel55 Auszubildende bestehen das Altenpflege-Examen
Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.