Führt eine Verschleppung schließlich zur Verjährung?

Bündnis 90/Die Grünen bemängeln das Krisenmanagement des Landrats Dr. Müller

Kurz vor dem Ende der Dienstzeit des Landrats Dr. Ansgar Müller am 31. Oktober wiesen der Fraktionsvorsitzende Hubert Kück und die 2. stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrike Trick gestern während einer Pressekonferenz auf mehrere Fehler des Landrats im Zusammenhang mit der Nottenkämper-Deponie im Gahlener Heisterkamp hin.

Dabei ging es vor allem um ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter der Kreisverwaltung. Diesem wird gleich in dreifacher Weise Bestechlichkeit vorgeworfen. Zeugen bestätigten, dass der für die Kontrolle der Nottenkämper-Deponie zuständige Mitarbeiter des Kreises Wesel einen Mercedes ebenso erhielt wie Materialien für einen Hausbau. Außerdem soll Geld geflossen sein.

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Hubert Kück und Ulrike Trick warfen als Vorstandsmitglieder der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen dem scheidenden Landrat Dr. Ansgar Müller schwerwiegende Versäumnisse bei der Aufklärung des Gahlener Ölpellets-Skandals vor. Foto: Helmut Scheffler

Eine strafrechtliche Verfolgung ist wegen der inzwischen erfolgten Verjährung nicht mehr möglich. Die von einem Zeugen angeführten Bestechungen sollen in den Jahren 2005 bis 2012 stattgefunden haben. Aber eine disziplinarische Verfolgung ist noch möglich. Die wird aber nach Auffassung der Grünen viel zu schleppend durchgeführt. „Soll damit am Ende auch eine Verjährung erzielt werden?“, stellte Hubert Kück als Frage in den Raum.

Fehler in den Handlungsweisen

In der Rückschau auf die letzten eineinhalb Jahrzehnte entdeckten Hubert Kück und Ulrike Trick eine ganze Reihe von Fehlern in den Handlungsweisen des Landrats Dr. Müller, der von 1996 bis 2004 Kreisdirektor des Kreises Wesel war und im Jahre 2004 Nachfolger der Landrätin Birgit Amend-Glantschnig wurde. „Der Landrat hat gleich gegen drei Prinzipien der Regel zur Vermeidung von Korruption sträflich verstoßen“, stellte Hubert Kück fest und verwies auf das nicht angewandte Vier-Augen-Prinzip, auf das nicht praktizierte Rotationsprinzip bei kontrollierenden Mitarbeitern und auf das Versäumnis des Landrats zu verhindern, dass Kontrolleure im selben Ort wohnen wie eine Firma, die kontrolliert werden muss.

Die Art und Weise, wie das eingeleitete Disziplinarverfahren gegen den Mitarbeiter der Kreisverwaltung durchgeführt wird, bewerten die Grünen als nachteilig für den betroffenen Mitarbeiter, aber auch für die vielen Mitarbeiter des Kreises Wesel, die ihre Arbeit ohne einen Hauch von Bestechlichkeit verrichten. Wenig Verständnis zeigen die Grünen für die praktische Durchführung des Disziplinarverfahrens. Eine Mitarbeiterin der Bezirksregierung Düsseldorf hat im Juli 2019 im Kreishaus mit den Ermittlungen begonnen. Sie ist die ganze Zeit über im Kreishaus unter Leitung des Landrats tätig. Das trage, so Kück, dazu bei, dass das Verfahren verschleppt werde und zudem wenig transparent sei.

Keine konkreten Antworten

Mehrfach hätten die Grünen in der Vergangenheit nach dem Stand der Untersuchungen gefragt und niemals eine konkrete Antwort erhalten. Es sollte für die Kreisverwaltung ein Leichtes sein, herauszufinden, ob der in Rede stehende Mercedes wirklich über mehrere Halter seinen Weg zu dem Mitarbeiter fand. Wenn der ursprüngliche Käufer der Bestechende war und der endgültige Besitzer der der Bestechlichkeit verdächtigte Mitarbeiter, müsste es sich schon um einen merkwürdigen Zufall halten. Ebenso verhalte es sich mit den Rechnungen über das Baumaterial für den Umbau des im Besitz des Mitarbeiters befindlichen Hauses. Auch hier sollte eine Anfrage bei der Lieferfirma Klarheit bringen.

Was die Recherchen der Mitarbeiterin der Bezirksregierung anbelangt, haben die Grünen wenig Vertrauen. Sie berichteten gestern von Zeugen-Protokollen, bei denen die Unterschriften fehlten. „Das ganze Disziplinarverfahren stinkt zum Himmel“, fasste Hubert Kück zusammen. Er fügte hinzu, „es stinkt sehr nach SPD-Filz.“ Der Verdacht, dass der SPD-Landrat den unter Korruptionsverdacht stehenden SPD-Mann schütze, bleibe, so Kück, „wie ein Kaugummi an den Füßen des Landrats hängen.“

Die Grünen setzen auf Ingo Brohl

Hoffnungsvoll warten die Grünen auf den Amtsantritt des neuen Landrats Ingo Brohl. Erfreut nahmen sie zur Kenntnis, dass Brohl während einer Radtour durch Gahlen den Teilnehmern versicherte, die Akten erneut zu sichten. Dem Landrat in spe empfahlen sie gestern, im Gespräch mit seinem Amtsvorgänger zu klären, welche Ergebnisse die Untersuchungen der Mitarbeiterin der Bezirksregierung bislang gebracht haben. Als Empfehlung geben sie ihm auch mit auf den Weg, ein Gutachten von einer übergeordneten Stelle anfertigen zu lassen.

„Ich erwarte von Herrn Müller, dass er das Disziplinarverfahren noch vor dem Ende seiner Dienstzeit abschließt.“ Dies schlug Hubert Kück dem scheidenden Landrat vor. Man solle seinem Nachfolger eine solche Last nicht übergeben, sondern vorher selbst aufräumen. „Es besteht höchste Eile“, pflichtete Ulrike Trick ihm bei im Hinblick auf die vielen Mitarbeiter, die eine ordentliche Arbeit leisteten.

Info:

Gestern ging es zwar vor allem um Versäumnisse des Landrats Dr. Ansgar Müller. Aber in dem mehr als einstündigem Gespräch wurde mehrfach deutlich, dass es auf verschiedenen Ebenen der Behörden große Mängel bei den erforderlichen Kontrollen gab. Dazu gehören neben der Kreisverwaltung die Bezirksregierungen in Düsseldorf und Münster ebenso wie zuständige Staatsanwaltschaften. Sie alle konnten nicht verhindern, dass etwa 47 000 Tonnen Ölpellets und andere hochgiftige Substanzen jahrelang unbemerkt in einer Abgrabung der Firma Nottenkämper abgelagert werden konnten. H.Scheffler

Die Pressestelle des Kreises Wesel teilte am Donnerstagmorgen mit:

Bericht der Bezirksregierung liegt vor: Kreismitarbeitender entlastet
Landrat Dr. Ansgar Müller: „Der Bericht der Bezirksregierung ist am Montag, 5. Oktober 2020, eingegangen und wurde eingehend geprüft. Die unabhängige Ermittlungsführerin kommt zu dem Ergebnis, dass sich keiner der erhobenen Vorwürfe bestätigt hat und empfiehlt, das disziplinarrechtliche Verfahren gegen meinen Mitarbeitenden einzustellen. Dem schließe ich mich an. Um das Verfahren transparent und objektiv zu gestalten, hatte ich die Bezirksregierung Düsseldorf gebeten, einen ihrer Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen. Die Prüfung war sehr gründlich und umfänglich. Ich bin froh, dass die Prüfung nun abgeschlossen ist und mein Mitarbeitender entlastet wurde.“

Nachdem ein inzwischen zu einer Haftstrafe verurteilter Abfallmakler verschiedene Vorwürfe gegen einen Mitarbeitenden der Weseler Kreisverwaltung im Rahmen der rechtlichen Aufarbeitung illegal entsorgter Ölpellets in Schermbeck erhoben hatte, leitete Landrat Dr. Ansgar Müller im Juli 2019 ein Disziplinarverfahren zur Prüfung ein. Zur objektiven Aufarbeitung der sachlichen und fachlichen Fakten wurde eine Mitarbeitende der Bezirksregierung Düsseldorf als Ermittlungsführerin bestellt.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.