Forsches Vorgehen gegen lahmende Behörden

Gahlener Bürgerforum und Grüne beziehen Front gegen Schlampereien im Umweltbereich

Um die eingelagerten Ölpellets in einer dafür nicht vorgesehenen Ablagerung der Firma Nottenkämper vor ihrer Haustür sorgen sich Mitglieder des Gahlener Bürgerforums (GBF) im zunehmenden Maße.

Richtig verärgert sind sie inzwischen über die Kreisverwaltung Wesel, deren dienstliche Verpflichtungen das Bürgerforum nach monatelangen Erfahrungen so bewertet, dass eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Kreis Wesel bei der Düsseldorfer Bezirksregierung eingereicht wurde.

Analyse

Im Rahmen einer zweistündigen Pressekonferenz, an der auch die beiden Schermbecker Grünen-Ratsmitglieder Ulrike Trick und Holger Schoel teilnahmen, wurde am späten Sonntagnachmittag vom GBF die Bilanz des Ölpellets-Skandals gezogen.

In der gemeinsamen Analyse der Grünen und des Bürgerforums, in dem zahlreiche Gahlener Vereine und Gruppen mitwirken, stand die Kritik an der Arbeit der Behörden auf verschiedenen Ebenen.

Mitglieder des Gahlener Bürgerforums und Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen zeigen gemeinsame Entschlossenheit, die lahmende Bearbeitung des Gahlener Ölpellets-Skandals zu beschleunigen. Foto: Helmut Scheffler

Im Stich gelassen

Dabei machten die Gesprächsteilnehmer auch nicht Halt vor dem eigenen Rathaus. Zwar sind – bis auf die BfB (vgl. dazu den Kommentar des Fraktionsvorsitzenden Klaus Roth am Ende des Textes)– Politiker aller Ratsfraktionen engagiert an der Aufarbeitung des Ölpellets-Skandals beteiligt, aber die Gahlener haben das Gefühl, vom Bürgermeister und vom Gemeinderat insgesamt im Stich gelassen zu werden. Dabei wurde bedauert, dass die Bürgerversammlung am 30. November bei Holtkamp weder vom Bürgermeister noch von seinem Vertreter und von den allermeisten Ratsvertretern nördlich der Lippe besucht wurde.

Fehlende Bereitschaft

Im Mittelpunkt der Kritik des Bürgerforums steht die Kreisverwaltung Wesel. „Der Kreis will offensichtlich keinen Kontakt mit den unteren Ebenen“, stellte Holger Schoel fest und verwies auf mehrere Fälle in der Vergangenheit, in denen es an der Bereitschaft gefehlt habe, mit Bürgergruppen angemessen zu kommunizieren. Als fadenscheinig erwies sich die Absage des Kreises zur Teilnahme an der Bürgerversammlung am 30. November.

Obwohl Helmut Czichy als Mitglied des Verwaltungsvorstands wusste, dass die Bezirksregierung im Vertrauen auf die Teilnahme der Kreisverwaltung eine Absage erteilt hatte, schickte er dem GBF am nächsten Tag ebenfalls eine Absage.

Dienstvergehen

Dass der Kreis Wesel freiwillig nicht mit dem GBF kooperiert zwecks Aufklärung des Umweltskandals, bedauert der GBF. Als nicht hinzunehmendes Dienstvergehen wird die permanente Zurückhaltung von ausdrücklich erbetenen Informationen und Unterlagen bewertet. So hat der Kreis Wesel am 20. Oktober 2017 die Bekanntgabe eines Gutachtens mit Analysewerten zur Ölpellets-Einlagerung verweigert mit dem Hinweis, dies könnte negative Auswirkungen auf ein von der Staatsanwaltschaft Bochum geführtes Ermittlungsverfahren haben.

Später stellte sich heraus, dass bei der Staatsanwaltschaft in Bochum überhaupt kein Verfahren gegen Nottenkämper anhängig ist.

Die Nottenkämper-Berglandschaft im Gahlener Heisterkamp ärgert die Gahlener Bürger weitaus weniger als die verbotene massenhafte Einlagerung von Ölpellets und anderen hochgradigen Giftstoffen im Mühlenberg der Firma Nottenkämper. Foto: Helmut Scheffler

Version von Gutachten

Mehrfach wurde der Kreis Wesel schriftlich auf eine Öffnungsklausel des Umweltinformationsgesetzes hingewiesen, wonach eine Bekanntgabe zu erfolgen hat, wenn ein überwiegend öffentliches Interesse besteht. Trotzdem blieb der Kreis bei seiner Verweigerungshaltung und war auch nicht bereit, zumindest eine teilweise geschwärzte Version von Gutachten bereitzustellen. „Der Kreis Wesel missachtet unseren Informationsanspruch“, heißt es deshalb in der eingereichten Fachaufsichtsbeschwerde, die mit der Bitte verbunden ist, die „Gutachten der Ingenieurbüros Asmus und Prabucki Ingenieure Beratungsgesellschaft mbH aus Essen und ahu AG aus Aachen“ zur Verfügung zu stellen.

Keinen Tatbestand

In der Fachaufsichtsbeschwerde wird dem Kreis Wesel außerdem vorgeworfen, bislang keinen Tatbestand für eine Ordnungswidrigkeit bei der Firma Nottenkämper erkannt zu haben. Das sei völlig unverständlich, hieß es am Sonntag im Gespräch. Verwiesen wurde auf die mangelnde Kontrolle des ehemaligen Prokuristen, der an der Firmenführung vorbei für die illegale Einlagerung von rund 30 000 Tonnen Ölpellets und andern hochgiftigen Materialien gesorgt hat. Der Kreis ignoriere auch die Stellungnahme des LANUV-Mitarbeiters Dr. Malorny, der schriftlich mitgeteilt hat, dass man Ölpellets am Geruch erkennen müsse.

Hartnäckig verweigert der Kreis Wesel bislang auch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen ihm und der Firma Nottenkämper.

Mitglieder des Gahlener Bürgerforums und Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen zeigen gemeinsame Entschlossenheit, die lahmende Bearbeitung des Gahlener Ölpellets-Skandals zu beschleunigen. Foto: Helmut Scheffler

Skandale

Ein gesundes Misstrauen gegen die Firma Nottenkämper hält das GBF für angebracht. Die seitens der Firma geäußerte Opferrrolle wolle man auf keinen Fall hinnehmen. Verwiesen wurde nicht nur auf zwei Skandale auf der firmeneigenen Deponie in den Jahren 1994 und 2001, sondern auch auf die Nicht-Information von Politikern, die im letzten Jahr den Mühlenberg besichtigten und mit keinem einzigen Wort von den verbotenen Ablagerungen unter ihren Füßen erfuhren. Das Titelblatt eines Gutachtens, auf dem die Firma Nottenkämper als der Auftraggeber ausgewiesen sein soll, wurde bislang ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt.

Fehleinschätzung

Unzufrieden ist das GBF auch mit der Bezirksregierung Münster. Drei Mitarbeiter der Behörde haben als Zeugen in einem Verfahren um die Ölpellets am Landgericht Bochum bewiesen, dass sie erstaunlich wenig informiert waren und offensichtlich eine Fehleinschätzung bei der Bewertung von Ölpellets vorgenommen haben, obwohl die LANUV rechtzeitig gewarnt hatte.

Unzufrieden ist das GBF auch mit der als „Karussellspiel“ empfundenen bisherigen Aufklärungssarbeit der Staatsanwaltschaften in Duisburg und Bochum. Während die Grünen verärgert sind, dass ihre Strafanzeige gegen die Firma Nottenkämper vom Sommer letzten Jahres trotz einer Anmahnung noch nicht bearbeitet wurde, ist das GBF zumindest froh, dass jetzt endlich alle Informationen und Handlungsstränge bei der Staatsanwaltschaft in Bochum zusammenfließen sollen.

Ermittlung

Als dringend erforderlich bewertet das GBF, dass nun das Landgericht gegen die BP als die Herstellerfirma der Ölpellets ermittelt. Am heutigen Dienstag geht die Ermittlung in Bochum weiter. Wenn in diesem Verfahren herauskommen sollte, dass die BP schuldig gesprochen wird, dann würde die Erzeugerhaftung wirksam. Damit müssten die Kosten für die Entfernung der Ölpellets aus der Nottenkämper-Abgrabung von der BP bezahlt werden.

Weitere Schritte

Dass die Ölpellets nicht im Gahlener Heisterkamp bleiben können, stand für das GBF und für die Grünen am Sonntag eindeutig fest. Man wolle schließlich nicht, dass die Kinder und Kindeskinder mit versuchtem Grundwasser leben müssten. Um ihre Forderung durchzusetzen, sind das GBF und die Grünen bereit, weitere Schritte zu unternehmen, wobei die Landesregierung schon auf der Tätigkeitsliste steht. H.Scheffler

Anmerkung der Redaktion:

Per Mail erreichte uns am 7. Februar 2018 eine Stellungnahme des BfB-Fraktionsvorsitzenden Klaus Roth. Obwohl kein BfB-Politiker am Sonntag im Gahlener Bürgerforum, dem der obige Bericht galt, vertreten war (siehe oberes Foto) und in der Liste der Beteiligten auf dem uns ausgehändigten Briefkopf des Gahlener Bürgerforums auch die BfB nicht vermerkt ist, veröffentlichen wir die Mail von Herrn Roth, weil er sich im Anschreiben seiner Mail verärgert fühlte. Wir bleiben aber trotz der ablenkenden langatmigen Rückschau auf die Vergangenheit durch Herrn Roth eindeutig dabei, dass am Sonntag alle Ratsfraktionen (CDU, SPD, Grüne, FDP) außer der BfB an dem zweistündigen Pressegespräch vertreten waren.

Mit der Kommentierung: „Zwar sind – bis auf die BfB – Politiker aller Ratsfraktionen engagiert an der Aufarbeitung des Ölpellets-Skandals beteiligt, …“ wird dem Leser suggeriert, die BfB-Fraktion ist an einer Aufklärung des Ölpellets-Skandals und Ermittlung des oder der Verursacher/s nicht interessiert. Für uns ist dies eine nicht tragbare und unrichtige Aussage, wozu wir eine Richtigstellung von Dir erwarten. Nicht nur in den Ausschusssitzungen, wo die Thematik in den öffentlichen und nichtöffentlichen Teilen der Sitzungen behandelt wurde,  auch in der Presse haben wir eindeutig Stellung dazu bezogen. In einer Pressemitteilung im August letzten Jahres haben wir die Frage gestellt, inwieweit hat der Kreis Wesel, insbesondere der Fachbereich Umwelt und sein Fachbereichsleiter, Herr Michael Fastring, Fraktionsvorsitzender der SPD im Schermbecker Rat und Gahlener Bürger, seine Aufsichtspflicht erfüllt. In der RP vom 19.07.2017 wird Herr Fastring zitiert: „Der Kreis spricht sich dafür aus, dass die Ölpellets in der Abgrabung bleiben. Eine Sanierung sei nicht vorgesehen. Die Verwaltung sieht allerdings keinen Anlass, ein Ordnungwidrigkeitsverfahren gegen die Firma Nottenkämper einzuleiten“. Der Kreis Wesel wurde im Jahre 2014 durch das NRW-Umweltministerium informiert, dass es um eine mögliche illegale Entsorgung von Ölpellets in einer Abgrabung in Hünxe geht. Offenbar erst als das Kind in den Brunnen gefallen war, hat der Kreis 2015 ein neues Qualitätsmanagement eingeführt, das darin bestand, einmal monatlich das Betriebstagebuch zu kontrollieren. Mittlerweile hat ein Experte wohl festgestellt, dass die Ölpellets hätten auffallen müssen (Ansprache über die Sinnesorgane z. B. nach Aussehen – Farbe, Konsistenz, makroskopische Inhaltsstoffe – und Geruch lt. DZ vom 24.01.18). Die Vertreter des GBF sollten einmal den Fraktionsvorsitzenden der SPD und Gahlener Bürger zur Sachaufklärung in die Pflicht nehmen und sich nicht als Schutzschild vor ihn stellen. Das Landgericht in Bochum ist mit der Aufklärung des Ölpellets-Skandals befasst und wir hoffen, dass die Verantwortlichen ermittelt und verurteilt werden.

Unser Interesse an einer Aufklärung des Ölpellets-Skandals haben wir auch dadurch bekundet, indem wir, im Gegensatz zu unserem Bürgermeister, an der Bürgerversammlung am 30.11.2017 in Gahlen persönlich teilgenommen haben. Von einem Treffen des Gahlener Bürgerforums am letzten Sonntagnachmittag hatten wir keine Kenntnis und sind auch dazu nicht eingeladen worden.

Wenn sich das Gahlener Bürgerforum darüber beklagt, der Gemeinderat insgesamt fühlt sich im Stich gelassen, bitten wir zu bedenken, dass zahlreiche Vertreter des GBF auch Mitglieder des Rates bzw. sachkundige Bürger in den Ausschüssen sind.

Klaus Roth

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.