Finanzielle und personelle Probleme wachsen

Ulrich Petroff (Foto) fordert schnelles Reagieren auf den demografischen Wandel

Schermbeck Mit den Herausforderungen des demografischen Wandels auf Kreis- und Kommunalebene befasste sich der Wirtschaftsförderungsausschuss der Gemeinde Schermbeck am Mittwochnachmittag. Einstimmig beschloss der Ausschuss, sich an den Bemühungen des Kreises Wesel zu beteiligen, die unter dem Thema „Lebensumfeld gestalten – lange leben im Wohnquartier“ stehen.

Um die Ausschussmitglieder von der Notwendigkeit eines schnellstmöglichen Handelns in diesem Themenfeld zu überzeugen, kam Ulrich Petroff von der Kreisverwaltung Wesel nach Schermbeck. Anhand einer Fülle von Daten verwies Petroff auf eine Entwicklung, die Bürgermeister Ernst-Christoph Grüter am Ende des Vortrags in einer ersten Reaktion als „dramatisch“ bewertete.

Als gerontologisch ausgebildeter Mitarbeiter der Kreisverwaltung Wesel machte Ulrich Petroff auf die Notwendigkeit vorbeugender Maßnahmen aufmerksam, um älteren Menschen einen möglichst langen Verbleib im häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Foto Scheffler
Als gerontologisch ausgebildeter Mitarbeiter der Kreisverwaltung Wesel machte Ulrich Petroff auf die Notwendigkeit vorbeugender Maßnahmen aufmerksam, um älteren Menschen einen möglichst langen Verbleib im häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Foto Scheffler

Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst nach Ermittlungen der Bertelsmann-Stiftung im Kreis Wesel zwischen 2011 und 2030 insgesamt um 43 % von 16300 auf 23300 an. Besonders stark ist das Anwachsen der Fälle, in denen eine professionelle ambulante Hilfe erforderlich ist. Dort steigt die Zahl von 3300 auf 5600 um 70 % an. Bei der vollstationären Pflege ergibt sich ein Wachstum um 60 % von 4200 auf 6700.

Daraus ergeben sich finanzielle Konsequenzen. Bereits im Jahre 2011 wurden rund 215 Millionen Euro für Pflegemaßnahmen aufgewendet. 33 Mio. Euro für Pflegegeld, 21,1 Mio. Euro für Pflegesachleistungen ambulanter Dienste, 2,3 Mio. Euro für die Tagespflege und 158 Mio. Euro für die vollstationäre Pflege. „Das sind täglich 590 000 Euro“, stellte Petroff fest und verwies gleichzeitig auf die starke Steigerung der Kosten bis 2030.

Das finanzielle Problem werde, so Petroff, von einem personellen Problem begleitet. Die Anzahl der Pflegefachkräfte werde sich von 2110 auf etwa 4000 im Jahre 2030 nahezu verdoppeln, die Zahl der Pflegekräfte werde insgesamt von 5444 auf etwa 10 000 ansteigen. Schon jetzt mache sich aber ein Fachkräftemangel bemerkbar, der sowohl stationär als auch ambulant dramatisch weiter wachse.

Finanzielle und personelle Probleme gemeinsam ergeben für den Kreis und für die Kommunen den Zwang, nach Wegen zur Abfederung der Entwicklung zu suchen. Der Kreis Wesel setzt verstärkt auf die Förderung der Prävention und Rehabilitation, auf die Stärkung der Familienpotenziale und auf die seniorengerechte Gestaltung des Lebensumfeldes. „Die häusliche und vollstationäre Pflege muss bedarfsorientiert ausgebaut werden“, ist Petroff überzeugt. Außerdem sei es wichtig, die berufliche Perspektive von Altenpflegern zu fördern.

„Wir haben ein Problem, und Ihre Nachfolger werden Sie eines Tages sicherlich fragen, warum Sie nicht schneller gehandelt haben“, ermunterte Petroff die Schermbecker Politiker, möglichst bald Bestrebungen in Gang zu setzen, um das nahe Lebensumfeld älterer Menschen altersgerecht zu gestalten, damit möglichst lange im selbst gewählten Umfeld selbstbestimmt gelebt werden kann.

In diesem Zusammenhang gab es von Petroff sehr viel Lob für die Schermbecker Nachbarschaftsberater. Im Hinblick auf die Kritik einiger Schermbecker Politiker an dem „Wasserkopf“, womit offensichtlich eine zu starke professionelle Unterstützung gemeint ist, stellte Petroff fest: „Wir werden künftig noch stärker professionelle Hilfe anbieten müssen.“

Die Politiker ermutigte Petroff, Visionen für das Leben der älteren Menschen auf kommunaler Ebene zu entwickeln. H.Sch.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.