Wie viele Schafe er durch Wolfsrisse schon verloren hat? „Ich hab‘ irgendwann aufgehört zu zählen. Die Zeitungen schreiben irgendetwas von 26 oder 27.“
Und das seit Herbst 2018. Also seitdem sich Wölfe in der Region um Schermbeck angesiedelt haben.
Das letzte Schaf wurde am vergangenen Freitag gerissen. Es war trächtig. Der Lammfötus lugte noch halb aus dem Bauch der gerissenen Mutter hervor. Ganz in der Nähe der Bushaltestelle, von der auch sein Sohn kurz zuvor vom Schulbus eingesammelt wurde.
Enttäuscht, resigniert, sauer
Kurt Opriel ist irgendetwas zwischen enttäuscht, resigniert und sauer. Der 42-Jährige sieht sich mittlerweile in seiner Existenz bedroht. Schon lange denkt er darüber nach, wie er seine Schafzucht aufgrund der Bedrohung durch Wölfe weiterführen kann. Aus dem „wie“ ist aktuell sogar ein „ob überhaupt“ geworden.
In der Existenz bedroht
„Den wirtschaftlichen Schaden kann man nicht bemessen. Das Land ersetzt uns zwar die gerissenen Tiere und zahlt höhere Schutzzäune, aber die weitergehenden Verluste und Kosten sind um einiges höher“, erklärt der Schafzüchter aus Hünxe. So auch beim Einsatz von Herdenschutzhunden. Deren Anschaffung würde ihm zwar auch vom Land bezahlt werden, aber Zeit und Geld für Ausbildung und Unterhaltung müsste Opriel aufbringen. Und nach sieben oder acht Jahren geht so ein Herdenschutzhund in Rente und muss dann trotzdem weiter versorgt werden. „Kleinigkeiten, die sich summieren“, rechnet er vor.
„Das kostet Zeit und Geld“
Weitergehende Verluste und Kosten, damit meint Opriel etwa auch den durch gerissene Muttertiere fehlenden Nachwuchs. Oder die Aufbau- und Instandhaltungskosten für die vom Land und damit vom Steuerzahler bezahlten Zäune. „Einfach aufbauen reicht nicht. Sie müssen auch regelmäßig freigemäht und kontrolliert werden. Und das auf einer Länge bis zu 700 Metern. Das kostet Zeit und Geld“, so Opriel.
Zusatzbelastung kaum tragbar
Zeit, die er nicht hat. Geld, das immer knapper wird. Vor den Wolfsattacken blieben seine Schafe nachts auf der Weide. Jetzt müssen sie abends eingestallt und morgens wieder rausgelassen werden. „Das ist nicht die artgerechte Tierhaltung, für die wir einstehen wollen.“ Und eine Zusatzbelastung, die ihn von seinen anderen Arbeitsbereichen abhält. Denn allein von der Schafzucht kann die Familie Opriel nicht leben.
Fehl- und Totgeburten nehmen zu
„Aktuell haben wir noch 120 Tiere, viele davon sind trächtig. Die Größe der Herde sollte eigentlich weiter wachsen. Eigentlich.“ Doch durch den Stress der regelmäßigen Angriffe werden auch die verbleibenden Schafe weniger Lämmer zur Welt bringen, werden Fehl- und Torgeburten zunehmen, ist sich Opriel sicher.
Wer will die Verantwortung tragen
Dennoch richtet sich seine Wut nicht einfach gegen die Wölfe. „Die leben in vielen Teilen Deutschlands unproblematisch auch in der Nähe von Schafsherden“, weiß Opriel. Aber nicht so in der Schermbecker Region. „Erst hieß es: ,Wölfe überspringen keine hohen Zäune’, dann: ,Wölfe greifen keine Ponys und Pferde an‘. Beides ist eingetreten. Außerdem wurde immer gesagt: ,Wölfe nähern sich keinen Menschen‘. Aufgenommene Videos zeigen das Gegenteil. Und unser letztes Schaf wurde wenige Minuten nachdem mein Sohn vom Schulbus abgeholt wurde in der Nähe der Bushaltestelle gerissen. Also wer möchte seine Hand dafür ins Feuer legen, dass Menschen wirklich nichts zu befürchten haben“, fragt sich der besorgte Vater.
Neuer rechtlicher Anlauf
Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ist Opriel vor einem halben Jahr mit dem Antrag auf Entnahme der berühmt-berüchtigten Wölfin Gloria gescheitert. Jetzt lässt das NRW-Umweltministerium die Möglichkeit einer solchen Entnahme durch ein rechtliches Gutachten prüfen. Doch zu seinen Erwartungen an das Gutachten will er sich nicht äußern. Oder besser: nicht mehr.