Eines der schönsten Gebäude in der Gemeinde Schermbeck

Ein denkmalgeschütztes ehemaliges Wohnstallhaus wurde von der Altschermbecker Familie Stroetzel in den letzten Jahren umgebaut.

Ein Freilichtmuseum, das Gebäude aus früheren Zeiten zeigt, gibt es im Gebiet der Gemeinde Schermbeck zwar nicht, aber einige Hofanlagen, die schon in vornapoleonischer Zeit existierten, kann man an verschieden Stellen im Vorbeifahren sehen.

Manche ehemalige landwirtschaftlich genutzte Gebäude wurden in die 37 Jahre alte Liste der Schermbecker Baudenkmäler eingetragen. Dazu gehört auch ein ehemaliges Wohnstallhaus im Winkel zwischen Dorstener Straße und Lippeweg auf dem Flurstück 194 der Flur 26 innerhalb der Gemarkung Altschermbeck.

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Nico, Beatrix und Martin Stroetzel (v.l.) stellten gestern ihr denkmalgeschütztes Haus an der Dorstener Straße vor. Eine im Auftrag der Landesregierung vom Bürgermeister Mike Rexforth überreichte Plakette diente als „Dankeschön für den wertvollen Beitrag zur Bewahrung eines kulturellen Erbes.“ Foto: Helmut Scheffler

Diesem Düpmanns-Hof an der Dorstener Straße 108 unweit der Auffahrt zur Bundesstraße 58 bescheinigte das Rheinische Amt für Denkmalpflege vor mehr als zwei Jahrzehnten im Rahmen des Prozesses einer Denkmalsausweisung, „bedeutend für die Geschichte des Menschen“ zu sein und „erhaltenswert aus wissenschaftlichen, besonders architekturgeschichtlichen, volks- und hauskundlichen Gründen“.

Interessantes Objekt für die Hausforschung

Nach einer ausführlichen Beschreibung des aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammenden eingeschossigen Fachwerkhauses und seiner nachträglichen Veränderungsmaßnahmen kam das Amt zu der Auffassung: „Trotz der Veränderungen ein wichtiges Beispiel des Wohnstallhauses am Anfang des 18. Jahrhunderts, das mit seiner Fachwerkkonstruktion ein interessantes Objekt für die Hausforschung ist.“

Diese Expertise überzeugte die Schermbecker Politiker, in der Sitzung des Bau- und Denkmalausschusses am 25. Mai 2003, das ehemalige Wohnstallhaus einstimmig unter Denkmalschutz zu stellen. Einwände gegen die geplante Eintragung wurden seitens der Bevölkerung nicht vorgetragen. Die Eintragung unter der Nummer 33 erfolgte am 3. Juni 2003.

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Nico, Beatrix und Martin Stroetzel (vorne v.l.) stellten gestern ihr denkmalgeschütztes Haus an der Dorstener Straße vor. Zu den ersten Gratulanten gehörten Mitarbeiter des Landschaftsverbandes Rheinland, der Gemeindeverwaltung Schermbeck, der Nispa und der Architekt. Foto: Helmut Scheffler

Ehemalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude

Als die nebenan wohnenden Eigentümer des denkmalgeschützten Gebäudes, Martin und Beatrix Stroetzel, vor einem halben Jahrzehnt daran dachten, das ehemalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu einem reinen Wohngebäude umzugestalten, da schaltete sich das Denkmalamt ein. Von Beginn an war klar, dass ein Abriss nicht in Frage kommen konnte und dass feste Richtlinien des Denkmalschutzgesetzes einzuhalten waren. Die Behörde kam mit der Familie Stroetzel zügig überein, den angestrebten Umbau finanziell zu fördern. Zwei Drittel der Kosten für Erhaltungsmaßnahmen mussten die Eigentümer übernehmen; ein Drittel der Kosten übernahm die Obere Denkmalsbehörde.

Es war eine Ruine

„Ohne Denkmalzuschuss hätten wir wohl niemals umgebaut“, stellte Martin Stroetzel gestern im Rahmen einer Besichtigung fest, an der Bürgermeister Mike Rexforth, die im Rathaus für den unteren Denkmalschutz zuständige Mitarbeiterin Heike Szczepaniak, der Schermbecker Architekt Johannes Bartelt, die beiden Nispa-Mitarbeiter Erdal Dasdan und Anke Durek sowie Julia Kollosche-Baumann als wissenschaftliche Referentin des LVR teilnahmen. „Es war eine Ruine und viele haben uns als wahnsinnig bezeichnet“, erinnerte Martin Stroetzel, den die Schermbecker als langjähriger Trainer der SVS-Fußballer bestens kennen, an den Zustand des Gebäudes vor dem Baubeginn. Schiefe Wände und verrottete Balken waren alles andere als eine Einladung für eine Renovierung.

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Martin Stroetzel hat den Zustand des Gebäudes vor dem Umbau dokumentiert. Foto: Helmut Scheffler

Vorgaben des LVR

Der Denkmalschutz ließ einen Abriss als Alternative nicht zu. In den Bauanträgen an die Untere Baubehörde beim Kreis Wesel mussten die Vorgaben des LVR genauestens eingehalten werden. „Man musste um jeden Zentimeter kämpfen“, erinnert sich Martin Stroetzel an die strengen Vorgaben. Das führte zum Beispiel dazu, dass die Fenster als Unikate nachgebaut werden mussten, auch wenn sie sich nur ein oder zwei Zentimeter in der Größe unterschieden.

Vier Jahre lang dauerten die Umarbeiten. In der Anfangszeit, als der ganze Oberbau auf Stelzen stand, jagte jede Sturmmeldung der Familie einen Schrecken ein, weil man befürchtete, der Bau könnte zusammenstürzen. Die Giebelwand an der Nordseite fiel um, als schwere Maschinen bei Arbeiten an der nahen Straße durch wochenlange Vibrationen des Bodens das Mauerwerk permanent in Schwingungen versetzten.

Mordsarbeit

Als „Mordsarbeit“ entpuppten sich der Ausbau und die Säuberung aller Ziegelsteine aus den Außenwänden sowie das Sandstrahlen der originalen Balken und Hölzer. Die Erfahrungen, die Martin Stroetzel während seiner früheren Beschäftigung im Bergbau sammeln konnte, erwiesen sich in der Umbauphase als sehr nützlich, besonders dann, wenn es galt, durch Abstützungsmaßnahmen einen Zusammenbruch des Gebäudes zu verhindern.

Als ein Teil der Arbeit schon erledigt war, jagten Mitarbeiter des Bodendenkmalamtes der Familie Stroetzel einen kräftigen Schrecken ein. Die Archäologen verfügten eine Stilllegung der Arbeiten, weil sie annahmen, dass sich eine alte Römerstrecke dort befand, wo später das Wohnzimmer des Hauses der Familie Düpmann als Treffpunkt nach Feierabend diente. Die vermutete Feuerstelle unter dem Wohnzimmer konnten die Archäologen trotz intensiver Suche allerdings nicht finden, sodass die Umbauarbeiten nach acht Monaten wieder weitergeführt werden konnten.

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Blick von der Dorstener Straße aus auf das umgebaute ehemalige Wohnstallhaus. Foto: Helmut Scheffler

Pferdekarre im Nebenraum

Zu jedem Raum der 128 Quadratmeter großen neuen Wohnung, die künftig der 27-jährige Sohn Nico bewohnen wird, konnte die Familie Stroetzel gestern eine kleine Geschichte erzählen. In dem Raum, der heute als Badezimmer fungiert, ist vor dem Zweiten Weltkriege der Onkel Heinz Düpmann geboren. Wer heute am Küchentisch sitzt, kann von den Bauherren erfahren, dass durch diesem Raum früher einmal die Pferde gingen, wenn sie aus der Pferdekarre im Nebenraum ausgespannt wurden.

Die Denkmalschutzplakette des Landes NRW, die der Bürgermeister gestern der Familie mit dem Lob überreichte, eines der schönsten Gebäude in der Gemeinde Schermbeck geschaffen zu haben, erinnert nicht nur an die Zusammenarbeit der Familie Stroetzel mit der LVR-Mitarbeiterin Theresa König während der Umbauzeit, sondern dient zugleich als Mahnung, dass auch künftig Änderungen am Haus nur nach vorheriger Rücksprache mit der Denkmalbehörde realisiert werden dürfen.

Umsetzung der Maßnahme

Die Behörden achten besonders auf das Aussehen der Gebäude. Wenn Renovierungen anstehen, muss darauf geachtet werden, dass das historische Gesamtbild des Gebäudes erhalten bleibt. Selbst kleinere Maßnahmen wie Zäune oder Außenbeleuchtungen könnten das Gesamtbild stören und müssen vor der Umsetzung der Maßnahme mit der Denkmalsbehörde abgestimmt werden. Helmut Scheffler

Altes-Haus-Schermbeck-Luftaufnahme

Info:

Als letztes der elf alten Bundesländer erhielt NRW ein Denkmalschutzgesetz, das am 1. Juli 1980 in Kraft trat, um die Denkmäler in NRW zu schützen. Die Denkmalbehörden sind auf drei verschiedenen Stufen tätig. Die Aufgaben der Unteren Denkmalbehörde übernimmt die jeweilige Kommune. Die Kreise und Bezirksregierungen übernehmen als Obere Denkmalbehörden die Aufsicht über die Unteren Denkmalbehörden.

Oberste Denkmalbehörde ist das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW. Die fachliche Mitwirkung im Rheinland übernimmt das Amt für Denkmalpflege im Rheinland, das zum Landschaftsverband Rheinland gehört.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.