Beschließt der Rat heute einen Ratsbürgerentscheid?

In Zeiten von Corona Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln, ist kein leichtes Unterfangen. Beim Bürgerbegehren für ein Bildungszentrum inklusive Schulneubau könnte der Rat heute deshalb einen Ratsbürgerentscheid beschließen.

von Thomas Bolte

In der heutigen Ratssitzung entscheiden die Schermbecker Politiker über die Zulässigkeit eines zweiten Bürgergehrens zur Grundschulfrage.  

Die Forderung des Bürgerbegehrens richtet sich gegen den am 9. Oktober 2019 im Rat in der Grundschulfrage beschlossenen Kompromiss. Die Ratsmitglieder votierten damals mehrheitlich dafür, bei einer Zusammenlegung beider Grundschulstandorte vorhandene, werthaltige Schulgebäude zu erhalten und mögliche Konzepte sowie Kosten für einen Um- und Neubau am Hauptstandort durch ein Fachgutachten in Erfahrung zu bringen. Erst nach Vorlage möglicher Konzepte und Kostenschätzungen möchten sich die Politiker für eine konkrete Ausgestaltung der Schulzusammenlegung entscheiden. Ein kompletter Neubau auf einem zu erwerbenden Grundstück gegenüber des evangelischen Friedhofs fand im Rat keine Mehrheit, die Politiker traten hier auf die Bremse.

Manuel Schmidt, Marc Overkämping und Timo Gätzschmann wollen dagegen, dass die Verwaltung den Ratsbeschluss der Politiker aufheben muss. Sie fordern, dass Schermbeck eine komplett neue Grundschule samt Bildungs- und Kulturzentrum (KBZ) bauen muss. Kosten dafür laut Machbarkeitsstudie: 22,95 Mio. Euro inklusive Nebenkosten und Grundstückskosten. In der obligatorischen Kostenschätzung des Bürgerbegehrens, die auf jeder Unterschriftenliste anzugeben ist, sind jedoch „lediglich“ rund 19,85 Mio. Euro genannt – mit dem Hinweis „inkl. Nebenkosten und Grundstückskosten“. Vermutung: Die Verwaltung hat mögliche Fördergelder eingerechnet, ohne diese in der Kostenschätzung jedoch zu nennen.

Kommt ein Ratsbürgerentscheid?

Würde der Rat das Bürgerbegehren heute – trotz der möglicherweise nicht ganz transparenten Kostenschätzung – für gültig erklären, müssten die Initiatoren in den nächsten drei Monaten geschätzte 1.050 Unterschriften von Unterstützern sammeln, die ebenfalls ein Bildungs- und Kulturzentrum samt Schulneubau und Sporthalle gebaut sehen möchten. In Zeiten von Corona und Kontaktsperren kein leichtes Unterfangen.

Um den Initiatoren Manuel Schmidt, Marc Overkämping und Timo Gätzschmann (alle Führungs-Mitglieder von „Die Partei“, hier aber als Privatleute aktiv) entgegenzukommen, könnte der Rat daher heute alternativ mit Zweidrittelmehrheit auch ein sogenanntes Ratsbegehren beschließen, um die Bürger der Gemeinde in der Grundschulfrage entscheiden zu lassen. Die Fragestellung müsste hier nicht wortwörtlich der Fragestellung des angestrebten Bürgerbegehrens entsprechen, der Rat kann neu – und möglicherweise – grundsätzlicher oder vorsichtiger formulieren.

So wäre beispielsweise eine Formulierung denkbar, die den Ratsbeschluss vom 9. Oktober 2019 dahingehend erweitern könnte, dass die Bürger von der Gemeinde fordern könnten, auch für einen kompletten Schulneubau samt Bildungs- und Kulturzentrum ein Fachgutachten über eine mögliche Ausgestaltung einzuholen.

Charme dieser Lösung: Im Ergebnis lägen dann möglicherweise sowohl für einen Um- und Neubau am Hauptstandort (Ratsbeschluss) sowie für einen kompletten Neubau auf einem neuen Grundstück (Forderung des Bürgerbegehrens) konkrete Kostenkalkulationen sowie mögliche Ausgestaltungen vor. Eine Vergleichbarkeit beider Lösungen wäre gegeben. Und die Initiatoren des Bürgerbegehrens hätten einen Schulneubau wieder auf die Agenda gesetzt, was ja ihr Ansinnen ist.

Was würde bei einem Ratsbürgerentscheid passieren?

Beschließt der Rat einen – wie auch immer formulierten – Ratsbürgerentscheid, würde der Bürgermeister einen Bürgerentscheid einleiten. Die Schermbecker Wahlberechtigten könnten dann möglicherweise per Briefwahl ihr Votum abgeben.

Um erfolgreich zu sein, müsste das Ratsbürgerbegehren die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erreichen. Außerdem müssen mindestens 15 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Fragestellung zustimmen. Ein durch den Rat eingeleiteter Bürgerentscheid wirkt wie ein Ratsbeschluss. Er kann in den ersten zwei Jahren nach der Abstimmung nur durch einen weiteren Ratsbürgerentscheid geändert werden.

QuelleThomas Bolte
Vorheriger ArtikelFamilie Klump blickt unsicher in die Zukunft
Nächster ArtikelBürgerForum Gahlen hat Antwort – Neues Glück vor dem LG Bochum
André Elschenbroich
Moin, ich bin André Elschenbroich. Vielen bekannt unter dem Namen Elsch. Der Eine oder Andere verbindet mich noch mit der WAZ, bei der ich 1988 als freiberuflicher Fotojournalist anfing und bis zur Schließung 2013 blieb. Darüber hinaus war ich in ganz Dorsten und der Region gleichzeitig auch für den Stadtspiegel unterwegs. Nachdem die WAZ dicht machte, habe ich es in anderen Städten versucht, doch es war nicht mehr dasselbe. In über 25 Jahren sind mir Dorsten, Schermbeck und Raesfeld mit ihren Menschen ans Herz gewachsen. Als gebürtiger Dorstener Junge merkte ich schnell: Ich möchte nirgendwo anders hin. Hier ist meine Heimat – und so freut es mich, dass ich jetzt als festangestellter Reporter die Heimatmedien mit multimedialen Inhalten aus unserer Heimat bereichern kann.