Der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt hat einen offenen Brief an die Grünen im Kreis Wesel gerichtet.
Bitte schauen Sie in Ihr Wahlprogramm!
2014 gab es noch Finanzierungsgarantie für Schwangerschaftskonfliktberatung – das soll jetzt nicht mehr gelten?
Sehr geehrte Damen und Herren der Grünen,
Ihr Programm zur Kommunalwahl im Jahr 2014 haben nicht nur wir, sondern wahrscheinlich alle Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel gerne gelesen. Treffen Sie doch darin deutliche Äußerungen zu Erhalt, Förderung und Bedeutung der verschiedenen Beratungsangebote.
Zur Schwangerschaftskonfliktberatung heißt es in Ihrem Wahlprogramm: „Bei den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen konnten wir erreichen, dass die Finanzierung auf bisherigem Niveau erhalten blieb. Dies soll auch so bleiben. Die Aufklärung an Schulen zur Vermeidung früher Schwangerschaften muss noch verbessert werden.“
Wir sind erstaunt und bestürzt, dass diese Sätze offensichtlich keine Gültigkeit mehr haben sollen. Denn wenn Sie an Ihren Plänen festhalten, die Zuschüsse für Wohlfahrtsverbände drastisch zu reduzieren, bedeutet dies für die Arbeiterwohlfahrt, dass sie ihr Angebot der Schwangerschaftskonfliktberatung nicht weiter aufrechterhalten kann. Schon jetzt tragen wir einen Großteil der Sachkosten, die voraussichtliche Lücke bei den Personalkosten könnten wir aus eigener Kraft aber nicht füllen. Seit mehr als 30 Jahren ist die AWO Träger dieses Angebots. Ein Angebot übrigens, dass wir aufgebaut haben, weil uns der Kreis Wesel, den wir bislang als verlässlichen Partner kennengelernt haben, darum gebeten hat.
Alle Angebote der Schwangerschaftsberatungsstellen haben eine gesetzliche Grundlage, das Schwangerschaftskonfliktgesetz. Es regelt den gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsanspruch, aber zum Beispiel auch den Stellenschlüssel (ein Berater/eine Beraterin pro 40.000 Einwohner) und die Vielfalt des Angebotes durch mehrere Träger, um Wahlfreiheit für Betroffene zu gewähren.
Im vergangenen Jahr nahmen 6217 Menschen unsere Angebote in Anspruch: 481 Schwangerschaftskonfliktberatungen, 1478 Beratungen zu Schwangerschaft, Geburt und Sexualaufklärung, 304 Gruppenveranstaltung mit insgesamt 4258 Teilnehmer (das Gros davon waren Schüler). Auffällig ist, dass die Schwangerschaftskonfliktberatungen in den AWO-Einrichtungen im Kreis Wesel von 416 im Jahr 2013 auf 481 im vergangenen Jahr angestiegen sind. Der Beratungsbedarf in der Region ist höher als auf Bundesebene, dort sind die Zahlen rückläufig.
Wir verfolgen die politische Debatte auf Kreisebene mit Sorge. Wir fragen uns,
1.
… was passiert, wenn wir unser Angebot aufgrund fehlender Finanzmittel einstellenmüssten. Wer soll die Beratung der Menschen im Kreis Wesel übernehmen? EineBeratung, für die es einen gesetzlichen Anspruch gibt.
2.
…. wer soll die Frauen im Schwangerschaftskonflikt beraten, die einePflichtberatung aufsuchen müssen?
3.
… wer künftig die Auszahlung der Mittel aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ an schwangere Frauen übernehmen wird? DieseMittel sind räumlich gebunden, betroffene Frauen können nicht einfach in andereKommunen und Kreise ausweichen.
4.
… wie die gut funktionierenden und effizienten Netzwerke, in denen die AWO undauch andere Wohlfahrtsverbände zum Beispiel im Bereich der Frühen Hilfeneingebunden sind, weiter existieren sollen? Netzwerke, deren präventive Arbeitauch hilft, langfristig Kosten zu sparen.
Vor diesem Hintergrund appellieren wir an Sie, Ihre Position noch einmal zu überdenken. Und vielleicht, bitte entschuldigen Sie die Polemik, das eine oder andere Kapitel in Ihrem Wahlprogramm noch einmal durchzulesen. Es lohnt sich!