Auffälliges Verhalten von Gloria von Wesel. Die letzten Risse in Gahlen gehen laut LANUV auf ihr Konto
LANUV-Präsident Dr. Thomas Delschen gesteht zum ersten Mal, dass es sich bei den gehäuften Rissen durch Wölfin Gloria von Wesel um ein auffälliges Verhalten handelt.
Elf Wolfübergriffe auf Weidetiere im August binnen vier Wochen im Wolfsgebiet Schermbeck, sorgen mittlerweile auch beim LANUV für Sorgenfalten auf der Stirn.
LANUV-Präsident Dr. Thomas Delschen: „Wenn die Wölfin in einzelnen Fällen, aber wiederholt auch in offenbar geschützte Weiden eindringt, ist das ein auffälliges Verhalten in Bezug auf Weidetiere. Um diese Einschätzung in Hinblick auf die strengen Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes abzusichern, prüfen wir die kurzfristige Beauftragung eines externen Gutachtens.“
Wie heute das Landesamt für Umwelt und Naturschutz mitteilt, konnte in zehn Fällen die Wölfin GW954f als Verursacherin nachgewiesen werden.
Beurteilung der Herdenschutzmaßnahmen
Weiter haben Untersuchung von LANUV ergeben, dass es in neun Fällen allerdings keinen ausreichenden Schutz gegen Wolfsübergriffe gegeben habe. Nur in zwei Fälle haben die Herdenschutzmaßnahme nach der ersten Bewertung dem empfohlenen Standard entsprochen. Eine abschließende Beurteilung der Herdenschutzmaßnahmen durch die Landwirtschaftskammer stehe noch aus. Herdenschutzhunde kamen in keinem der genannten Fälle zum Einsatz.
Nach jetziger Lage müsse laut Umweltministerin Ursula Heinen-Esser der Herdenschutz weiter optimiert werden. Für eine erforderliche Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen, wo dies noch nicht in ausreichendem Maße geschehen ist, wirbt Umweltministerin Ursula Heinen Esser nach den Wolfsangriffen und den Auswertungen.
„Neuerdings“ werden auch Herdenschutzhunde finanziert
Allerdings räumt auch sie ein, dass es eine solche Häufung wie im August in Nordrhein-Westfalen bis jetzt noch nicht gegeben hätte. „Wir nehmen das sehr ernst. Ziel der Landesregierung ist es, die Tierhalter durch individuell geeignete Herdenschutzmaßnahmen in die Lage zu versetzen, die Weiden vor Übergriffen zu schützen. Wenn es erforderlich ist, finanzieren wir neuerdings auch die Anschaffung von Herdenschutzhunden bereits dann, wenn sie in kleinen Schafherden von weniger als 100 Schafen eingesetzt werden“, so Heinen-Esser.
LANUV geht davon aus, dass sich die Wölfin über weite Strecken von ihrer natürlichen Beute, wie Wildschweine, Rehe oder Rothirsche ernährt. Aber immer wieder komme es auch zu Übergriffen auf Nutztiere wie Schafe oder Damtiere im Gatter. Die absolute Zahl der bisherigen Wolfsübergriffe in diesem Jahr im Wolfsgebiet Schermbeck unterscheiden sich laut LANUV nicht signifikant von der Zahl der Übergriffe in den beiden Vorjahren: 2018 ereigneten sich 18 Übergriffe, in 2019 waren es 19, und bislang sind es 14 Übergriffe im Jahr 2020.
Tiere in der Nacht Aufstallen
Landwirtschafts- und Naturschutzministerin Ursula Heinen-Esser sieht als eine weitere Schutzoption vor Wolfsrissen die Möglichkeit an, die Tiere in der Nacht „aufzustallen“. Um dies zu erleichtern, hatte der Kreis Wesel die Schafhaltungen im Wolfsgebiet bereits unterstützt und zügig die Genehmigungen zum Bau von neuen Ställen erteilt.
Betont neue Töne schlägt LANUV-Präsident Dr. Thomas Delschen an: „Wenn die Wölfin in einzelnen Fällen, aber wiederholt auch in offenbar geschützte Weiden eindringt, ist das ein auffälliges Verhalten in Bezug auf Weidetiere. Um diese Einschätzung in Hinblick auf die strengen Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes abzusichern, prüfen wir die kurzfristige Beauftragung eines externen Gutachtens.“
Gemeinsame Gespräche führen
Wenige Politiker, außer Karlheinz Busen von der FDP haben sich, seit Schermbeck zum Wolfsrevier im Kreis Wesel ausgewiesen wurde, zum Thema Wolf geäußert. Neben Karlheinz Busen hat nun auch der Landtagsabgeordnete René Scheider die Regierung aufgefordert, dass das Landesamt für Umwelt- und Natur (LANUV) die Nutztierrisse schnellstmöglich prüft, um eine Basis für eine mögliche Entnahme der Wölfin zu schaffen. Schneider erklärt, dass Schafe sehr wichtig für unserer ökologisches System, und vor allem für unsere Deiche sind.
Darauf habe die Landtagsfraktion im Umweltausschuss schon vor geraumer Zeit die NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser hingewiesen und deutlich gemacht, wie akut mittlerweile die Situation der Schäfer und Landwirte vor Ort ist. Auch in Schermbeck und Umgebung.
Änderung im Bundesnaturschutzggesetz
Eine Änderung im Bundesnaturschutzgesetz lasse bei ernsten wirtschaftlichen Schäden die Entnahme eines Wolfes zu, betont Schneider auf Nachfrage in diesem Zusammenhang mit Blick auf die zurückliegenden Risse in Schermbeck-Gahlen. Dies sei aber laut Schneider die letzte Konsequenz. Einen Handlungsbedarf sieht der Politiker jedoch in Schermbeck auch. „Nicht, dass ich gegen Wölfe in unserer Region bin, sondern ich sehe auch die Not der Weidetierhalter, denn auch für Schafe und andere Weidetiere kommt unser Tierschutz zum Tragen“, so Schneider. Er erinnert daran, dass der Abschuss des Wolfes bei ernsten wirtschaftlichen Schäden möglich sei.
Und auch für Bürgermeister Mike Rexforth ist die Wölfin Gloria nicht mehr tragbar, und es müsse gehandelt werden. Das Tier reiße zuviele andere Tiere, ein Zusammenleben sei nicht möglich, sagte er noch bei den letzten Rissen in Gahlen vor Ort. Hinzu komme, dass die Wölfin in der Nacht zum ersten September an dem Ausbruch einer Rinderherde in Gahlen beteiligt gewesen sein soll. Rexforth forderte schon im August deswegen, dass schnellstmöglich gehandelt und die Wölfin Gloria umgesiedelt werde.
Kein zufriedenstellender Zustand
Die jetzige Situation sei laut René Schneider kein Zustand. „Es müssen sich alle an einen Tisch setzten, Weidetierhalter und Politik, um gemeinsam das Problem zu lösen und ein gemeinsames Konzept erarbeiten. Eine gegenseitige Bekämpfung hilft niemanden“, so Schneider. Allerdings weiß er auch, dass die Wölfe in unserem Land EU-rechtlich geschützt sind.
Bei Rissen und den Umgang mit problematische Wölfen regelt das Bundesnaturschutzgesetz §4. Hier ist als Ultima Ratio auch die Voraussetzung für eine rechtssichere Entnahme geregelt. Zwingend erforderlich ist danach eine Alternativen-Prüfung sog. „milderer Mittel“, wie zum Beispiel der Einsatz von Herdenschutzhunden oder das nächtliche Aufstallen, schlägt LANUV vor.
NABU Kreis Wesel meldet sich zu Wort
Kritische Äußerungen legt derweil der NABU Kreis Wesel an den Tag. Sie äußern sich über das unsachgemäße Mahnfeuer bei Landwirt Bernhard Steinmann in Kirchhellen, wo gemeinsam Jäger und Weidetierhalter zum Mahnfeuer gegen Wölfe eingeladen hatten. „Wofür dieses umweltschädliche Großfeuer?“, heißt es auf der Homepage von NABU.
NABU sieht die Risse und die große Gefahr für Wild und Nutztiere durch den Wolf als wörtliches „Ammenmärchen“ an. Wissenschaftlich und durch Kotproben sei laut NABU Kreis Wesel europaweit belegt und nachgewiesen, dass es sich deutschlandweit bei nur 0,5 % der Gesamtbeute, die der Wolf zur Strecke bringt, um Nutztiere handelt.
Weniger Nutztiere durch Klimawandel
„In Wirklichkeit ist heutzutage die größte Gefahr für Nutztiere und Co. der weiter fortschreitende Klimawandel. Wenn sich die extremen Hitzeperioden der letzten drei Jahre auch in den nächsten Jahren weiter so entwickeln, wird nicht mehr ausreichend Grünfutter, insbesondere für Kühe, Rinder, Schafe, Pferde und Co. zur Verfügung stehen. Das wird zwangsläufig auch dazu führen, dass wesentlich weniger Nutztiere gehalten werden können“, so NABU.
Dass sich der Wolf mittlerweile in der Region Wolfsgebiet Schermbeck vorwiegend von Nutztieren ernährt, sei laut NABU völlig falsch. „Das ist Rufmord, da Nutztiere am Niederrhein bestenfalls 2 – 3 Prozent von der Wolfsbeute ausmachen“, behauptet NABU. Sie berufen sich mit ihrer Aussage auf LANUV und anderen wissenschaftlich arbeitenden Wolfsforscher.
Populationseinschränkungen
Ebenfalls bezieht sich NABU auf die Aussage von Landwirt Steinmann, dass sich der Kirchhellener Landwirt und seine Mitstreiter möchten, die Anzahl der Wölfe auf 1.500 Tiere in Deutschland zu deckeln: „Dies sei genug für die Artenvielfalt“. NABU hingegen spricht hier von Populationseinschränkungen, die Landwirte und Schafhalter fordern. „Wie vollmundig können diese Leute fordern, ohne auch annährend eine wissenschaftliche Grundlage dafür zu haben. Nicht nur in unserer Region ist der Wolf das beste Regulativ, um unser Wild in Wald und Flur auf ein vernünftiges Maß für die Ökosystem-Leistungen der Natur zu bringen. Die Überpopulation von Reh, Rot- und Schwarzwild sind allein durch die Jagdausübungsberechtigten nicht einzudämmen. Dadurch erleidet insbesondere der natürliche Jungaufwuchs insbesondere von Naturwäldern große Schäden“, schreibt NABU, der seit Monaten fleißig für Spendengelder für den Wolf in Deutschland aufruft.
Geleichzeitig moniert NABU Wesel, dass sich die Organisatoren beim „WOLSfeuer“ als Mahnwache in Zeiten des Klimawandels darüber keine Gedanken gemacht haben, dass dies die Klimaveränderung zusätzlich antreibt. „Außerdem hätte ganz leicht die ausgetrocknete Vegetation im unmittelbaren Umfeld durch Funkenflug in Flammen aufgehen können“, resümiert NABU die Veranstaltung voller Sorge. NABU behält sich vor, die Veranstaltung der Mahnwache in Kirchhellen zu überprüfen.