Wolfgang Grebe über Sorgen und Nöte von Livemusikern


Aus Sicht eines Schermbecker Musikers möchte ich feststellen, dass die Möglichkeiten, in Schermbeck bzw. der nahen Umgebung aufzutreten, leider eher begrenzt sind.

Man hat generell und überall sowieso nur wenige Optionen: Entweder spielt man in einer Location, in der man für die alleinige Unterhaltung verantwortlich ist und steht dann mit viel Pech vor einem Publikum von nur zehn Menschen oder man wagt es, eine Gaststätte zu bespielen, wobei man dann meist vom Gastwirt nur als willkommene Hintergrundmusik gebucht wurde, am besten noch „auf Hut“ oder gänzlich ohne Gage („Ich gebe Euch ja schließlich die Möglichkeit, Euch zu präsentieren!“).

Gesehen aber nicht gehört

Ja, es ist dann durchaus so, dass man von vielen Menschen „gesehen“ wird, oftmals ist die Gesprächslautstärke aber so hoch, dass man zweifelt, dass einem überhaupt jemand zuhört, es sei denn, man dreht sich so laut, dass man unüberhörbar ist, aber dann ist man dem Publikum und dem Wirt zu Recht unangenehm zu laut.

Harte Verhandlungen

Die Anzahl der bespielbaren Locations in Schermbeck ist klein, und wenn man als lokale Band gebucht wird, muss man hart verhandeln. Man möchte dabei nicht reich werden; was das Publikum hingegen nicht weiß: An jedem Song, der dargeboten wird, haben die Vortragenden stundenlang oder sogar tagelang gearbeitet. Mit der Anzahl der Titel multipliziert sich die Vorbereitungszeit selbstverständlich.

Programm bedeutet viel Vorarbeit

Ein 1-Stunden-Programm bedeutet im Vorhinein mindestens netto 20 Stunden Probe, bis es vortragbar klingt. Dazu kommt Anfahrt, Auf- und Abbau – man rechne von Abfahrt daheim bis Ankunft daheim noch einmal drei Stunden zur Spielzeit hinzu (Wartezeiten nicht inbegriffen). Ach ja, die Steuern natürlich nicht zu vergessen. Und das ganze Equipment.

Das mag für einen Einzelkünstler oder ein Duo noch gangbar sein, für ein Quartett ist das schon ein recht großer Aufwand mit schmalem Stundenlohn.

2 Cent-Stücke im Hut

Man empfindet es dann schon als ein wenig respektlos, wenn man im „Hut“ nachher unter anderem 2-Cent-Stücke findet. Für einen Kinobesuch haben die Menschen locker mal 20 Euro pro Person übrig; ein Live-Musik-Erlebnis ist es Ihnen seltsamerweise leider selten wert.

Was einen dann aber bisweilen entschädigt, ist der – oft hautnahe – Kontakt zum Publikum, der im Gespräch vor oder nach dem Konzert (oder auch währenddessen – je nachdem, wie man seine Show gestaltet) entsteht und einem zeigt, dass Musik doch eine Sprache der Seele ist, und wenn man dann Menschen mit der Darbietung eine Freude gemacht und ein Lächeln in die Seele gepflanzt hat, war es jede Minute des Probens wert.

Schöne Momente gleichen aus

Ich erinnere mich z. B. tiefgerührt an Harald, ca. 70 Jahre alt, aus Gelsenkirchen. Der uns bei einem Kneipengig in der Pause erzählte, dass er heute zum ersten Mal seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren unter Menschen gegangen und rein zufällig auf uns getroffen ist, obwohl er doch nur ein Bier trinken wollte. „Ich habe mich vergraben und wollte nicht mehr leben“, erzählte er. „Aber jetzt weiß ich, dass es sich lohnt, doch noch weiter zu machen. Ihr habt mir solche Freude gemacht.“

Ein anderes Mal – es war tatsächlich in Schermbeck! – kam ein etwas fünfjähriges Mädchen zu unserer Musik tanzend auf uns zu und streckte uns ihre Hand hin, worin sich ihr ganzes Taschengeld befand.„Ich möchte Euch das geben, weil ihr so toll seid.“

Solche Momente machen uns stolz und glücklich.

Was fehlt in Schermbeck?

Abschließend sei gesagt: Was in Schermbeck nach meiner Meinung fehlt, ist eine etablierte oder noch zu etablierende Örtlichkeit (und entsprechende Werbung), an der regelmäßig, z. B. alle vier Wochen, ein kleines Konzert stattfindet und wo auch der unbekanntere Musiker den Garant hat, dass ein Stammpublikum diese Konzerte schätzt und anwesend ist.

Andere Städte haben durchaus eine traditionelle Live-Szene mit regelmäßigen Gigs verschiedener Couleur. Dieses Potential wurde hier nach meinem Empfinden noch nicht erkannt oder leider als nicht lukrativ verworfen.

Gratisauftritte werden leider bevorzugt

Eines darf man jedoch auch nicht außer Acht lassen: Solange es Künstler gibt, die „gratis“ spielen, wird der Gastwirt von nebenan diese bevorzugen. Auf die Qualität kommt es ihm dabei leider eher weniger an.

Wolfgang Grebe
(Bassist aus Schermbeck)

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André Elschenbroich
Moin, ich bin André Elschenbroich. Vielen bekannt unter dem Namen Elsch. Der Eine oder Andere verbindet mich noch mit der WAZ, bei der ich 1988 als freiberuflicher Fotojournalist anfing und bis zur Schließung 2013 blieb. Darüber hinaus war ich in ganz Dorsten und der Region gleichzeitig auch für den Stadtspiegel unterwegs. Nachdem die WAZ dicht machte, habe ich es in anderen Städten versucht, doch es war nicht mehr dasselbe. In über 25 Jahren sind mir Dorsten, Schermbeck und Raesfeld mit ihren Menschen ans Herz gewachsen. Als gebürtiger Dorstener Junge merkte ich schnell: Ich möchte nirgendwo anders hin. Hier ist meine Heimat – und so freut es mich, dass ich jetzt als festangestellter Reporter die Heimatmedien mit multimedialen Inhalten aus unserer Heimat bereichern kann.