Abschied von der Stadtverwaltung Dorsten – Hubert Große-Ruiken geht in den wohlverdienten Ruhestand
Mit einem lachendem und einem weinenden Auge geht der Kämmerer der Stadt Dorsten Hubert Große-Ruiken (63 J.) nach 47 Jahren in den verdienten Ruhestand.
Zuvor jedoch sorgte der Mann der Zahlen bei seiner letzten Ratssitzung für einen mächtigen Donnerschlag. Erstmalig seit 30 Jahren konnte er die Frohe Botschaft verkünden, dass die Stadt nicht mehr in der Hauhaltsicherung ist. Sprich: Sie ist aus der Bevormundung der Bezirksregierung und des Landrats raus. Dies bedeutet auch, dass die Stadt ihre Geschicke wieder selbst in die Hand nehmen kann und darf. Gleichzeitig mahnt Große-Ruiken: „Wir sollten auch weiterhin nicht übermütig werden. Schnell kann die gewonnene Freiheit wieder verspielt werden“.
Büro in der dritten Etage
Einen Tag vor seiner letzten Haushaltssitzung am Donnerstag erwischten wir den bis dato noch vielbeschäftigen Mann für ein Interview an seinem Schreibtisch in der 3. Etage des Rathauses. „Hier oben habe ich den Überblick“, sagte er lachend.
Bevor er vor zehn Jahren die Stelle des Stadtkämmerers antrat und die Zahlen der Stadt von links nach rechts und umkehrt, drehte und sich um die Finanzen kümmerte, war er vorab 2005 Leiters des Amtes für kommunale Finanzen.
Angefangen bei der Stadt hat Große-Ruiken jedoch schon 1974. Damals allerdings noch ohne Rechner, sondern mit Schreibmaschine, Durchschlagpapier, Karteireiter, Listen und Bleistift.
Von damals bis heute arbeitete er mit den Bürgermeistern Hans Lampen, Hans-Christian Zahn, Friedhelm Fragemann, Lambert Lütkenhorst und aktuell Tobias Stockhoff zusammen. Einen Lieblingsbürgermeister habe es nicht gegeben, zurechtgekommen sei er mit allen. „Wichtig war doch, dass die mit mir zurechtgekommen sind“, antwortet Große-Ruiken diplomatisch auf die Frage.
Spannende Zeiten in der Stadtverwaltung
Mit Blick auf seine Tätigkeit kann Große-Ruiken auf viele Erlebnisse und Auf und Ab’s der Stadt zurückblicken. Ein spannendes Erlebnis sei während seiner Laufbahn der Start in die Haushaltssicherung 1992 gewesen. „Es war eine Herausforderung, die wir annehmen mussten und auch angenommen haben. Wir haben die Ärmel hochgekrempelt, auch Rückschläge hingenommen, aber nie den Mut verloren“, erinnert sich der Kämmerer und lacht. Heute kann und darf er gut lachen. 2012 sah es aber noch ganz anders aus. Für Große-Ruiken sei das das schlimmste Jahr seiner städtischen beruflichen Laufbahn gewesen.
Ein Visionär
Der Grund: Es fehlten der Stadt rund 30 Millionen. Für den damals neu gebackenen Kämmerer kein Grund zum Verzweifeln. „Ich habe immer dran geglaubt, dass wir es wieder schaffen“. Die Anforderungen seinerzeit seien groß gewesen, denn innerhalb eines halben Jahres musste ein Haushaltssanierungsplan erstellt werden, der ein jährliches Sparpotenzial aufweisen und zehn Jahre lang reichen musste, also weit in die Zukunft hinein. „Ich habe immer daran geglaubt, dass wir das Ziel erreichen. Wir waren Visionäre“, so Große-Ruiken. Auch habe er als Visionär daraufgesetzt, dass der Rat immer die richtigen Beschlüsse fasst. „Ich hatte immer den Eindruck, dass jeder in der Stadt festen Willens war, dass das Ziel erreicht wird. Und, dass alles dafür getan wurde, um das das Ziel zu erreiche“.
Und das sprichwörtlich der Glaube Berge versetzen kann, zeigte sich dann 2016. Das sei eines seiner schönsten Erlebnisse gewesen. Die erste Zwischenetappe wurde erreicht und der Haushalt war erstmalig wieder ausgeglichen.
Schlechte Konjunktur
Dass es so langsam wieder bergauf ging, habe an mehreren Komponenten gelegen, erinnert sich Große-Ruiken. Zum einen sei damals die Stadt mit einer schlechten Konjunktur und vielen Arbeitslosen gestartet. Dann habe es 2012 ein gutes Wirtschaftswachstum gegeben, was den Erfolg eigentlich erst ermöglicht habe. Hinzugekommen sei die gute Zinsentwicklung, wodurch viele Schulden durch die Niedrigzinsen abgebaut werden konnten und die Stadt sich entschulden und die zusätzlichen Herausforderungen bewältigt werden konnten. Dazu gehörte die Flüchtlingskrise im Jahre 2015 und die Belastungen, die immer wieder vom Bund, Land und Kreis der Stadt aufgehalst wurden. Deshalb habe es auch ständig in den Jahren 2012 bis 2017 Auseinandersetzungen mit den Umlageverbänden und deren Ausgabengebaren und den Sparbemühungen, die an den Tag gelegt worden sind, gegeben. Das war schon sehr zermürbend gewesen, gesteht rückblickend Große-Ruiken. Erst in den letzten zwei, drei Jahren verzeichnete die Stadt deutliche Erfolge und es ging weiter voran.
Mitglied des Schermbecker Gemeinderates
Große-Ruiken war nicht nur Kämmerer, sondern er sitzt als CDU-Politiker im Rat der Gemeinde Schermbeck. Dennoch sei er als Altschermbecker immer mehr in Dorsten, als in der Stadt Wesel gewesen. Das habe nicht nur etwas mit seiner Arbeit zu tun, sondern seit dem 10. Lebensjahr besuchte er die weiterführende Schule in Dorsten. „Wenn ich nicht in Schermbeck wohnen würde, dann wäre ich sicherlich Dorstener. Hier kenne ich alles“.
Jetzt, nach 47 Jahren Arbeit, die zwar streckenweise zermürbend gewesen sei, habe die jedoch immer viel Spaß gemacht, ohne dass es auch nur einen Tag Bauchbrummen hatte, gesteht der anstehende Pensionär.
Überzeugt von der Arbeit
Nun geht es nun in den Ruhestand. Steht dann für den Beamten die große Langeweile vor der Haustür? Auf keinen Fall entgegnet Große-Ruiken und schmunzelt. „Langeweile werde ich nicht haben. Endlich habe ich jetzt mehr Zeit für meine Familie, aber ich werde weiterhin in Schermbeck aktiv bleiben“. In seiner Heimatgemeinde hat er einen neuen Job bei den Gemeindewerke Schermbeck als Geschäftsführer angenommen. Nicht zu vergessen sei die Ratsarbeit. Auch stehen auch noch alte und neue Projekte in Dorsten an, sodass er den roten Faden seines Wirkens in der Lippestadt nicht verliert.
Und gefühlstechnisch, wie sieht es da aus? Gibt es ein weinendes oder doch eher ein lachendes Auge?
Ganz klar ein weinendes Auge, gesteht der „noch“ 63-Jährige. „In den 47 Jahren habe immer an meiner Arbeit gehangen und war von dem, was ich gemacht habe immer fest überzeugt. Zwar freue ich mich über neue Aufgaben und, dass so einige Last von mir abfällt. Zurückblickend, bin ich bin total dankbar und zufrieden. Ich hätte mir nichts besser vorstellen können. Ich habe genau das gemacht, was mir gelegen hat und was ich gerne gemacht habe“.
Zitat Bürgermeister Tobias Stockhoff zum Abschied:
Hubert Große-Ruiken sei in Finanzfragen „ein Mahner und Möglichmacher zugleich“ gewesen. Er habe bei Herausforderungen nie nach Zuständigkeiten gefragt, sondern lösungsorientiert „einfach gemacht“.Und schlussendlich sei der Kämmerer „auch menschlich ein richtig feiner Kerl“, so Stockhoff.