Viele Besucher beim Gahlener Erntedankfest

Zu einem richtigen Dorffest hat sich das Erntedankfest inzwischen im Lippedorf entwickelt.

Da die Zahl der teilnehmenden Gruppen in den letzten Jahren stetig gewachsen ist, hat auch die Teilnahme der Besucher deutlich zugenommen. Nach dem von Pfarrer Christian Hilbricht geleiteten  Erntedankgottesdienst in der Gahlener Dorfkirche, den der Kirchenchor musikalisch untermalte, wurde es eng auf der Dorfwiese zwischen Erntedankkranz und Mühlenteich.

Ansprache des stellvertretenden Bürgermeisters Engelbert Bikowski:

06.10.2013 066„Das Erntedankfest ist eines der ältesten Feste überhaupt. Früher lebten 80 % der Menschen auf und vom Land. Im Winter waren sie von der eingebrachten Ernte abhängig. Deshalb dankten sie Gott am Ende der Erntezeit für das Gedeihenlassen der Früchte.

Das Erntedankfest zeigt, dass das „täglich Brot“ eben nicht so alltäglich ist, sondern hart erarbeitet werden muss. Viel zu selten denken wir darüber nach, woher wir das alles bekommen. Obst vom Supermarkt, Brot vom Bäcker oder auch gleich vom Supermarkt, Strom aus der Steckdose und Sprit aus der Zapfsäule.

Ist das alles unsere eigene Leistung? Können wir stolz darauf sein? Liegt es an uns, wenn es immer so weitergeht? Wer denkt, kommt von selbst zum DANKEN. Thomas Mann hat einmal gesagt: Reden und danken sind verwandte Wörter, wir danken dem Leben indem wir es bedenken. Halten wir einmai inne und denken wir einmal darüber nach!!!“

Ansprache des Heimatvereinsvorsitzenden Jürgen Höchst:

Viele Besucher beim Gahlener ErntedankfestAls das Erntedankfest im Königreich PreuBen 1773, also vor genau 240 Jahren erstmalig auf einen festen Termin gelegt wurde, waren reiche Ernten selten, hingegen Misserten mit Teuerungen und Hungersnöten keineswegs ungewöhnlich. Eine gute Ernte galt als Glücksfall für den Landwirt und für die Städter, die dafür zutiefst dankbar waren.

Heute leben wir in einer Zeit des Überflusses und globaler Märkte mit reich gedeckten Tischen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Ist denn Erntedank heute überhaupt noch zeitgemäß? Gut gefüllte Lebensmittelregale zu jeder Jahreszeit und hohe Lebensmittelqualität zu geringen Preisen lassen allzu schnell Gleichgültigkeit für Erntedank aufkommen. Dennoch – so meine ich – ist die Berechtigung von Erntedank aktuell geblieben. Das gilt insbesondere für unsere Landwirte. Denn der Erfolg ihrer Arbeit bleibt in hohem Maße von Natur und Wetter abhängig. Wer wochenlang auf wärmeres, sonnenreiches Wetter, danach auf Regen gewartet hat, und dann wieder um gutes Erntewetter zittern musste, sieht eine gute Ernte in einem anderen Licht. Für ihn gibt es Grund zur Dankbarkeit.

In Deutschland genießen wir die Vielfalt bäuerlicher Leistungen. In der öffentlichen Diskussion werden die staatlichen Hilfen und Subventionen für die Landwirtschaft häufig beklagt, ohne zu berücksichtigen, dass die Landwirtschaft auch zusätzliche Leistungen erbringt, die über die Lebensmittelpreise nicht abgegolten werden. Von jedem Euro, der für Nahrungsmittel ausgegeben wird, erhalten die Bauern gerade einmal 26 Cent. Schon am 24. Februar eines jeden Jahres hat in Deutschland, statistisch gesehen, jeder Mensch so viel verdient, wie er für die Ernährung im Jahr ausgibt. In den letzten 6 Jahren ist der Anteil der Verbraucher die bei ihrem Einkauf der Lebensmittel auf ethische Kriterien wie Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung oder fairen Handel um 18 auf 26 gestiegen – diese Gruppe zahlt gerne bis zu 16 % mehr und auch der Einkauf auf Vorrat nimmt dabei ab. Durch Lebensmittelskandale sind regionale Produkte wieder gefragter und geben unseren Landwirten neue Chancen, regional, nachhaltig und sauber Lebensmittel zu produzieren. Wir können dies durch unseren Einkauf unterstützen – jeder von uns.

Bauern, Jäger und Forstwirte erhalten und gestalten unsere Kulturlandschaft. Nur über land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen kann ebenso die Versorgung mit unserem Lebensmittel Nummer 1, mit Trinkwasser, sichergestellt werden. Auch das sollte in der Bevölkerung Anerkennung finden und auch den Land- und Forstwirten honoriert werden.

Wenn in den früheren Jahren die Ernte nach langer, harter Arbeit eingebracht worden ist, wurde die letzte Fuhre in der Scheune geschmückt. Sie wurde geschmückt aus Freude, dass die harte Arbeit nun vorbei ist, und aus Dankbarkeit an Gott, den Herrn, dass er wieder eine gute Saat hat gedeihen lassen. Wir wollen diese Erntedank-Tradition forttragen und ehren deshalb jedes Jahr hier unseren Erntekranz. Er ist von den Mitgliedern des Heimatvereins und der Junggesellenvereine gebunden und aufgestellt worden. Die Ernte hierzu wurde von unseren eifrigen Landtechnikfreunden mit ihren historischen Geräten eingebracht und allen Beteiligten möchten wir hiermit danken.

Und zu Ehren Gottes, der Landwirte, Forstwirte und allen anderen, die dafür sorge tragen, dass wir keine Not und keinen Hunger erleiden müssen, wollen wir diesen Tag mit Musik und Gesang unter diesem Kranz feiern.

06.10.2013 060

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.