Schermbeck. Mit einem Bürgerforum und einem vorherigen Pressegespräch hat sich die Firma Nottenkämper erstmals an die Öffentlichkeit gewandt. „Viele Darstellungen waren verkürzt und definitiv falsch“, sagte Pia Nottenkämper, geschäftsführende Gesellschafterin. In Absprache mit den Anwälten und der Staatsanwaltschaft Bochum sei jetzt der frühestmögliche Termin, um zu informieren. „Das Verfahren ist noch nicht entschieden“, betonte Thomas Eckerth, technischer Geschäftsführer der Firma.
Worum geht es? Vier Angeklagte müssen sich vor dem Landgericht Bochum auch wegen Umweltstraftaten verantworten. Sie sollen zwischen April 2010 und Oktober 2013 bis zu rund 30.000 Tonnen mit Ölpellets vermischtes Material auf dem Mühlenberg verbracht haben. Nottenkämper gewinnt auf seinen Flächen Ton für den Deich- und Deponiebau und verfüllt diese mit mineralhaltigen Stoffen, unter anderem der Asche aus Kraftwerken und Schlacken. Der Hauptangeklagte, der knapp fünf Jahre für Nottenkämper als Prokurist tätig war, ist verschwunden.
„Wie vom Donner gerührt“ sei man gewesen, als im Jahr 2014 Staatsanwaltschaft und Polizei in der Firma auftauchten, erinnerte sich Eckerth. Nottenkämper ergänzte: „Das war ein Schock.“ Beide betonen, dass gegen die Nottenkämper kein Tatverdacht bestehe und das Unternehmen als Geschädigter geführt werde.
Aufgefallen ist der Umweltskandal, weil ein Lkw-Fahrer auf Schlieren der Pellets aufmerksam wurde. Nur: „Das ist nicht bei uns passiert“, versicherte Eckerth, „sondern irgendwo in der Kette davor.“ Der gegenteilige, durch eine Mitteilung des Kreises Wesel vermittelte Eindruck sei falsch. Die Pellets aus einem Unternehmen in Gelsenkirchen seien mit Aktivkohle und anderen Mineralien vermengt worden. Die Pellets, weniger als einen Zentimeter groß, seien so nicht auf der Ablagerung gelandet, so Eckerth. Die Staatsanwaltschaft sei mehrfach auf dem Mühlenberg gewesen, ergänzte Pia Nottenkämper. Von den Pellets habe man nichts gerochen. Die Frage, wie solche Straftaten trotz der Kontrollen möglich seien, beantwortete Eckerth so: „Mit hoher krimineller Energie bekommen Sie das hin.“ Das Ganze sei eine „Räuberpistole hoch zehn“.
Zwar werden nicht von jedem ankommenden Lkw Proben genommen, aber eine Sicht- und Geruchskontrolle gebe es. Eine Video-Überwachung der Anlieferung ist geplant. Für das belastete Material habe es Unbedenklichkeits-Gutachten eines renommierten Büros gegeben, betonte der Geschäftsführer. Der Hauptangeklagte, der Nottenkämper die Abfälle als Makler vermittelte, habe Vertrauen missbraucht. Den Vorwurf, mit der Aufgabenverteilung Kontrolle aus der Hand gegeben zu haben, ließ Eckerth nicht gelten. Für dieses Material hätten die gleichen Anforderungen gegolten.
Ulrich Lieser, Diplom-Geologe der ahu AG aus Aachen, sollte im Auftrag des Kreises Wesel die Gefährlichkeit der Pellets auf dem Mühlenberg untersuchen. „Ich war skeptisch, ob ich die Dinger überhaupt finde“, erinnerte er sich. Bis zu sieben Meter tief gruben Bagger im Bereich Mühlenberg Süd, nur dieser Bereich ist nach jetzigem Stand betroffen. Mehrere Bohrungen wurden vorgenommen. „Große Überraschungen sind ausgeblieben“, fasste Lieser die Ergebnisse im Pressegespräch zusammen. Sein Fazit: Die Tongrube wirke wie eine Wanne und schütze das Grundwasser. Der Geologe empfiehlt, die Pellets im Boden zu belassen. Das Sickerwasser soll regelmäßig kontrolliert und überwacht sowie abgeleitet werden. „Das wird gemacht“, so Eckerth. Zwei Lkw mit Sickerwasser fahren täglich zur Emschergenossenschaft nach Dinslaken. In der dortigen Kläranlage werde das Sickerwasser ordnungsgemäß gereinigt.
Der Umweltskandal hat für Nottenkämper neben dem Imageschaden auch weitere Konsequenzen. Im Bereich Mühlenberg Süd darf nicht weiter aufgeschüttet werden. Das hat der Kreis verfügt. Im kommenden Jahr soll die Oberflächenabdichtung gebaut werden. Nottenkämper werde eine eigene Sickerwasser-Anlage bauen, so Eckerth. Die Genehmigung liege vor. Gutachter Lieser ergänzte: „Die Deponie hat keine Auswirkungen auf das Grundwasser gezeigt.“
Eine weitere Untersuchung, die die Pellets für gefährlicher hält, kann Nottenkämper nicht bewerten. Eckerth: „Wir kennen das Gutachten nicht.“ Die bisher entstandenen Kosten schätzte er auf „mehrere 100.000 Euro“. Und: „Wir haben unsere Lehren aus der Sache gezogen.“ Kritik übte der Geschäftsführer an der örtlichen Politik: Für ein vertrauliches Gespräch habe sich bei Nottenkämper nach der Berichterstattung niemand gemeldet.
Text und Foto: rtl