Vor 40 Jahren entstand die heutige Großgemeinde Schermbeck
Am 9. Juli 1974 wurde die Zusammenlegung der acht ehemals selbstständigen Gemeinden Schermbeck, Altschermbeck, Bricht, Damm, Dämmerwald, Weselerwald, Overbeck und Gahlen zur heutigen Großgemeinde Schermbeck im „Niederrhein-Gesetz“ beschlossen.
Zum 1. Januar 1975 trat diese wichtige Entscheidung im Rahmen der landesweiten kommunalen Neuordnung in Kraft.
Es fiel den Bewohnern und Politikern einiger Ortsteile nicht leicht, sich aus den bis 1974 bestehenden Amtsverbänden zu lösen, um das Wagnis der Mitarbeit in einer neuen Gemeinde einzugehen. Drevenack und Krudenburg verabschiedeten sich aus dem Amtsverband Schermbeck und wurden Teile der Gemeinde Hünxe. Brünen ist seither mit Marienthal ein Ortsteil Hamminkelns. Schermbeck wurde Rechtsnachfolgerin der bis dahin zum Amt Hervest-Dorsten gehörenden Gemeinde Altschermbeck.
Das Amt Gahlen zu Hünxe
Das Amt Gahlen zu Hünxe wurde aufgelöst, die ihm zugehörende Gemeinde Gahlen musste schweren Herzens den Gang über die Lippe nach Schermbeck antreten, obwohl man – wie der abgetrennte Gahlener Teilbereich Östrich – nur allzu gerne eine Tochter Dorstens geworden wäre.
Das Niederrhein-Gesetz vom 9. Juli 1974 fügte so zusammen, was im Herzen der Bevölkerung nicht unbedingt gewollt war. Das Diktat von oben mochten nicht alle „Zwangs-Schermbecker“ so recht feien.
Nur im heutigen Ortskern kam ein wenig Feierstimmung auf. Allerdings: Ohne offizielle Teilnahme von Amtspersonen fanden sich in der Silvesternacht etwa tausend Bürger auf der Mittelstraße ein, um an der ehemaligen Grenze (Ludgeruskirche, Café Schnitzler/Hennewig) die anstehende Verbrüderung zu feiern. Die Polizei drückte ein Auge zu. Fünf Minuten vor Mitternacht wurde ein von Waldemar Derwing farbig gestrichener Schlagbaum von Fasselt abgeholt. Auf dem freien Platz gegenüber der Ludgeruskirche (heute Verbands-Sparkasse) wurde der Schlagbaum von Adolf Ridder und Ludger Baumeister zersägt.
Während die Bevölkerung eine Nacht lang das „Einheitserlebnis“ genoss und damit die Katerstimmung der Einheit vor sich herschob, hielten sich die Politiker vornehm zurück. Andere Sorgen plagten. Wer sollte Bürgermeister werden? Der christlich-demokratische Bürgermeister Ernst Grüter vom Schermbecker Osten oder der sozialdemokratische Heinz Lutter vom Schermbecker Westen?
Am 4. Mai 1975 endete die „Rat-lose“ Zeit in Schermbeck
Dass die Kripo wochenlang vergeblich damit beschäftigt war, die öffentliche Morddrohung gegen den „Verräter“ Ernst Grüter aufzuklären, der mit Dorsten liebäugelte, zeigt massive Schattenseiten auf.
Am 4. Mai 1975 endete die „Rat-lose“ Zeit in Schermbeck. Bei den Kommunalwahlen erhielt die CDU 51,18 % der Stimmen, die SPD 38,24 %, die FDP 9,28 % und das Zentrum 3,2 %. Ernst Grüter wurde im Café Steinkamp erster Bürgermeister der Großgemeinde Schermbeck, Wilhelm Kemper aus Bricht (CDU) wurde sein Stellvertreter.
Noch heute sind – trotz aller rhetorischen Einheits-Beteuerungen der politisch Verantwortlichen – die eigentlichen Wurzeln und Bindungen deutlich zu erkennen. Kaum ein Altschermbecker kennt die Kreisstadt Wesel auch nur halb so gut wie Dorsten.
Dämmerwalder fühlen sich in Brünen wohler als in Schermbeck und schicken ihre Grundschüler noch immer dorthin, Weselerwalder halten die seit langem bestehenden Kontakte zu Drevenack aufrecht. Die Schießgruppe Altschermbeck hat sich in 40 Jahren nicht aus dem Schützenkreis Haltern-Dorsten lösen und dem Schützenkreis Wesel-Bocholt anschließen können.
Die Fußballer treten noch immer in zwei verschiedenen Verbänden an. Der Versuch der Kolpingsfamilie, dauerhaft vom Bezirk Dorsten zum Bezirk Wesel zu wechseln, scheiterte endgültig im Jahre 2003 mit der Rückkehr ins Dorstener „Nest“ zu den Freunden vor der kommunalen Neuordnung. Die Gahlener empfangen den Superintendenten aus Dinslaken, betreuen von der Kirchstraße aus Teile der Dorstener Protestanten, lassen in ihren Schützenreihen Östricher und Hardter Grünröcke mitmarschieren.
Ehemalige Zugehörigkeit zu den Regierungsbezirken Münster und Düsseldorf
Die ehemalige Zugehörigkeit zu den beiden Regierungsbezirken Münster und Düsseldorf und zu den drei Kreisen Rees, Recklinghausen und Dinslaken, das Aufeinandertreffen des katholischen Münsterlandes auf die evangelischen Niederrheinlande, eine Sprach- und Brauchtumsgrenze höherer Ordnung quer durch die heutige Mittelstraße, zwei gleichnamige Schützengilden hüben und drüben: Das alles steckt im Detail in den Poren der gesetzlich verschweißten „Acht unter einem Dach“. Irgendwie sind die acht alle ein klein wenig anders.
Wenn die „Dämmschen Ochsen“ nicht am Altschermbecker Schützenzelt Schlange stehen oder nicht Klumpen tragende Trachtenschützen in Uefte begleiten, wenn der „Göhlzen Flöiter“ ein einigendes Band um feuerfreudige Lippedörfler zieht und in „Gahlen-Nord“ nördlich der Lippe nicht einmal namentlich bekannt ist, dann sind die historischen Wurzeln auch hier ebenso die Ursache für Unterschiede wie beim Richten dreier Maibäume und beim Aufhängen dreier Erntekränze sowie beim Feiern von acht Schützenfesten zwischen Mai und September und für das Bestehen von vier Heimatvereinen. H.Sch.