Mahnwache in Hünxe – Verzweiflung und Angst bei Weidetierhalter

Rund 40 Weidetierhalter aus Hünxe am Niederrhein wollten am Mittwochabend ein Zeichen setzen. Sie kamen auf der Weide am Schwarzen Weg zusammen, um an ihre vom Wolf gerissenen Tiere zu erinnern.

Genau dort, wo vor Kurzem auf der Weide in Hünxe ein Pony vom Wolf gerissen wurde, brannten die Feuerstellen und Fackeln.

Eine Aktion, die für Aufmerksamkeit sorgen sollte.

0Die Feuer sollen auf die Not und Ängste der Weidetierhalter aufmerksam machen. Und die Menschen, die hier in diesem Bereich leben, haben Angst. Nicht nur um ihre Tiere. „Wir haben Angst, dass eines Tages unsere Kinder Opfer der Wölfe werden“, sagt Ina Pillekamp. Aber besonders wichtig sei ihr auch, dass die Kinder wieder unbeschwert draußen spielen lassen oder allein zur Bushaltestelle schicken könne.

Mittlerweile eskaliert die Situation in diesem Bereich, besonders nach dem fünften Pferderiss. Dennoch heißt es vom LANUV immer noch: Wölfin Gloria sei nicht auffällig! Das neu erstellte Gutachten war für die Weidetierhalter ein direkter Schlag ins Gesicht.

Pony-von-Pillekamp-in-Hünxe-gerissenn
Ina Pillekamp und ihr Mann sorgen sich nur um die Kinder, sondern sie möchten auch von der Politik gesehen und gehört werden. Foto: Petra Bosse

Tierschutz und Tierwohl

Keine Entnahme des Wolfes, und dass jetzt für den Wolf in den dunklen Tag- und Nachtstunden nach Möglichkeit die Tiere wieder in den Stall gebracht werden müssen, empfinden die Weidetierhalter als Hohn und direkte Beleidigung für ihre jahrelange Arbeit hinsichtlich des Tierschutzes und Tierwohl der Weidetiere. Und genau das wird von der Ministerin Ursula Heinen-Esser aktuell als Vorsichtsmaßnahme empfohlen, um die Tiere vor Wolfsangriffen zu schützen.
Ein Rechtsbruch gegen alle landwirtschaftlichen Tiere zum Schutze der Wölfen, was den Jahrzehnten langen geforderten Tierschutz anbelangt?

Alle Weidetiere wieder in den Stall?

All das sorgt bei den anwesenden Weidetierhalter für Kopfschütteln und regelrechter Verzweiflung. „Jahrzehntelang haben Tierschützer dafür gekämpft, dass die Weidetierhalter artgerecht gehalten werden, dass sie draußen leben dürfen, und die Weidetierhaltung hat sich in den letzten Jahren so wunderbar entwickelt“, so Pillekamp.

Nun hat sie große Bedenken, dass das angesammelte Wissen, was die Weidetiere zu einem gesunden naturnahen Dasein benötigen, sich vom Positiven ins Negative wieder zurückentwickeln werde. Sprich leere Weide, volle Ställe. „Wir haben Angst, dass das nun vorbei ist und wir die Bedürfnisse unserer Weidetiere nicht mehr erfüllen können“.

Umgestaltung-Ortskern-Schermbeck-Bürgerbeteiligung
Rund 40 Bürger und Bürgerinnen kamen zur Mahnwache an der Straße

Morddrohungen und Anfeindungen von Naturschützern

Fakt sei aber auch, und damit steht Pillekamp mit ihrer Aussage nicht allein da, dass es zwischen Weidetierhalter und Wolfsbefürwortern mittlerweile zu mehr als nur unschönen Auseinandersetzungen kommt. Sie seien zusehends den Anfeindungen von Naturschützern ausgesetzt. Es gebe immer wieder die übelsten Beleidigungen und sogar Morddrohungen von den „sogenannten“ Naturschützern. Gegen Menschen, die ihre Tiere lieben, oder um ihre gerissenen Tiere trauern. Gegen Weidetierhalter, die für ein Tierwohl für alle Tiere eintreten. Das müsse endlich aufhören, so Pillekamp.

Der jetzige Zustand, dass die Wölfe ständig dort um die Häuser schleichen und gesehen werden, könne so nicht weitergehen. „Deshalb fordern wir nicht, sondern wünschen uns in erster Linie, dass wir ernst genommen werden mit unseren Sorgen und Ängsten und das wir Unterstützung bei den Maßnahmen erhalten“. Auch möchte Pillekamp keine Hetze. Sie möchte sachlich darüber sprechen über die Fakten, die vorherrschen. „Einen Abschuss in dieser Form fordern wir sicher nicht. Wir sind selbst Tierliebhaber, aber so, dass sich der Wolf ständig unseren Häusern nähert, so kann es nicht weitergehen“.

Jan Scholte-Reh bedauert das Urteil

Vor Ort war auch der Bürgermeister von Hünxe Dirk Buschmann. Was das neue Gutachten anbelangt, habe er zwar mit dem Ergebnis gerechnet, dennoch sei er sehr enttäuscht darüber, dass erneut nicht anerkannt wurde, dass es sich hier um einen Problemwolf handelt und somit eine Entnahme nicht möglich ist. „Man sieht ja hier, wo wir stehen, wie groß die Betroffenheit der Tierhalter und der Schmerz über ihre gerissenen Tiere ist. Vor diesem Hintergrund ist es sehr bedauerlich, dass keine andere Lösung gefunden wurde“.

Mit Blick auf andere Länder betonte Buschmann, dass es durchaus auch anders gemacht werden könne. „Nun, der Landesgesetzgeber sagt aber, eine Entnahme des Wolfes ist an dieser Stelle nicht möglich, und da müssen wir uns natürlich fügen“, ergänzt Buschmann hinzu und bedauert das Ergebnis des neuen Gutachtens.

Mahnwache Weidetierhalter Wolf Hünxe

Umweltministerium möchte rund 7 Millionen Euro investieren

Und mit Blick auf die Wölfe und die Zukunft weist Ministerin Heinen-Esser die Weidetierhalter immer noch darauf hin, wie wichtig Herdenschutz sei. Egal was es kostet. Gerechnet wird laut Umweltministerium mit einer Summe von rund 7 bis 7,5 Mio. Euro. Nur für das Wolfsgebiet Schermbeck.

Und für einen sicheren Schutz vor den derzeit sechs Wölfen, nun auch bei Pferden, gehören auch die richtigen Zäune. Während teilweise die Schäfer ihre Weiden in einem regelrechten Hochsicherheitstrack umgebaut haben, ist aktuell noch überhaupt nicht geklärt, wie die Zäune in dieser Gegend, teilweise auch im Wald, aussehen dürfen. Angefangen von der Höhe des Zaunes bis hin zu den Fragen, wer zukünftig von den Pferdehaltern, ob nur die Privaten oder die Gewerblichen, eine Förderung bekommt. Viele Fragen, keine Antworten. Und wenn zukünftig wirklich demnächst alle Pferdeweiden und Wiesen rundum Hünxe wolfssicher eingezäunt werden, sei dies für die bestehende Kulturlandschaft schade, so Scholte-Reh. „Es gilt hier zwei Interessenlagen in Einklang zu bringen. Das ist ein sehr schwieriges Thema“.

Wolfsgebiet Schermbeck – totale Oberpopulation

Bestätigte sechs Wölfe leben derzeit in einem Rudel im Wolfsgebiet Schermbeck. Ist das Schermbecker Wolfsgebiet groß genug? Dazu sagte Dr. Johannes Kirchmann aus Oberhausen: Die Größe des Wolfsgebietes hier reicht rein rechnerisch nach Naturschutzangaben für einen dreiviertel Wolf aus. Ein Wolf benötig 300 Quadratkilometer Fläche. Das ist die Größe, worüber sich jeder Wissenschaftler, der etwas von Wölfen versteht, einig ist“. Kirchmann ist Mediziner und Jäger. Seit vielen Jahre setze er sich mit dem Thema Wolf auseinander.  

Für Kirchmann bedeute dies, dass die sechs Wölfe im Wolfsgebiet Schermbeck, nach dem berechnetem Modus, was die Wolfsdichte anbelangt, eine totale Oberpopulation darstellen. Es gibt aber noch ein weiteres Problem: „Das Problem entsteht dadurch, dass die Wölfe diesen Raum nicht verlassen können. Das sehe anders aus, wenn noch umliegendes Land zugänglich wäre und die Wolfspopulation, sprich das Rudel, oder die einzelnen Wölfe wandern könnten.

Wölfin Gloria von Wesel

Wölfe leben in einem Gatter

Das können sie aber nicht. Sie leben wie in einem großen Gatter. Das führt sicherlich bei den Wölfen dazu, dass sie sich die örtlichen Nahrungsquellen nach der Einfachheit der Erreichbarkeit erschließen“. Und das haben sie seit 2018 auch gemacht. „Zunächst waren es die Schafe, die sich nicht wehren können. Jetzt sind es auch die kleinen Pferde. Die Wölfe sind auch mehrfach schon auf Weiden mit größeren Pferden zugegen und gesehen worden“, fügt Kirchmann hinzu. Und das diene sicherlich zu der Kalkulation der Wölfe dazu, ob man als Rudel auch größere Tiere fangen kann. Johannes Kirchmann ist sich sicher: „Das werden sie lernen, das werden sie tun. Damit ist zu rechnen“.

Wölfe haben Hunde zum Fressen gerne

Allerdings geht seine Meinung, was Wolfsangriffe auf Menschen anbelangt, mit der Meinung einiger Menschen auseinander. Dies sei aktuell doch eher ausgeschlossen, sagt er.

Jedoch könnte es für Hundehalter im Wolfsgebiet zukünftig schwierig werden. Zwar sei der Mensch laut Kirchberger, der seinen Hund an der Leine führe, nicht vom Wolf bedroht. Für freilaufende Hunde jedoch, die sich in einer gewissen Entfernung vom Menschen befinden, sehe das jedoch anders aus.   Fakt sei – Wölfe lieben Hunde „zum Fressen gerne“, fügt Kirchmann hinzu. Das liege daran, dass Wölfe Hunde in ihrem Territorien vermeiden möchten. Das diene dem Schutz für ihre eigene Nahrungsgrundlage. „Das ist auch bei den Wölfen genetisch determiniert, und das führen sie auch durch. Bei der Menge von Hunden die hier sind, müssen wir nun abwarten, ob sie ihrem Urtrieb folgen, durchgreifen und Hunde fressen. Bis jetzt ist es nachweislich noch nicht geschehen“.

Hinweis: Wolfsangriffe in Europa, Russland, Asien und Nordamerika

Insgesamt wurden zwischen 2010 und 2018 130 Angriffe von Wölfen auf Menschen registriert, denen 302 Personen – darunter 24 Tote – zum Opfer fielen. Die Ursachen der Angriffe waren nach Überzeugung der Autoren überwiegend räuberischer oder grundloser Natur. Tollwut und der Verdacht auf Tollwut waren nur in 25 bzw. sechs Fällen die Ursache der Angriffe.
Quelle: Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag 2018