Kinder erzählten vom Stoppelhahn unterm Erntekranz

Mehrere Gahlener Vereine gestalteten am Sonntag eine Erntedankfeier
Auf der Wiese vor der Gahlener Dorfmühle errichteten der Heimatverein und die Landtechnikfreunde bereits am Samstag einen Erntekranz. Nach dem von Pfarrer Christian Hilbricht geleiteten Erntedankgottesdienst versammelten sich am Sonntag zahlreiche Brauchtumsfreunde im Umfeld des Kranzes, um an einer Feierstunde teilzunehmen.

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Heimatvereinsvorsitzender Jürgen Höchst befasste sich in seiner Ansprache mit den Gefahren einer Globalisierung der Landwirtschaft: „In der heutigen Zeit der Globalisierung stehen auch unsere wenig verbliebenen Landwirte in Deutschland unter hohem Wettbewerbs- und Erfolgsdruck – und das bei 100-prozentiger Abhängigkeit von Klima, Wetter und Natur. Unsere Handelsstrukturen stellen sich auf unserer Käuferverhalten ein – wenn wir immer nur billig einkaufen wollen, wird es auch ´billige` Produkte geben – billig ist aber nicht unbedingt preiswert. Für die Landwirtschaft bedeutet das, mehr Erzeugnisse zu günstigeren Preisen zu produzieren. Dies im Wettbewerb mit ausländischen Produkten, von denen wir nicht wissen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Es werden immer mehr Unkrautvernichtungsmittel und Insektenvernichtungsmittel auf den Feldern eingesetzt, um einen höheren Ertrag, eine höhere Effizienz zu erfahren.“

Sechs „Prootköster“-Kinder der Mundartgruppe des Gahlener Heimatvereins trugen plattdeutsche Gedichte vor. Foto: Helmut Scheffler
Sechs „Prootköster“-Kinder der Mundartgruppe des Gahlener Heimatvereins trugen plattdeutsche Gedichte vor. Foto: Helmut Scheffler

Ausführlich befasste sich Höchst mit dem Chemieunternehmen Monsanto und seiner Rolle für die Herstellung von Pestiziden und genmanipulierten Produkten.“ Höchst erinnerte an die „Totenstille“ als Folge eines unverantwortlichen Umgangs mit Herbiziden und Pestiziden in der chinesischen Provinz Sichuan: „Kein Vogel fliegt, keine Biene summt. Im größten Obstanbaugebiet Chinas in Sichuan lebt kein Tier mehr, weder in der Luft noch im Boden. Heute müssen die Menschen die Arbeit der Bienen übernehmen – andernfalls wächst kein Apfel, keine Birne. Die Blüten werden von Menschen von Hand bestäubt. Wollen wir es so weit kommen lassen? Vor allem, weil es längst nicht mehr nur um Glyphosat geht, sondern um die Zulassung von Pestiziden, Herbiziden und genmanipulierten Lebensmitteln überhaupt – und damit um die Systemfrage: Wie soll die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Chemiebasiert oder ökologisch?“

Mit einem Ratschlag beendete Jürgen Höchst seine Ansprache: „Wir Käufer entscheiden mit unserem Verhalten, was die Lebensmittelhändler in ihre Regale bringen. Wenn wir bereit sind, etwas mehr dafür auszugeben, biologisch hergestellte, regionale Produkte zu kaufen, desto mehr geben wir den Landwirten die Möglichkeit, bei ihrer Arbeit mehr Rücksicht auf die Natur und Umwelt zu nehmen und trotzdem auskömmlich verdienen zu können. Wenn wir unseren Honig bei den regionalen Imkern beziehen, geben wir den Imkern und Bienen in unserer Region eine Überlebenschance. Dann können unsere Kinder und Enkel auch in den nachfolgenden Jahren noch Bienen und Schmetterlinge über blühenden Wiesen fliegen und Feldlerchen über den Feldern singen hören! Und zu Ehren Gottes, der Landwirte und Imker und allen anderen, die dafür Sorge tragen, dass wir keinen Hunger leiden müssen – aber auch zur Mahnung dafür, Sorge zu tragen, dass dies überall auf der Welt möglich ist bei verantwortungsvollem Umgang mit unserer Umwelt, wollen wir diesen Tag begehen!“

Annelie Twachtmann leitete den Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Gahlen. Foto: Helmut Scheffler
Annelie Twachtmann leitete den Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Gahlen. Foto: Helmut Scheffler

„Das Erntedankfest ist keineswegs nur ein Fest der Bauern“, stellte der stellvertretende Bürgermeister Engelbert Bikowski zu Beginn seiner Ansprache fest und ergänzte, „wir alle sind betroffen. Wer von uns baut heute noch in seinem Garten Lebensmittel an, die für den Winter eingemacht oder eingekellert werden? Wir haben uns daran gewöhnt, unsere Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen. Da sind sie immer frisch und von guter Qualität. Aber auch diese Waren, die unser tägliches Brot darstellen, müssen ja irgendwo und von irgendjemandem angebaut werden. Von wem auch immer, das tägliche Brot muss schwer erarbeitet

werden. Und deshalb feiern wir Erntedankfest. Wir sind dankbar dafür, dass wir unser tägliches Brot haben.“

Für die Beschallung sorgte Jürgen Lokis. Der von der Kirchenmusikerin Annelie Twachtmann geleitete Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Gahlen steuerte die „Entrada“ und die „Galliarde“ zum Erntedankfest bei und empfahl musikalisch: „Freuet euch auf der guten Erde!“

„Der Herbst ist da“, sangen die von Annelie Twachtmann geleiteten Jungen und Mädchen des Kinderchores Gahlen-Hardt.
„Der Herbst ist da“, sangen die von Annelie Twachtmann geleiteten Jungen und Mädchen des Kinderchores Gahlen-Hardt. Foto: Helmut Scheffler

„Der Herbst ist da“, sangen die von Annelie Twachtmann geleiteten Jungen und Mädchen des Kinderchores Gahlen-Hardt. Flötenspielerin Sophie Winter erntete viel Applaus für ihr Solo. Für das Lied von der Vogelscheuche hatte das Chor-Kind Klara Schult mit ihrem Papa Kai aus Stroh eine Vogelscheuche gebaut. Beim Kanon „Theo, spann den Wagen an“ wurden die Zuschauer in den Gesang miteinbezogen.

Wegen einer Unterbesetzung im Tenor verzichtete der Männergesangverein Gahlen-Dorf“ in diesem Jahr auf eine Mitgestaltung des Erntedankfestes.

Sechs „Prootköster“-Kinder der Mundartgruppe des Gahlener Heimatvereins erhielten viel Applaus für ihren plattdeutschen Vortrag über den Stoppelhahn. Foto: Helmut Scheffler
Sechs „Prootköster“-Kinder der Mundartgruppe des Gahlener Heimatvereins erhielten viel Applaus für ihren plattdeutschen Vortrag über den Stoppelhahn. Foto: Helmut Scheffler

Sechs „Prootköster“-Kinder der Mundartgruppe des Gahlener Heimatvereins erhielten viel Applaus für ihren plattdeutschen Vortrag über den Stoppelhahn, den sie mit ihrer Lehrerin Barbara Breitkopf und mit dem Gahlener Gerhard Becks einstudiert hatten.

Wie in den Jahren seit 2012 trafen sich auch diesmal zahlreiche Besucher anschließend zum Erntedank-Brunch im Gemeindehaus. Die Tische waren reichlich gedeckt und es wurde in geselliger Runde munter geplaudert. H.Sch.

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.